Reisetagebücher

Bernd Runde

2001 - Wandern in den Nationalparks auf Australiens größter Insel - Tasmanien

Auf dem Weg nach Neuseeland legen wir 2001 einen Zwischenstopp auf Tasmanien ein. Bei dieser Rundreise im Mietwagen und in vorgebuchten Hotels steuern wir einige der interessantesten Nationalparks an, von denen Tasmanien eine Vielzahl aufweisen kann.


Inseln ‘Down under’ - Mietwagen/Hotel-Rundreise durch Tasmaniens Nationalparks (2001)

Daten/Stationen/Entfernungen

Es ist kurz vor Mitternacht, als wir am 1. November 2001 mit Qantas-Flug Nr. 6 wieder einmal auf die andere Seite des Globus starten. Am 3. November sind wir endlich in Australien. Das waren 20 Stunden Flugzeit für die 9.000 Kilometer bis Bangkok und weitere 7.500 Kilometer bis Melbourne. Die Uhren müssen wir wegen der Sommerzeit um 10 Stunden vorstellen. Am Ziel sind wir damit aber immer noch nicht. Wegen einer Stunde Verspätung - in Bangkok fehlte der Passagier zu einem Koffer - hetzen wir nach der Einreise- und Zollabfertigung mit hängender Zunge zum Terminal für Inlandsflüge. Am Express-Abfertigungsschalter checken wir ein und können uns erst kurz darauf entspannt zurücklehnen, wir sitzen in der Maschine nach Hobart.

Reisetagebuch ‘Wandern in Tasmaniens Nationalparks’ [2.281 km]

Bei strahlendem Sonnenschein landen wir auf Tasmanien, nehmen den Hotelbus in die City und sind kurz darauf in unserem Hotel. Müdigkeit hin, Müdigkeit her, wir ziehen zunächst los in die Stadt. Es gibt ja einiges zu erledigen. Hat Hertz überhaupt am Sonntag geöffnet? “Ja, wir haben”, beteuert man uns im Büro. Dann gab’s da doch den verbilligten Monats-Pass für die tasmanischen Nationalparks. Ja, den gibt’s noch immer. Dann haben wir Hunger.

Im Hafen am Elisabeth-Pier gibt es einige ansprechende Lokale. Danach wandern wir durch die Mall langsam zurück ins Hotel.

“Wenn Ihr auf den Mount Wellington wollt, dann bitte den Mietwagen am hinteren Ende des Parkplatzes abstellen. Der Sender stört manchmal die Zündung.” Mit diesem Spruch im Ohr starten wir, nachdem wir um 09:00 Uhr bei Hertz unser Auto in Empfang genommen haben, zu unserer großen Rundreise.

Blick vom Mount Wellington Blick vom Mount Wellington © 2001-2016 Bernd Runde

Imponierende Aussichten gibt’s auf dem 1.270 Meter hohen Hausberg von Hobart. Weit geht der Blick über die zahlreichen Inseln, die zerklüftete Küste und die blau schimmernden Buchten. Unsere Weiterfahrt verzögert sich dann in unvorhersehbarer Weise. Natürlich springt der Wagen hier oben direkt unter dem Sendemast nicht an - er ließ sich ja schon nicht abschließen - obwohl er am hinteren Ende des Parkplatzes steht. Hilfsbereite australische Touristen versprechen, sofort bei Hertz anzurufen, wenn sie etwas Abstand zum Sender haben - ihr Handy spinnt auch. Nach 10 Minuten sind sie allerdings wieder da, sie haben noch einige hilfsbereite Mitbürger organisiert, um meinen Wagen anzuschieben.

Anschieben? Mit Automatik? Alle Befürchtungen erweisen sich als unberechtigt, kaum im Sendeschatten des Berggipfels, springt der Wagen klaglos an. Wir können endlich starten.

