Reisetagebücher

Bernd Runde

Tropische Paradiese der Südsee auf einer Reise 'Rund um die Welt'

Bei der dritten Etappe unserer Reise um die Welt landen wir auf der Gesellschafts-Insel Mooorea und starten von dort eine Südsee-Kreuzfahrt nach Bora Bora, Huahine und Raiatea (1986)


Südsee pur

Reisedaten


Moorea, eine Insel zum Träumen

Bei einer kurzen Zwischenlandung in Roratonga berichten zusteigende Passagiere von einer trostlosen Südseeinsel ohne Sandstrände, die der letzte verheerende Taifun aus Roratonga gemacht hat. In Gedanken übertragen wir diese Informationen auf Tahiti.

Nicht 00:05 Uhr, sondern 03:00 Uhr morgens, zeigt die Uhr, als wir in Papeete landen. Den letzten Abreise-Gammeltag auf Fiji können wir aber vergessen, denn heute ist noch einmal der 09.Septem­ber!! Wir haben die Datumsgrenze überflogen.

Ein Vertreter des Reisebüros Tahiti Nui hängt uns die obligatorischen Begrüßungsblumenkränze um und meint, er käme so in einer guten Stunde wieder, so lange wird die Gepäckabfertigung wohl dauern. Es folgt eine neue, uns noch nicht bekannte Variante der Gepäck-Entseuchung. Handgepäck, Fototaschen und die großen Koffer werden geräuchert - 1,5 Stunden lang. Der Bus ist dann pünktlich zur Stelle, um uns ins nahegelegene ‘Hotel Maeva Beach’ zu bringen. Von dessen prachtvoller Anlage bekommen wir nicht viel mit. Nach 4 Stunden Schlaf sind wir aber schon wieder beim Frühstück. Ein fürstliches Frühstück, zumindest, was den Preis betrifft - 36.– DM pro Person. Tahiti ist das Vorzimmer des Finanzamtes.

Obwohl wir mit einer kleinen 2-motorigen Sportmaschine nach Moorea, der kleinen Nachbarinsel von Papeete geflogen werden, interessiert sich niemand für das Gewicht unseres Gepäcks. Die alte vergammelte Waage in der Flughafenabfertigung zeigt konstant 80 kg an, auch ohne Gepäck drauf. Leuchtend grün hebt sich die Insel aus dem hellgrünen Ring der sie umgebenden Lagune. Ein herrlicher Anblick von hier oben durch die zerkratzte Scheibe des kleinen Inselhüpfers.

Ein festes Prinzip beachten wir eigentlich bei all unseren Reisen immer: Keine angelesene oder durch Freunde vermittelte Erwartungshaltung. Wir wollen selbst erleben und selbst bewerten. Aber von einer Südseeinsel hat man ja doch eine gewisse Vorstellung. Im Hotel angekommen, bleibt das Gepäck unausgepackt im Zimmer stehen, und nach wenigen Minuten stehen wir im Garten der kleinen Hotel-Bungalow-Anlage unmittelbar am Ufer der Cookbay - und sind fürchterlich enttäuscht. In meinen Reisenotizen liest sich das so:

Die Cookbay und der Bali-Hai-Club sind eine arge Enttäuschung. Kein Sandstrand und kein Auslauf. Wir machen ganz schön bedepperte Gesichter, waren wir doch bisher von einem Höhepunkt zum anderen getaumelt, wie trunkene Schmetterlinge. Recht lustlos baden wir in der kleinen Bucht vor dem Hotel und im Swimmingpool, machen die ersten Fotos der Cookbay und der sie umgebenden teilweise in dichte Wolken gehüllten Berge. Oder sind wir einfach übermüdet?

Auf einem kleinen Abendbummel durch die tropischen Gärten der nahen Umgebung überrascht uns noch ein heftiger Tropenregen. Am nächsten Morgen sieht die Welt und unsere Umgebung aber schon ganz anders aus. Strahlender Sonnenschein begrüßt uns beim Frühstück auf der Veranda des Hotels. Während einer Fahrt mit dem Floß ‘Liki-Tiki’ hinaus in die Lagune vor der Bay und einem erfrischenden Bad im kristallklaren Wasser der Lagune, ändert sich unser Bild von der Insel total.

