Reisetagebücher

Bernd Runde

1993 - Rotes Land, blauer Himmel - Australien-Rundfahrt im Geländewagen durch Nord-, West-, Zental- und Süd-Australien

Große 'Down under'-Rundfahrt. Im 4WD-Geländewagen durchs Northern Territory, durchs 'Red Centre', über die Gibb River Road und die Einsamkeit an West-Australiens faszinierender Küste bis nach Perth und in den Südwesten. Wein und Lobster in Süd-Australien und auf der paradiesischen Insel Kangaroo Island, bevor wir dem River Murray stromaufwärts in die schneebedeckte Alpinregion folgen.


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Wann, wie, wohin im ‘Roten Kontinent’ ?

Die Anreise

Es ist 14:30 Uhr am 14.09.1993 und wir erwarten Walter, der uns zum Bahnhof bringen will. Plötzlich überkommt uns ein komisches Gefühl, dass wir wohl erst für 04:30 Uhr (16:30 Uhr !!) verabredet sein könnten. So ist es auch, und unsere angespannten Nerven bescheren uns noch zwei ‘Freistunden’. Zeit genug, um noch einen Abschiedskaffee in der Stadt zu genießen. Wie gut, so können wir in Muße noch einmal alle Aspekte unserer Abreise durchgehen. Da ist doch noch ein Haken im Ablauf. Sicher fährt der Zug von Hann. Münden nur bis Kassel Hbf. und nicht bis Wilhelmshöhe, so dass wir ein weiteres Mal umsteigen müssten. Also, disponieren wir um, und Walter erklärt sich bereit, uns gleich bis Kassel zu fahren.

Kurz vor dem Einchecken im Flughafen Frankfurt eine kurze unverständliche Durchsage mit unserem Namen. Am Schalter erfahren wir den Grund: ‘Herr Runde würden Sie bitte Ihr aufgegebenes Gepäck zur Inspektion öffnen, im Koffer brummt etwas.’ Es brummt nichts mehr, und einen Grund dafür können wir auch nicht finden. Tage später finden wir dann die Erklärung: Die Batterien des Ersatzrasierers sind leer, der muss einige Stunden im Koffer gelaufen sein.

Während des Fluges versuchen wir, uns schon an den neuen Tagesrhythmus zu gewöhnen: Schlafen, Essen, Lesen. Die angenehme Atmosphäre auf dem sauberen und modern gestalteten Flughafen in Singapur macht auch hier den Zwischenaufenthalt erträglich. Reisen heißt aber auch warten. Eine Stunde zu früh am Bahnhof, drei Stunden Zeit bis zum Abflug in Frankfurt, eine Stunde Aufenthalt bei der Zwischenlandung in Bangkok, weitere vier Stunden in Singapur und dann die Uhren sieben Stunden vorstellen, so nimmt es nicht Wunder, dass die Uhr 05:30 Uhr zeigt, als wir in Darwin landen, obwohl wir nur 19 Stunden in der Luft waren. Obwohl es noch mitten in der Nacht ist, zeigt das Thermometer 26°C. Die Zollabfertigung verläuft zügig, sogar die leidige Desinfektionsprozedur früherer Jahre hat man abgeschafft. Wir machen uns frisch, organisieren unser Gepäck neu und warten, dass der neue Tag beginnt.

Reiseetappen (insges. 17.330 km im Auto)

Bilderserien zu dieser Reise


Im 4WD-Geländewagen durchs Northern Territory (3.938 km)

Orte, Distanzen (16.-23.09.93)

Billabongs und Krokodile - Australiens tropischer Norden

Nach unserer frühen Ankunft in Darwin müssen wir zunächst die Zeit überbrücken, ehe das Büro des Autovermieters geöffnet wird. Um 08:10 Uhr sitzen wir dann, nach einer kurzen Einweisung, im Pajero-Geländewagen (ziemlich neu, nur 22.086 km). Eine kleine Runde durch die Innenstadt, um die wichtigsten Funktionen des Wagens zu prüfen, und dann sind wir auch schon auf dem Stuart Highway gen Süden.

Nach wenigen Kilometern weicht die innere Unruhe allmählich, und wir realisieren, dass jetzt eine einmalige Zeit für uns anbricht. Das ist aber auch für unseren Magen das Signal, sich zu melden. Eine Reklametafel macht auf das ‘Boomerang Café’ aufmerksam, und wir folgen dieser Aufforderung. Ein zünftiges Frühstück aktiviert neuen Tatendrang.