Warum nicht über die Dörfer fahren? Richmond ist doch eine nette kleine Stadt, erinnern wir uns. Kurz hinter Cambridge weist eine Hinweistafel zum Weingut ‘Meadowbanks’ auf die Möglichkeit einer abwechslungsreichen Pause hin. Wir kosten einige interessante Weine, nehmen einige Flaschen für kommende gemütliche Abende mit und genießen ein exzellentes Lunch. In ausgelassener Stimmung - ein herrlicher Urlaubsbeginn - erreichen wir Richmond. Ein kurzer Bummel und es geht weiter Richtung Ostküste.

Zum Kaffee sitzen wir im Restaurant am Fähranleger in Louisville. Es ist zu spät, um noch nach Maria Island überzusetzen. Wir sind ganz allein in dem großen Raum. Von nebenan dröhnt aber heftiges Stimmengewirr zu uns herein. Die Gaststube ist brechend voll. Alles starrt gebannt auf den Fernseher, dort werden die ersten Vorrennen des Melbourne Cup übertragen. Um zu begreifen, was der Melbourne Cup für die Australier bedeutet, muss man diese euphorische Stimmung einmal direkt miterlebt haben.

An der Mayfield Bay legen wir noch eine ausgedehnte Foto- und Videopause ein. Die Landschaft mit den weißen Stränden, dem von tiefem Blau bis leichtem Türkis schimmernden Meer und den windgepeitschten Bäumen am Ufer fasziniert uns immer wieder aufs neue.

Unser heutiges Ziel und die Station für die nächsten vier Tage erreichen wir in Swansea, einer kleinen Hafenstadt im Westen der Great Oyster Bay. Es ist ein altes ehrwürdiges Cottage aus dem Jahr 1853 auf einem Hügel hoch über der Stadt. Von hier können wir sehen, welches Wetter zur Zeit auf der Freycinet Halbinsel herrscht. Dieser Hügel beherbergt aber noch etwas anderes, die ganze Stadt überragend, steht hinter dem Wasserturm auch ein Sendemast. Zu spät, ich stehe schon wieder direkt im Hochfrequenzfeld eines Senders und kann mein Auto weder abschließen, noch starten. Ich kann aber ohne fremde Hilfe aus dem störenden Bereich bergab wegrollen.

Auch die Inneneinrichtung des Hauses strahlt die Atmosphäre schottischer Gemütlichkeit von vor 150 Jahren aus. Es ist alles sauber und bestens gepflegt, aber eng und mit Nippes überladen. Nachdem wir das uns zugewiesene Zimmer - mit herrlicher Sicht auf die Bucht - einige Minuten auf uns haben wirken lassen, beschließen wir, doch lieber in einen der neugebauten Bungalows zu ziehen.

Das Wetter am nächsten Tag erscheint uns nicht gerade ideal für eine Bergwanderung, vom Meer bläst ein kräftiger Sturm herüber und treibt tiefhängende schwarze Wolken vor sich her. Noch den üblichen Besorgungen fahren wir aber erst einmal los und nehmen alles mit, um unsere Unternehmung der jeweiligen Wetterlage anzupassen.

In Bicheno wandern wir über Stock und Stein die Küste entlang. Die ersten Büsche fangen zaghaft an, ihre Blüten zu öffnen. Das Meer zerstäubt an der felsigen Küste zu riesigen Gischtwolken. Die rundgeschliffenen Felsbrocken lassen erahnen, dass sie schon öfter von Wind und Meer bearbeitet wurden. In der aufgewühlten See verschwinden einige Fischerboot immer wieder in den Wellentälern. In der Nähe ist ein von einem Naturfreund privat eingerichtetes Tierreservat und ein Vogelpark. Wie wir anschließend feststellen, nicht nur ein Notprogramm, sondern ein wirklich lohnenswerter Abstecher. In dem weitläufigen Gelände gibt es fast keine Zäune, es ist wirklich die versprochene rekultivierte Wildnis.

Schwierig gestaltet sich die Suche nach einem geöffneten Restaurant an diesem trüben regnerischen Montag. Dann sitzen wir jedoch gut geschützt hinter riesigen Glasscheiben direkt über der tobenden Brandung in einem gemütlichen Fischrestaurant. Der richtige Platz, den frisch gefangenen Fisch in einer Flasche Chardonney schwimmen zu lassen.