Verliebt in die Cook Bay Verliebt in die Cook Bay © 1986-2016 Bernd Runde

Beim zweiten Hinsehen verlieben wir uns in das kleine Eiland und ganz besonders in die Bucht, die James Cook 1769 als die schönste Bucht der Welt bezeichnet haben soll. Eingebettet in die grünen Hänge der zum Teil steil aufragenden Berge verstecken sich kleine Hütten, umgeben von paradiesischen Gärten, die wiederum direkt in die üppige Pracht der sie umgebenden Natur übergehen. Es blüht und wächst, als ob eine Pflanze es immer noch etwas besser machen möchte als ihre Nachbarin. Hibiskus, Papayas, Bananen, Orangen, Palmen, leider kennt man gar nicht all die Namen der so miteinander wetteifernden Gewächse.

Südsee-Romantik Südsee-Romantik © 1986-2016 Bernd Runde

Was liegt näher, als diese ganze Pracht auch einmal im Glanz der untergehenden Tropensonne zu genießen? Mit dem Südseefloß ‘Liki-Tiki’ tuckern wir, getrieben von einem kräftigen Außenbordmotor, hinaus durch das kristallklare Wasser von Bucht und Lagune und genießen dabei einen tropischen Cocktail an der “Bordbar”. Grün und geheimnisvoll gleitet die Landschaft an uns vorüber. Auf einem anderen Floß, das uns entgegenkommt, entdecken wir in der winkenden Menge unsere italienischen Freunde von den Fidschis. Es ist ein heftiges Wiedersehen aus der Ferne. Langsam bewegt sich die ‘Liki-Tiki’ der dem Meer entgegen strebenden Sonne entgegen, als diese plötzlich, eine Handbreit über dem Horizont, in eine undurchdringliche Wolkenbank taucht. Der Himmel färbt sich in allen Rottönen des Regenbogens, nur der Traum vom glutrot ins Meer versinkenden Sonnenball bleibt wieder unerfüllt.

Dann taucht die Sonne ins Meer Dann taucht die Sonne ins Meer © 1986-2016 Bernd Runde

Mit der beabsichtigten Abwechslung im Speiseplan wird es heute nichts. Der benachbarte Chinese hat mittwochs geschlossen. So sitzen wir nach einem kleinen Spaziergang unter funkelndem Sternenhimmel wieder auf der Veranda des Bali-Hai-Clubs. Der während des Nachtisches niedergehende Tropenregen bringt keinerlei Abkühlung, aber auch die Nässe empfindet man nicht als unangenehm. Der nächste Morgen treibt uns mit unheimlichem Tatendrang schon sehr früh hinaus. Mit gemieteten Fahrrädern starten wir zu einer Entdeckungstour entlang der Nordküste der Insel.

Kokosnüsse in schwindelnder Höhe Kokosnüsse in schwindelnder Höhe © 1986-2016 Bernd Runde

Es ist eine herrliche Landschaft, entlang der Straße üppig wuchernde Gärten um gepflegte Häuser oder strohgedeckte Hütten. Dazwischen auch manch’ eine zerfallene Hütte, aber es ist die Natur, die dem Ganzen seinen Reiz gibt. Vieles hat der Mensch zerstört, und er ist noch dabei, zu zerstören. Es gibt Fleckchen, da schafft es nicht einmal die dschungelhaft wuchernde Natur, die Wunden wieder zu heilen. Zwischen Straße und Ufer wechseln sich Mangrovensümpfe und Palmenhaine ab, dazwischen viele bei Niedrigwasser übelriechende Buchten. Dort, wo der Uferstreifen einige Reize oder gar Sandstrand hat, sind Bungalowdörfer und Hotelanlagen entstanden. Je schöner die Landschaft, um so mehr Stacheldraht taucht auf. Ab Petit Village, dem Standort des Club Mediterranée, beherrscht Stacheldraht die Landschaft. Es gibt keine Möglichkeit, auch nur ein kleines Fleckchen der reizenden Uferzone aus der Nähe zu genießen.

Hinweisschilder kann man ganz kurz halten, der Text darauf lautet einfach: “tabu”. Hier, im Polynesischen, hat dieses Wort seinen Ursprung. Mit “tabu” wird alles bezeichnet und beschildert, was der Mensch nicht darf.

Nach 22 km, es geht schon auf die Mittagszeit zu, überholt uns ein wild hupendes Auto, die Mailänder sind auf Inselrundfahrt. Da sich die Fahrräder nicht im Auto verstauen lassen, um die Fahrt gemeinsam fortzusetzen, verabreden wir uns für den frühen Nachmittag an unserem Hotel. Jetzt heißt es aber strampeln. Mein Weibchen macht fast schlapp.