Auf der Karte der Freycinet-Halbinsel entdecken wir noch einen Küstenabschnitt mit einem vielversprechenden Namen, der zum Feycinet Nationalpark gehört, die Friendly Bay. Na, das ist doch was für den Nachmittag. Auf geht’s. Wir lassen uns von diesem Abstecher auch nicht abhalten, als schon nach wenigen Metern die Straße in eine Gravelroad übergeht. Ein paar Felsbrocken und eine Verbreiterung des Weges markieren dann das Ende der befahrbaren Strecke. Eine kleine angespitzte Holztafel weist auf das dichte Gestrüpp und in Richtung Meer. Wir bahnen uns einen Weg durch mannshohe Büsche und versuchen, uns wenigstens den einen oder anderen Punkt einzuprägen, denn wenn wir rückwärts blicken, gibt es kein Anzeichen für die Stelle, wo unser Auto steht. Das Rauschen des Meeres wird immer lauter und dann steigen wir über die letzte Düne.

Es ist ein überwältigender Anblick. So weit das Auge reicht erstreckt sich ein mehrere 100 Meter breiter blendend weißer Sandstrand. Der Wind bläst immer noch recht heftig, so dass die Wellen des türkisfarbenen Meeres mit weißer Gischtkrone weit auf den Strand auflaufen. Wir setzen uns auf die Krone einer Düne und saugen diesen Anblick förmlich in uns auf. Nach einem ausgedehnten Strandspaziergang treten wir den Rückweg an. Ein paarmal laufen wir in die Irre, finden dann aber doch die Stelle, wo wir den Wagen abgestellt haben.

Noch ein regnerischer Tag zwingt uns zu einer größeren Autotour. Der Nordostzipfel von Tasmanien soll ein sogenanntes Schönwetterloch sein. Die Andeutungen im Fernsehen lassen auch darauf schließen, dass daran etwas wahres ist. Wir fahren die Ostküste nordwärts bis nach St. Helens, einem ehemaligen Fischerei- und Umschlaghafen an einer geschützten Bucht. Heute ist es ein netter kleiner Ferienort. Noch ist von Ferienbetrieb allerdings nichts zu spüren, aber die Geschäfte haben geöffnet. Nach einem ausgedehnten Bummel, ich ergattere sogar ein Paar Original-Blundstone-Stiefel, folgen wir am südlichen Ufer der langgestreckten Bucht einer Gravelroad. Am äußersten Zipfel dieser Landzunge, dem ‘Saint Helens Point’, erkennt man einige Trampelpfade, die ins dichte Buschwerk führen.

Diese Trampelpfade führen alle nach ‘Nirgendwo’, denn außer der zerklüfteten Küste und dem dichten Unterholz gibt es hier nichts - also Natur pur, wie wir es zum wandern so lieben. Doch, urplötzlich gibt es doch noch etwas ganz Neues - prasselnder Regen vertreibt uns aus diesem Paradies. So schnell können wir unsere Regenkutten gar nicht überstreifen, wie die Flut über uns hereinbricht.

“Gehen wir wenigstens anständig esssen”, denken wir, zurück in St. Helens. Noch ‘ne Panne? Kein Lokal hat geöffnet, die Vorsaison gibt’s wohl nicht her. War da nicht eine Reklametafel an der einen Ecke? Ja, das ‘Bayside Inn’ bietet für eine Pauschale ein sogenanntes ‘Melbourne Cup Lunch’. Drinnen ist ‘high life’, Alt und Jung ist versammelt und wird von einem Moderator animiert auf das nächste Rennen zu wetten. Das ist Kaffeefahrt auf australisch. Wir erläutern unser Anliegen - wollen doch nur etwas essen und haben keine Ahnung vom Melbourne Cup. Man lädt uns ein, im Nebenraum für AUS$ 9,– am Speziallunch teilzunehmen, auch wenn wir am Wettbetrieb nicht teilnehmen.

Und dann haben wir ihn endlich, den Tag mit dem idealen Wetter für unsere Tagestour rund um die Berge, die die Tasmanier ‘The Hazard’, ‘Die Gefährlichen’, nennen. Das Tief hat sich verzogen. Auf der Fahrt begleiten uns noch ein paar kurze Schauer, dann sind wir auf der Freycinet Halbinsel im gleichnamigen Nationalpark. Steil ragen die Berge zwischen Oyster Bay und Pazifik auf. Dort wollen wir ‘rüber wandern, um den Blick auf eine der schönsten Buchten der Welt zu werfen. Von unserem vorigen Besuch wissen wir, es ist eine unvergessliche Aussicht von dort oben.

Wineglass Bay auf der Feycinet Halbinsel Wineglass Bay auf der Feycinet Halbinsel © 2001-2016 Bernd Runde

Es ist nicht nur die Aussicht, die ganze ca. siebenstündige Tour ist ein Erlebnis. Steil geht es zunächst den mit riesigen Gesteinsbrocken übersäten Anstieg hoch zur Aussichtsplattform. Weit geht der Blick über die Berge und Täler der Halbinsel und bleibt dann hängen an der Sichel weißen Sands, die wie ein Halbmond das türkisfarbene Wasser einer Bucht umschließt, der Wineglass Bay. Natürlich lockt der Anblick dieser zauberhaften Natur.

Durch lichten Wald, über steile Stufen und mächtige Wurzeln wandern wir von der Passhöhe wieder hinab. Auch aus nächster Nähe behält die Bucht ihre Faszination. Der Sand erscheint noch weißer und das Wasser noch grüner als aus der Höhe. Irgendwann setzen wir unseren Rundweg fort. Es geht durch feuchten moorigen Wald über eine schmale Landenge auf die Westseite der Halbinsel, zur Hazard Bay.

Dort wenden wir uns nach Norden und folgen dem muschelübersäten Strand, bis steile Felsen uns den Weg versperren. Ein Schild weist bergan in den Wald. Zunächst noch recht nah am Meer führt der Pfad immer höher hinein in die Hazards. Durch insgesamt sieben Seitentäler geht es, zum Teil auf von Regen und Wind glatt geschliffenen Felsplatten, bergab und bergauf. Nur selten schimmert das Meer durch die dichten Büsche und niedrigen Bäume. Irgendwann erreichen wir ein kleines Hochplateau mit freier Sicht auf die Oyster Bay links und die drohend aufgetürmten Felskugeln der Hazards zur Rechten. Zeit für ein genüssliches Picknick. Nach sieben Stunden schließt sich der Kreis und wir landen wieder am Parkplatz.

Am Auto klebt ein Zettel - 25 $ Strafe wegen nicht im Fenster sichtbarem Nationalpark-Ticket. Es dauert fast eine Stunde, ehe wir am Park-Ausgang den zuständigen Ranger davon überzeugt haben, dass er doch vergessliche Übersee-Touristen und begeisterte Nationalpark-Freunde nicht so hart strafen kann. Die Dollars können wir doch am Abend gut gebrauchen. Wir haben einen Tisch im ‘View Point Restaurant’ in Swansea reserviert. So beenden wir den Tag mit einem ausgezeichneten Dinner, schließlich müssen wir morgen die Ostküste verlassen.

Ein kühler windige Morgen begrüßt uns. Das richtige Wetter für einen Fahrtag. Hetzen müssen wir nicht, die 328 Kilometer bis Launceston erlauben uns einige Abstecher. Der erste führt uns über den Elephant Pass. Leider ist die auf der Karte eingezeichnete Rundsicht inzwischen von großen Bäumen versperrt. Saint Helens passieren wir ohne Halt. Die Anfahrt zu den St. Columba Falls macht keine Probleme, auch wenn wir auf Gravelroad immer etwas in Sorge geraten, da wir sie offiziell mit dem Mietwagen nicht befahren dürfen. Bis zum Wasserfall müssen wir noch ein Stück marschieren. Die Wanderung durch herrlichen dichten Regenwald, mit seinen in frischem Frühlingsgrün austreibenden Baumfarnen, ist eine wahre Erholung.