Sechs Stunden auf dem Fahrrad und nicht eine Badepause. Wollten wir nicht einen erholsamen Tag einlegen? Nach einem erfrischenden Drink an der Poolbar brechen wir dann zu viert auf, zunächst zum Aussichtspunkt Bellevedere. Über eine wilde Piste geht’s bergauf, bis wir hoch über Cookbay und Opunohubay am Roto-Nui-Aussichtspunkt ankommen. Bis zu 1.212 m ragen die Berge unmittelbar aus dem Meer aufsteigend auf. Zwischen den beiden Buchten beherrscht der Rotui mit seinen 879 m den Blick auf die Cookbay.

An anderer Stelle besichtigen wir noch eine Hotelanlage mit herrlichem Sandstrand und genießen die schöne Aussicht bei einem tropischen Früchte-Eisbecher. Eine Einladung ins Hotel unserer Reisebekanntschaft nehmen wir an, um auch einmal ein anderes Hotel kennenzulernen. Das weit über einen Abhang verstreute Bungalow-Hotel Kia-Ora liegt an der Ostküste von Moorea, unmittelbar gegenüber von Tahiti, das mit seinen tagsüber immer wolkenverhangenen Gipfeln herüber grüßt. Welch ein Paradies ist unser kleines Hotel gegen dieses Komfort-Anwesen. Nur vorsichtig, ständig die Augen auf den Meeresboden gerichtet, können wir die ersten Schritte ins Wasser wagen. Tausende von langstacheligen Seeigeln bevölkern den Meeresboden. Dichte Kolonien bilden stachelbewehrte Inseln im flachen Lagunenwasser. Im Park patroulliert ein Sprühwagen, der die ganze tropische Herrlichkeit in einen unangenehmen Nebel von Insektenvertilgungsmittel hüllt. Myriaden von Mücken machen abends einen Aufenthalt im Freien fast unmöglich, berichten unsere Gastgeber. Nach einem herzzerreißenden ‘arreviderci’ geht’s zurück in den Bali Hai Club. Nach einem ausgiebigen Abendessen beim Chinesen sitzen wir dann wieder auf der Veranda des Hotels und nehmen das bunte Treiben in uns auf, das einer angekündigten Folklore-Veranstaltung vorausgeht.

Mit Charme und Hingabe Mit Charme und Hingabe © 1986-2016 Bernd Runde

Eine Gruppe junger Tahitianer, mit Lendenschurz, Baströckchen und Pareau, einer Hibiskusblüte im Haar und dem traditionellen Blütenkranz um den Hals, spielt Südseeklänge und tanzt alle Formen des mitreißenden Tamuré. Wesentlich stärker kommt dabei für unsere Vorstellung die südländische Lebensfreude zum Ausdruck, verglichen mit den schwerfällig und melancholisch wirkenden Tänzen auf Fiji. Natürlich dauert es nicht lange, und wir Touristen sind in das bunte Treiben mit einbezogen. Es wird eine lange Nacht unter dem Kreuz des Südens, voll ausgelassener Fröhlichkeit. Spät verlassen wir mit Blumenkränzen geschmückt das Fest. Den Rest der Nacht verbringen wir in narkotischem Tiefschlaf.

Ein himmlischer Platz zum Entspannen Ein himmlischer Platz zum Entspannen © 1986-2016 Bernd Runde

Den Morgen genießen wir wieder am Swimmingpool. Als unser Blick hinaus gleitet über das Wasser der Cookbay, entdecken wir dort vor Anker die “Liberté”, unseren Kreuzfahrer für den abschließenden Höhepunkt dieser Weltumrundung. Die Fahrt mit der ‘Liki-Tiki’ hinaus in die Badelagune wird damit gleichzeitig eine Besichtigungstour, vorbei an dem unmittelbar von der Wasserlinie aus riesig wirkenden Stahlkoloss. Den Vormittag genießen wir noch unter Palmen an Swimmingpool und Hausbar, ehe es dann mit einem Kleinbus mit “aircondition” - die rechte Seitentür fehlt - zum Flughafen geht. Der 10-minütige Inselhüpfer hinüber nach Papeete, über die in allen Grüntönen schimmernde Lagune, ist sanft und ruhig. Es bleibt kaum Zeit für einen informativen Rundblick, schon setzen wir wieder zur Landung an, um gleich eingesammelt und zum Hafen befördert zu werden. Es bleiben noch 4 Stunden Zeit bis zum Ablegen der Liberté. Das Gepäck nimmt man nach einigen guten Worten schon an Bord, und so können wir noch unbeschwert durch die Straßen von Papeete bummeln und das bunte südländische Treiben auf dem Markt und an den Haltestellen der “truck” genießen. Verkaufsstände und Geschäfte beginnen schon zu schließen, Papeete geht ins Wochenende. Aber gerade dadurch ist in den Straßen besonders viel los. Vollgepackt mit den Besorgungen des Tages, nicht selten tragen die Frauen ihre gesamten Einkäufe auf dem Kopf, stürmen die Massen die offenen Verkehrsmittel, hier “ le truck” genannt.

Da liegt unser Traumschiff in der Cook Bay Da liegt unser Traumschiff in der Cook Bay © 1986-2016 Bernd Runde

Wie sich doch die Eindrücke verschieben. Träume von der Südsee. Sie sind wahr geworden. Doch wie so oft liegen Glanz und Elend dicht beieinander. Papeete ist ein zerstörter Traum. Der Mensch hat das Paradies arg ramponiert, aber will man es den Menschen hier verargen, wenn sie in ihrer Sucht nach Zivilisation Dinge zerstören, nach denen wir uns inzwischen wieder sehnen? Wir sind jedenfalls fest davon überzeugt, auf Moorea den besten Platz und das angenehmste Hotel erwischt zu haben. Wir werden sehen, welchen Einfluss die anstehende Kreuzfahrt auf unsere Meinungsbildung über das Paradies Südsee noch haben wird.

Obwohl wir unser Gepäck persönlich an Bord gebracht hatten, ist es, als wir gegen 17:30 Uhr die Außenkabine 113 auf dem Bootsdeck beziehen, unauffindbar. Zunächst tröstet uns jedoch unser neues Heim mit Fenster und Doppelbett. Also gehen wir doch erst einmal zum Dinner. Es ist ein Buffet aufgebaut, wie wir es auch auf skandinavischen Fähren bisher nicht erlebt haben. Nach zwei Stunden sind unsere Koffer immer noch nicht eingetroffen. Da passt es gut, dass sich unser Kabinen-Steward vorstellen kommt und ganz ahnungslos seine Dienste anbietet, aber auch er wird bei der Koffersuche nicht fündig. Wir frieren unter Deck, die Klimaanlage schafft winterliche Temperaturen. Nachdem etwas Ruhe eingekehrt ist, finden wir dann bei einem Deckrundgang auch unsere Koffer, sie stehen verwaist auf einem anderen Deck vor einer falschen Kabine.

Noch ein paar Südsee-Perlen

Hinter Moorea versinkt der glutrote Sonnenball im Meer, als es an Bord der Liberté heißt: ‘Leinen los!’. Mit 30 Minuten Verspätung legt das Schiff ab. Eine besondere Entdeckung machen wir noch beim Erkundungsbummel durch die verschiedenen Decks: schwarze Perlen kosten fast das Doppelte gegenüber den Angeboten auf Moorea. Damit steht der Landausflug Moorea schon fest. Doch zunächst geht’s zum Einstimmen auf Kreuzfahrtatmosphäre in den Festsaal aufs Promenadendeck. Aber auch schwungvolle Musik und exotische Drinks können nicht verhindern, dass uns eine gewisse Müdigkeit überkommt, so gegen 02:00 Uhr morgens.

In der Ferne verschwindet die Silhouette von Moorea, als wir am nächsten Morgen, nach Abwicklung der obligatorischen Kreuzfahrtbelange, den ersten Schiffsrundgang bei strahlendem Sonnenschein starten. Fürs Dinner an Tisch 225 (Nichtraucher!!) haben wir die zweite Sitzung gewählt. Zufällig erwischen wir gerade noch die Erläuterungen zum Ausflugsprogramm. Mein Gott, immer ist überall was los. Schnell buchen: Tour 2A, 6A, 10, 25, 27 und natürlich 21 für Moorea. Dann ist Instruktionsstunde für Pareauknüpfen, Bootsübung und ein Vortrag mit Gewinnspiel über schwarze Perlen. Gut informiert hat Christa die richtigen Antworten parat und gewinnt den ersten Preis.