Hinter Scottsdale, die Wälder werden immer mehr von landwirtschaftlichen Nutzflächen verdrängt, machen wir einen Schlenker zu einer Lavendelfarm. Es ist aber doch noch etwas früh im Jahr, noch blüht hier nichts. Durch Weinfelder an den Ufern des River Tamar erreichen wir Launceston. Mit einem Stadtbummel durch die ruhige Stadt, das Wochenende hat schon begonnen, beschließen wir den Tag.

Auf der Strecke von Launceston über Deloraine in die Cradle Mountains bieten sich einige Aktivitäten an. Da sind zunächst die Liffey Falls. Gleich hinter Launceston biegen wir von der Hauptstraße ab und bummeln gemütlich über Nebenstrecken Richtung Liffey. Es ist eigentlich nur ein kleiner Umweg, aber die mehr als 10 Kilometer Gravelroad durch dichten Regenwald, entpuppen sich als ein reiner Wald- und Holzabfuhr-Weg. Die Strapazen dieses Abstechers haben sich aber gelohnt. In mehreren Stufen und Kaskaden bahnt sich der Liffey River seinen Weg durch herrlichen Regenwald. Wir wandern ständig dem Flussbett folgend auf einem schmalen Trampelpfad inmitten tropischer Natur. Unter lichtdurchfluteten Blattwedeln mächtiger Baumfarne und über umgestürzte Baumriesen geht es ständig bergab und bergauf. Immer neue Aus- und Einblicke verleiten uns zu immer neuen Foto- und Film-Aktivitäten. Mit reicher Ausbeute kehren wir zum Parkplatz am Nationalpark-Eingang zurück.

Zurück auf der Asphaltstraße, entschließen wir uns zu einem weiteren Abstecher. Etwas weiter südlich liegt im Herzen Tasmaniens der ‘Great Lake’. Belohnt werden wir mit einer herrlichen Aussicht aus luftiger Höhe über den See und das Zentral-Massiv. In Deloraine entspannen wir in einem Straßen-Café bei hausgemachten Pies. Ein Wildlife Park bei Mole Creek macht nicht gerade einen einladenden Eindruck, wir verzichten auf den Besuch. Über schmale, aber asphaltierte Nebenstrecken erreichen wir schließlich unser Tagesziel, die Cradle Mountain Lodge.

Das Gepäck wird schnell in die Hütte gebracht. Im Autoradio haben wir fürchterliches gehört: Die Wettervorhersage verspricht für morgen Sturm mit Hagel und Schnee. Deshalb schnell raus in die Natur und den die Lodge umgebenden Wald. Wir beobachten die possierlichen kleinen Rufous-Wallebies. Aus manch einem Beutel schaut neugierig der Nachwuchs heraus. Dann haben wir noch eine ganz besondere Begegnung, es raschelt und grunzt ganz in unserer Nähe. Es dauert ein Weilchen, bis wir realisieren, dass es ja gar keine Bären gibt in Australien. Ein Wombat erscheint im hellen Licht des spärlichen Unterholzes.

Ein tagesaktiver Wombat Ein tagesaktiver Wombat © 2001-2016 Bernd Runde

Wandern im Nationalpark, daraus wird heute wohl nichts. Die Wettervorhersage trifft voll zu. In der Nacht tobt ein schweres Gewitter über unserer Hütte. Die Landschaft ringsum ist in winterliches Weiß getaucht, als wir morgens zum Frühstück in die Lodge gehen. Da bleibt uns nur ein Ausflug in tiefer liegende Regionen. Unsere Alternative ist eine Fahrt zur Nordküste, ein Landstrich, den wir noch nicht kennen.

In wilden engen Serpentinen durch die Hellyer-Schlucht, vorbei an großflächigen Kahlschlägen und Wieder-Aufforstungen, erreichen wir über Yolla bei Wynyard den westlichen Abschnitt der Nordküste. Der ‘Rocky Cape Nationalpark’ ist eine Enttäuschung. Es gibt fast keine Zufahrten, ausgeschildert ist auch nichts, und dort wo man die Küste erreicht, ist die Natur durch Camps und Feriensiedlungen total verschandelt, wie am Rocky Cape auch.