Die Stunden vergehen wie im Flug. Sonnenbaden, Schwimmen, Lunch, Postkarten schreiben, Cocktailstunde, Lesen - ‘wo ist mein neu erworbenes Buch über die Fiji-Inseln?’. Vergessen, im Flugzeug von Nadi nach Papeete - schade.

Vorbei rauscht das tintenblaue Meer, vereinzelt treibt ein kleines weißes Wölkchen am Horizont vorbei. Nachmittags passieren wir die aus der Ferne düster wirkende Silhouette von Huahine, und am Abend taucht am Horizont Raiatea auf. Wir bereiten uns auf das Captain’s Dinner vor. Erfreulich, dass immer noch etwas saubere Wäsche übrig ist, freuen wir uns gerade, als das ‘Schicksal’ erneut zuschlägt. Aus einer kleinen Kratzwunde am Ohrläppchen rinnt frisches Blut auf die ganze Herrlichkeit. Weder mit Druck, noch mit guten Worten kommt der Blutstrom zum Stillstand. Im tiefsten Bauch des Schiffes heißt es dann erst einmal den Schiffsarzt, der natürlich schon beim Empfang ist, ausfindig zu machen. Mit viel Mühe und einer Spritze gelingt es dann endlich, die unablässig rinnende Blutung zu stillen. Jetzt wird es knapp mit der sauberen Wäsche. Trotzdem, wir fühlen uns wie aus dem Ei gepellt, als wir von Captain Anderson begrüßt werden. Einige Minuten plaudern wir mit dem obligatorischen Glas Sekt in der Hand über das Woher und Wohin.

Kaum haben wir Platz genommen, als auch noch Rum­punsch und Häppchen serviert werden. Das Sektglas wird nicht leer. Es ist ein kleiner Festakt, und man könnte sich schon vor dem Dinner in Höchststimmung bringen. Zu Höchstform laufen wir dann allerdings auf, als die Bordkapelle Fox, Rumba, langsamen Walzer und Wiener Walzer intoniert. Wir fegen alles vom Parkett, und der Bord­fotograf ist immer dabei. Zwischendurch stellt Captain Anderson mit einigen lustigen Bemerkungen noch seine Offiziere vor. Ein lockerer und sehr angenehmer Empfang. Nach 1,5 Stunden müssen wir den Schauplatz wechseln, Abendessen steht auf dem Programm. Was heißt schon Abendessen? Es ist ein Festmahl. Unbe­schreiblich, was hier alles aufgetischt wird. Vom Lobster bis zu exo­tischen Südseefrüchten wartet alles nur darauf, genossen zu werden. Und wir genießen! Bei jedem Gang ans Buffet verschwindet das benutzte Geschirr mitsamt Besteck, und so werden wir 9 mal mit neuem Besteck versorgt. Nach einem solchen Tag ist es sicher nicht verwunderlich, dass wir glücklich und zufrieden in die Betten sinken

Bora Bora

Der Landgang Nr.2A für den Morgen auf Bora Bora war schon ausge­bucht, und so haben wir keine Eile beim Frühstück. Unser Programm heißt Faulenzen. Mit dem Shuttle-Bus lassen wir uns nach Matira Beach bringen. Bora Bora in Reinkultur empfängt uns.

Matira Beach ist eine phan­tastische Bucht mit blendendweißem Sand­strand. Die Lagune ist 100 m weit ins Meer hinaus nur 1 m tief. Im kristallklaren Wasser schwimmt sogar mein Schatz ohne jegliche Begleitung. An die das Ufer säumenden Palmen sind bunte Pareaus, die von den einheimischen Frauen getragenen Wickeltücher, ge­knüpft und flattern zum Kauf animierend im Wind. Mein Schatz möchte sie am liebsten alle haben. Während ausgedehnter Spaziergänge wird der Bestand an exotischen Muscheln erweitert.

Pareaus flattern im Wind Pareaus flattern im Wind © 1986-2016 Bernd Runde

Nach­mittags geht es dann mit einem Auslegerboot durch die spiegelglatte Lagune hinaus auf eine Motu am Rande des Riffs. Schwim­men im seich­ten, angenehm aufgeheizten und bis zum Boden kristallklaren Was­ser, Gammeln und Genießen bei den rhythmischen Klän­gen der von unseren Bootsbesatzungen gespielten Südseemusik sind für uns heute die Verwirklichung des Traums von der Südsee. Natürlich werden auch Kokosnüsse ge­sammelt, deren köstlicher Inhalt das Gefühl der Naturverbundenheit noch verstärkt.