Wann immer sich eine Möglichkeit bietet, halten wir unmittelbar an der Küste. Dabei fällt ein Gebilde besonders ins Auge, ein riesiger Tafelberg im Nordwesten der Sawyer-Bucht. ‘Na gut, bis dahin fahren wir noch’, wenigstens das Wetter ist hier oben herrlich sommerlich. Aber auch auf dieser Fahrt ist nichts von Tasmaniens Tierwelt auszumachen. Über eine schmale Landzunge erreichen wir das kleine Städtchen Stanley am Fuße des mächtigen Tafelbergs ‘The nut’. Trotz der gottverlassenen Abgeschiedenheit finden wir ein sehr gutes Fischrestaurant. Sonst ist aber auch wirklich nichts los hier.

Nach dem Lunch treten wir den Rückweg an. Bei Sisters Creek biegen wir noch einmal Richtung Küste ab, um Sisters Beach im Rocky Cape Nationalpark zu erreichen. Ein herrlicher breiter Sandstrand hinter einer natürlichen Düne mit üppigem, leider noch nicht erblühtem, Banksia-Bewuchs begrüßt uns. Schade, dass der Tag sich schon seinem Ende nähert, hier hätten wir stundenlang wandern können. Eine Rundtour lässt sich aus diesem Tagesausflug leider nicht machen, so fahren wir auf dem gleichen Weg zurück in die Berge. Es war eine Tour durch eine wunderbare Landschaft, aber ganz ohne jeden Höhepunkt.

‘Durchwachsen’ ist wohl die beste Beschreibung für das Wetter am nächsten Tag. Wir brechen auf zu einer Bergtour zum Crater Lake. Vom Parkplatz am Dove Lake zieht sich ein Pfad ständig bergan führend in die den See umgebenden Berge. Nach dem schlechten Wetter der letzten Tage sind die Trampelpfade stellenweise knöcheltief aufgeweicht und morastig. An einigen Stellen führen Bohlenwege durchs Hochmoor. Ohne diese Wegbefestigungen wäre stellenweise kein Durchkommen gewesen. Jeder Meter Anstieg wird mit einem neuen malerischen Ausblick belohnt. Wir passieren den Lilla Lake und den kleinen verschwiegenen Wombat Pool, in deren dunklen Wassern sich die bizarren Bäume des Uferbewuchses spiegeln. Richtige Bäume gibt es hier oben nur rund um die kleinen Seen. Das spärliche Buschwerk wird kaum mannshoch. Der größte Teil der Landschaft ist kahl und den Naturgewalten ausgesetzt. Ab und zu überrascht uns ein kurzer Regenschauer, es ist aber mehr Niesel- und Sprühregen.

Ganz besonders genießen wir die wildromantische Landschaft, als wir den Crater Lake erreichen. Um uns herum die herrliche Bergwelt, unter uns der spiegelnden und das Licht des Himmels reflektierende See und um uns herum himmlische Ruhe. Geplant haben wir den Rückweg auf der direkten Route über einen Kamm hinab zum Dove Lake. Die Beschaffenheit der Pfade lässt es jedoch angeraten erscheinen, auf der gleichen Route zurück zu gehen, auf der wir gekommen sind. Der Abstieg in dem rutschigen Gelände erfordert volle Konzentration. Um die schönen Aussichten zu genießen, ist es angebracht den Schritt zu verhalten, um nicht wegen eines Fehltritts den Halt zu verlieren.

Angekommen am Ufer des Dove Lake hängen wir zum Ausklang noch den Rundweg um den See an. Diese Tour ist so malerisch, dass man sie immer wieder machen kann. Der Pfad führt fast immer direkt am Ufer entlang. Mit jedem Schritt verändert sich der Blick auf den sich auf der glatten Seeoberfläche spiegelnden Cradle Mountain mit seinen imponierenden 1.545 Metern Höhe.

Sechs Stunden waren wir unterwegs, als wir in die Lodge zurückkehren und am lodernden Kamin den Tag bei einer Flasche Rotwein ausklingen lassen. Es ist eigentlich Zeit, ins Bett zu gehen, als uns Geräusche vor der Hüttentür veranlassen, durchs Fenster einen Blick auf den Stapel Kaminholz vor der Tür zu werfen. Draußen tobt eine Opossum-Familie herum. Da kann ich doch gleich die ‘nightshot’-Qualitäten meiner Videokamera testen. Wie helle Sterne fluorizieren die großen Augen der Tiere im Infrarotlicht.

Jetzt heißt es ‘südwärts’. Wir sind auf der Fahrt in die einzige Stadt an Tasmaniens Westküste, nach Strahan. Die Landschaft ist übersät mit kleinen und großen Seen. In der Wildniss um Rosebery gibt es fast keinen Fluss, der nicht zu einem See aufgestaut ist. So richtig erschließen lässt sich diese Gegend wohl nur vom Boot aus. Uns steht der Sinn mehr nach Natur. Drei Stunden wandern wir durch vor Feuchtigkeit triefenden Regenwald zu den Montezuma Falls. Ständig wechselt der schmale Pfad Richtung und Höhe. Mal geht es direkt am Fluss entlang, ein Weilchen später hören wir das Rauschen des Wassers tief unter uns. Plötzlich ist der schmale Weg nur noch ein Steg in einer Felswand. Unvermittelt, ganz ohne Ankündigung sind wir von Gischt umgeben und stehen am Fuß eines rauschenden Wasserfalls. Aus 113 Metern Höhe stürzt der kleine Fluss über eine fast senkrechte Felswand in die Tiefe. Ein wahrlich lohnender Abstecher.

An der Küste schaukeln die Fischerboote im Hafen, vollgepackt mit Lobster-Reusen, wir haben Strahan erreicht. Was fehlt noch, um einem solchen Tag die Krone zu verpassen? Na klar, ein zünftiges Abendessen. Das Fischrestaurant am Regatta Point ist zur Spielhölle verkommen. Aber es gibt was neues, direkt am Fischerei-Hafen ist in einem Hotel eine Restaurant mit Blick über die Bucht und den Ort entstanden, Risby Cove. Die Speisekarte liest sich sehr verheißungsvoll. Wir bestellen uns einen Tisch für den Abend. Es wird wirklich der erhoffte Höhepunkt. Fangfrischer Lobster und eine Flasche tasmanischer Chardonney krönen diesen Tag.

Wanderschuhe an und ab geht’s. Unser erstes Ziel sind die Henty-Dünen im Norden von Strahan. Ein breiter Gürtel riesiger Wanderdünen schiebt sich immer weiter in den küstennahen Kiefernwald vor. Es gibt keine Wegmarkierung. Einzelne Sträucher oder markante Äste abgestorbener Bäume muss man sich einprägen, wenn die Sonne, so wie heute, nicht zur Orientierung dienen kann. Nach kräftezehrendem auf und ab im losen Tiefsand erreichen wir die Küste. Schmutziges Wasser spült auf den Strand des Ocean Beach. So dreckiges Wasser hier draußen in der Wildnis? Nein, es ist kein Dreck, diese Färbung erzeugt die Natur selbst. Weit geht der Blick über die Bucht zum Cape Sorell, wo das braune, taningefärbte Wasser des Gordon River die Macquerie Bucht verlässt.

Wir fahren noch zu einer anderen Stelle am Ocean Beach, bevor wir im nahen Regenwald zu den Hogarth-Fällen wandern. Auf diesem Weg begleitet uns lautes Geschrei aus den hohen Gipfeln. Es dauert eine Weile, bis wir sie ausmachen, eine Gruppe gelbschwänziger schwarzer Kakadus. Dieser, nur auf Tasmanien vorkommende Vogel, ist für uns Symbol einer intakten australischen Natur.