Aber auch die Südsee hält ihre Überraschungen bereit. Kaum sind wir an Bord zurückgekehrt, verfinstert sich der Himmel, und ein heftiger Tro­penregen überschüttet Bora Bora. Da unsere leiblichen Bedürfnisse tagsüber nur mit Kokosnuss­fleisch und -milch befriedigt wurden, ist es jetzt an der Zeit, eine klei­ne Caféstunde einzuschieben. Der Kabinensteward erhält die neu gesammelten Mu­scheln zum Reinigen, und wir nutzen die Gelegenheit, ‘mal zu sehen, was der Bordfotograf gestern so alles auf die Platte gebannt hat.

Huahine

Es hat die ganze Nacht über gegossen, und als wir zum Landgang auf Huahine ablegen, weht immer noch eine kräftige Brise. Durch dichten Regenwald, Kokoshaine und Bananenplantagen führt eine Uferstraße um die kleine Insel Huahine Iti. Auf halbem Weg liegt die Bucht und der Strand von Papea, d.h. soll liegen. Der Strand ist Land unter, und wild braust die Bran­dung direkt gegen den Ufersaum. Heute ist kein Badetag, aber in frischer Tropenluft und einmaliger Natur zu sein, ist Genuss genug. Draußen, über der Lagune, strahlt die Sonne, aber die vom Wind herangetragene Luftfeuchtigkeit verdichtet sich an den Bergen der Insel zu dicken Wolken. Dass die Naturgewalten aber schon länger gegen dieses kleine Eiland anrennen, lässt sich deutlich an den Spuren ihrer Zerstörung ablesen, die wir auf der zweiten Hälfte der Rundfahrt sehen. Selbst Ab­schnitte der Uferstraße, die mit hässlichen Betonmauern befestigt wurden, sind schon wieder unter­spült. Ganze Palmenhaine stehen unter Wasser, und die Bäume beginnen bereits abzusterben.

Der Sturm peitscht die Küste Der Sturm peitscht die Küste © 1986-2016 Bernd Runde

Welche Kraft der die See aufwühlende Sturm entwickelt, ist aber erst so richtig zu spüren, als die Liberté versucht, den engen Durchlass im Korallenriff zu passieren, der die Lagune von der offenen See trennt.

Raiatea

Pünktlich am nächsten Morgen liegt die Liberté auf Reede vor Raiatea. Sie kann erst gegen Mittag an die Pier, und so heißt es wieder einmal ‘ausbooten’. Vom Bali Hai Club geht’s mit dem Auslegerboot über die rauhe See zur Mündung des Faaroc-Flusses. Die Gischt überschüttet das kleine Boot ein um das andere Mal. Im wind- und wassergeschützten Bug ist unsere Fotoausrüstung verstaut. Wir haben die Regenjacken übergestreift. An Bord herrscht ausgelassene Stimmung, als das Auslegerboot die ruhigen Gewässer der breiten Flussmündung erreicht. Die Flussmündung verengt sich recht bald zu einem dschun­gelumschlossenen schmalen Flusslauf, an dessen Ufern hier und dort das Anwesen von Eingeborenen auftaucht. Wir folgen den Windungen des Flusses, bis an ein Wendemanöver nicht mehr zu denken ist.

Vorsichtig manövriert unser Bootsführer das mit dem Ausleger doch recht breite Gefährt rückwärts aus dem Gewirr der in den Fluss gestürzten Bäume, bis wir wieder freie Fahrt haben. Mit flotter Fahrt wird noch eine kleine Motu am Rande der Lagune angesteuert. Auf der kokosbestandenen Insel gibt es frische Ananas und Kokosnüsse und natürlich Gelegenheit zum Schwim­men.

Buntes Treiben im Dorf Buntes Treiben im Dorf © 1986-2016 Bernd Runde

Nach der flotten Rückfahrt, diesmal bläst der Wind von hinten, haben wir noch etwas Zeit für Lunch und Sonnen. Dann ziehen wir los und lassen uns vom Treiben im Ort Raiatea faszinieren. Es steht der Besuch der Feuergeher auf dem Programm. Auf Fiji hatten wir keine Gelegenheit, dieses Schau­spiel zu erleben. Begrüßung mit Lei, dem Südseeblumen­kranz, und Rumpunsch. Im bunten Durcheinander wechseln sich zunächst verschiedene Tanzdarbietungen ab. Erwachsene, Jugendliche und Kinder führen Hula vor. Der Jüngste trägt noch Windeln, aber Hula tanzen kann er schon.