Gelbschwänziger Rußkakadu Gelbschwänziger Rußkakadu © 2001-2016 Bernd Runde

Schnell haben wir am folgenden Morgen das scheußliche Tagebaugebiet um Queenstown passiert. Ein kurzer Spaziergang durch den morgendlichen Wald führt uns zu den Nelson Falls. Auf der Weiterfahrt zu unserem nächsten Etappenziel, wir haben gerade den Victoria-Pass überquert und sind mitten im ‘Franklin-Gordon Wild Rivers National Park’, suche ich verzweifelt unseren Nationalpark-Pass, der uns für drei Monate Eintritt in alle tasmanischen Nationalparks gewährt. Er ist und bleibt verschollen. Beim Fußmarsch zum Donaghys Hill lassen wir uns aber durch die einzigartige Natur gefangen nehmen. Welcher Kontrast zu den feuchten Regenwäldern. Wir steigen durch einen lichten Wald mit Baumriesen mit ca. einem Meter Durchmesser, darunter viele Mimosen, bergan. Oben auf der Höhe pfeift der Wind. Den Wald haben wir hinter uns gelassen. Über niedrigen Buschbestand und unzählige blühende Stauden geht der Blick weit übers Land. Soweit das Auge reicht bedecken dichte Wälder Hügel und Täler.

Am Lake St. Clair kommen wir in arge Schwierigkeiten. Unser Quartier liegt mitten im Nationalpark und den können wir nur mit gültiger Eintrittskarte betreten. Die Rangerin hat ein Einsehen und nimmt mir meine Erklärung über den verlorenen Nationalpark-Pass ab. Wir erhalten ein 24-Stunden Ersatz-Ticket. “Und danach?” “Na, dann kommst Du eben noch ‘mal vorbei!”, sprach’s und wollte nicht einmal Geld dafür. Wir erkunden noch etwas die Umgebung unserer Hütte und das nahe Ufer des Sees, dann ist der Tag auch schon wieder zu Ende. Am knisternden Kaminfeuer planen wir den nächsten Tag.

Hier ist es schön mollig Hier ist es schön mollig © 2001-2016 Bernd Runde

Mit heulendem Motor jagt das Motorboot über den See. Wir lassen uns für eine ausgedehnte Wanderung zum Echo Point bringen. Als das Boot seine Fahrt fortsetzt und das nördliche Seeufer ansteuert, fühlen wir uns mitten in der Wildnis ausgesetzt. Uns umfängt die Stille der Natur in einer einzigartigen Wildnis. Über Stock und Stein folgen wir einem nur spärlich markierten schmalen Trampelpfad, klettern über umgestürzte Bäume und jonglieren auf schmalen Stämmen über rauschende Bäche. Ständig nimmt uns irgend etwas in dieser Wildnis gefangen und will in Film und Foto festgehalten werden. So nimmt es nicht Wunder, dass aus den avisierten 3 Stunden Wanderzeit 4,5 Stunden werden.

Notofagus am Lake St. Clair Notofagus am Lake St. Clair © 2001-2016 Bernd Runde

Die letzte Etappe steht an. Es geht zurück nach Hobart. Diesmal folgen wir dem linken Ufer des Derwent River. Trotz vieler Unterbrechungen unterwegs ist es gerade Lunch-Zeit, als die markante Silhouette der Tasman-Brücke vor uns auftaucht. Da könnte man doch ..? Ja, man kann! Kurz darauf sitzen wir wieder auf der Terrasse des Weinguts Meadowbanks bei leckeren Köstlichkeiten frisch aus dem Meer. Den Nachmittag verbringen wir im turbulenten Treiben in den Boutiquen und Kneipen rund um die Salamanca Market Street in Hobart.

Derwent River bei Hobart Derwent River bei Hobart © 2001-2016 Bernd Runde

Die Koffer sind gepackt, das Frühstück wurde abends aufs Zimmer gebracht. Um 02:40 Uhr stehen wir auf. Um 04:30 Uhr brechen wir auf zum Flughafen. Der Mietwagen ist schnell abgegeben und pünktlich startet die Maschine nach Melbourne.

Von dort geht es weiter zum 2. Teil dieser ‘Insel’-Tour nach Neuseeland.