Hula tanzen schon die Jüngsten Hula tanzen schon die Jüngsten © 1986-2016 Bernd Runde

Schwer­arbeit sind die Vorbereitungen für die Feuergeher. Der vor ca. 10 Stunden angeheizte Erdofen wird von den durchgeglühten Steinen befreit, um danach alle noch brennenden Baumstämme entfernen zu können. Es dürfen keine glühenden Holzstücke zurückbleiben. Danach werden alle heißen Steine, im Durchmesser bis zu 30 cm, so in die Grube zurückgerollt, dass sie fest liegen und nicht kippen oder rollen können. Mit lautem Knall zerbersten immer wieder einzelne Steine. Nach der Einsegnung durch den Medizinmann und Gebete für weiteres Wohlergehen der Gemeinde, schreitet zunächst die Frau des Medizinmannes, dann er selbst und anschließend die ganze Gruppe barfuß über die glühend heißen Steine. Mit der Bitte um Segen für das jetzt auf den Steinen zuzubereitende Essen wird die Zeremonie beendet.

Barfuß über glühendheiße Steine Barfuß über glühendheiße Steine © 1986-2016 Bernd Runde

Inzwischen herrscht wieder ausgesprochenes Südseewetter. An Bord finden im Polynesian Room weitere Folkloreveranstaltungen statt. In farbenfrohen Kostümen wirbeln Jung und Alt durch­einander. Ein eindrucksvoller Abschluss dieses erlebnisreichen Tages. Das Schiff bleibt die Nacht über am Pier, und erst am Morgen geht die Fahrt weiter nach Moorea, deren dunkle Silhouette mit den Doppelgipfeln zwischen Tara und Raiatea auszumachen ist.

Ein ganzer Tag auf See. Die Silhouetten von Raiatea und Huahine verschwinden langsam am Horizont. Irgendwo ist an Bord immer etwas los. So sitzen wir, wenn nicht gerade Essenszeit ist, am Swimmingpool, im Polynesian Room oder lassen uns einfach über die Decks treiben. Das Mitternachtsbuffet genießen wir nur noch mit den Augen. Verwunderlich, wieviel Leute auch um diese Zeit noch zuschlagen, als ob es das erste Mal etwas zu Essen gibt.

Noch einmal Moorea

Senkrecht über dem mit 6,5 Knoten dahinziehenden Schiff steht der Vollmond und übergießt die See mit einem silbernen Glanz. Es ist eine Stimmung, bei der wieder einmal nur die Müdigkeit den Gang in die Kabine bestimmt. Es ist Mitternacht.

Die Liberté zurück in der Cook Bay Die Liberté zurück in der Cook Bay © 1986-2016 Bernd Runde

Wie vor einer Woche liegt die Liberté vor Anker in der Cook Bay vor Moorea, nur dass wir diesmal an Bord sind. In Ruhe können wir uns vorbereiten, um dieses schöne Naturgebilde noch einmal ausgiebig zu genießen. Mit dem Kleinbus geht’s zunächst zum Belvedere. Vom einheimischen Busfahrer gibt es einige ergänzende Erläuterungen über die einheimischen Pflanzen, wie z.B. Vanille und Kopak. Einige Extrastopps sind willkommene Abwechslung für uns, die wir den Weg schon einmal gemacht haben. Den Abschluss der Rundfahrt bildet die Besichtigung einer Likörfabrik. Hier wandern 2 Flaschen flüssigen Souvenirs in unser Handgepäck. Der aus dem Elsass stammende Chef der kleinen Brennerei gibt uns noch für einen eventuellen Besuch die Anschrift seines elterlichen Weinguts mit. Höhepunkt und Abschluss dieser im positiven Sinne einmaligen Reise bildet jedoch ein kleines mattschwarz glänzendes Gebilde. Mein Schatz hat ihre schwarze Perle.

Diesem herrlichen Tag folgt der Abschlussabend. Schade, dass einem solchen Höhepunkt wieder der Alltag mit all seinen Banalitäten folgen muss. Vom Bali Hai Club aus konnte ich noch den Rückflug bestätigen lassen. Die diversen Bordrechnungen müssen beglichen werden, dank Amexco jedoch eine kurze Prozedur. Auch das Packen der Koffer ist schnell erledigt. Ob allerdings das Gewicht stimmt, wird sich erst später herausstellen. Über den die Cook Bay einrahmenden Bergen, direkt vor uns der Rotui, schweben weiße Federwolken und erwecken noch einmal die Hoffnung auf einen tropischen Sonnenuntergang. Ein vorzügliches Abschlussdinner beschließt den Tag.

Zuück in Papeete

Die Liberté umfährt Moorea westlich im großen Bogen. Es ist wieder eine herrliche Vollmondnacht. Ruhig gleitet das Schiff durch ein Meer aus purem Silber. Ganz früh erscheinen wir zum Frühstück und sind um 09:00 Uhr von Bord. Bei einem Stadtbummel durch Papeete erledigen wir auch die letzten organisatorischen Angelegenheiten. ‘Tahiti Nui’ wird uns um 14:00 Uhr am Schiff abholen. So verbringen wir die letzten Stunden vor dem Lunch vor der markanten Silhouette der Berggipfel über Papeete auf dem Promenadendeck. Dollars alle, nichts mehr zu trinken, das passt gut zu den dicken Wolken über Tahiti.

6 Wochen Südsee satt. Was war das für ein Erlebnis? Kein Zweifel, obwohl wir jetzt 20 Jahre in der Weltgeschichte umherfahren, das war der Höhepunkt! Ein Urlaub ohne Ecken und Kanten. Auch die kleinste Kleinigkeit hat geklappt. Mit der richtigen Einstellung zu allen Dingen und möglichen Abläufen sind wir losgefahren und kommen mit einem einzigen positiven Gesamteindruck wieder zurück. Eine Reise, die Vergleiche erlaubt. Australien mit Australiern. Fidschi mit Touristen aus aller Welt und Einheimischen. Franz. Polynesien unter Ame­rikanern. Lebensart und Sitten der bereisten Länder und der sie Bereisenden zu erleben, um sich ein eigenes Bild zu machen, das wollten wir, und zwar ohne Zeitung und TV.

Heute, Sonnabend, haben wir in Papeete die erste Bildzeitung gesichtet; sie war von Mittwoch. Hoffentlich gelingt die Rückkehr in die Welt des Alltags. Nui holt uns ab, pünktlich und mit Muschelkette. Dann ist wieder Flughafenzeit. Warten, warten, warten.

Pünktlich um 23:25 Uhr startet QF 11. Bequeme Sitze ermöglichen auch kurzen festen Schlaf, so kommen wir recht entspannt in Los Angeles an. Komplette Zoll- und Einreiseabfertigung. Gepäck wird gleich wieder aufgegeben, und wir warten auf LH 451. Den bisher einzigen richtigen Blödsinn haben wir selbst gemacht, indem wir alle Fremdwährungen bis zum letzten Cent ausgegeben haben, ohne die doch recht langen Flughafenaufenthalte einzuplanen.

Eine Überraschung erwartet uns dann bei der Ankunft in Frankfurt. In der Gepäckausgabe stehen schon die Förderbänder still, und die letzten Anwesenden sind wir, leider ohne unsere Koffer. Ob die wohl noch in Los Angeles stehen, oder nach Tokio umgeleitet wurden? Niemand weiß es. Für solche Fälle gibt es einen besonderen Schalter, dort werden einige tröstende Worte gespendet und dann ein Protokoll aufgenommen. Weil wir nun schon ‘mal beim Protokoll aufsetzen sind, gebe ich auch gleich den Verlust des Fiji-Buches zwischen Nadi und Papeete mit an. Kommentar des Flughafen-Angestellten: ‘So etwas wandert doch bei der Flugzeugreinigung sofort in den Müll!’ Die Verlustmeldung ist gerade geschrieben, als unser Gepäck in die Halle gekarrt wird. Also die ganze Aufregung umsonst.

Ernsthaft interessierte Bekannten fragen immer: “Was hat Euch am besten gefallen? Welches waren die herausragenden Begebenheiten?” Das Besondere dieser Reise war, dass uns darauf, anders als sonst, menschliche Begegnungen besonders positiv in die Erinnerung gerufen werden. Ein Erlebnis hatten wir allerdings erst einige Wochen später: Per Kurier wird uns das verlorene Buch aus der Südsee zugestellt. Anscheinend hat auch ein kleines Buch in dieser Gegend der Welt noch seinen Wert und wandert nicht achtlos in den Müll!!