Typische Landschaft im tropischen Norden Typische Landschaft im tropischen Norden © 1993-2017 Bernd Runde

Der Arnhem Highway durchschneidet die sumpfigen Niederungen der Marrakai Ebene. Von der teilweise auf Dämmen angelegten Straße genießen wir den Blick über das flache Land. An riesigen Wasserlöchern dösen Wasserbüffel oder suhlen sich im Schlamm. Wie zur Belebung der graubraunen Szenerie mit den dunklen schweren Leibern der Büffel, wirken die schlanken blendendweißen Kuhreiher überall in der Landschaft.

Unser erwachter Entdeckergeist treibt uns dann auch dazu, kurz bevor der Arnhem Highway den Adelaide River kreuzt, einer Aufforderung zur Bootsfahrt (für je 18 A$) auf dem Fluss zu den ‘jumping crocodiles’ zu folgen. Eine willkommene Abwechslung auf der Fahrt durch das flache tropische Sumpfland. Als wir uns die Zeit bis zur Bootsabfahrt vertreiben, werden wir auch an etwas erinnert, was wir total vergessen hatten: ‘australian salvation’, der australische Gruß. Die Fliegen sind rein närrisch.

Weissbauchseeadler (Haliaeetus leucogaster) Weissbauchseeadler (Haliaeetus leucogaster) © 1993-2017 Bernd Runde

Auf dem Fluss vergessen wir diese Belästigung aber schnell. Das Boot gleitet ruhig auf dem träge durch den dichten Regenwald dahin strömenden Adelaide River. In den Bäumen lärmen fremde Vögel und im azurblauen Himmel ziehen Adler ihre Kreise. Angestrengt versuchen wir am Ufer und im trüben Wasser Krokodile zu entdecken. Für unser ungeübtes Auge ist nichts Verdächtiges auszumachen, oder sollte etwa? Im Fluss treibt ein Stück Baumrinde, aber nicht mit der Strömung, sondern direkt auf unser Boot zu. Jetzt erkennt man es ganz deutlich an der leichten Kiellinie, es ist der Kopf eines kleinen Krokodils, der da immer näher kommt.

Salzwasser-Krokodil Salzwasser-Krokodil © 1993-2017 Bernd Runde

Vorsichtig abwartend, aber wohl doch neugierig, umkreist das Krokodil unser Boot. Die Frau des Bootsführers hat an einer Leine, die sie mit einem Stock außenbords hält, ein Stück Fleisch befestigt, das sie ein paarmal aufs Wasser klatschen lässt. Schon ist der gefräßige Bursche zur Stelle. Mit einem mächtigen Satz schnellt er aus dem Wasser und schnappt nach dem 1…2 m über dem Wasser schwebenden Brocken. Das Geräusch des auf die Wasseroberfläche klatschenden Krokodils scheint das Signal für seine Artgenossen zu sein, dass dort draußen auf dem Fluss Fressen zu erwarten ist. Nacheinander tauchen, aber immer einzeln, neue und andere Köpfe in den Fluten auf. Ein ganz gewichtiger Bursche von ca. 2,5 m Länge ist auch dabei. Bewundernswert, mit welcher Kraft diese Kolosse aus dem Wasser emporschnellen, um sich einen Happen von der Leine zu schnappen.

'jumping crocodile' am Adelaide River ‘jumping crocodile’ am Adelaide River © 1993-2017 Bernd Runde

Nach ~100 km zweigt vom Highway ein staubiger Weg ab, und wir beschließen, unsere ersten Erfahrungen auf einer ‘gravelroad’ zu sammeln. Stellenweise kommen wir, eine rote Staubfahne im Gefolge, recht zügig voran. Einige Abschnitte mit tiefen Sandmulden, tiefen Spurrillen oder Waschbrettoberfläche erfordern jedoch volle Aufmerksamkeit und geben einen Vorgeschmack auf andere noch vor uns liegende Strecken.

Im 4WD-Gelaendewagen auf roter Piste Im 4WD-Gelaendewagen auf roter Piste © 1993-2017 Bernd Runde

Dieser Weg kürzt aber die Fahrt nach Cooinda ganz erheblich ab, auch wenn wir über 2 Stunden für die 100 km benötigen. Auch ein riesiges Buschfeuer kurz vor der Einmündung in den Kakadu Highway kann uns heute nicht stoppen. Um 16:00 Uhr erreichen wir unser Hotel, eine kleine Bungalowanlage in einem lichten Eukalyptushain auf einem Hügel mitten in der flachen Sumpflandschaft des South Alligator River.

Buschfeuer lichten die Wälder Buschfeuer lichten die Wälder © 1993-2017 Bernd Runde

Bei einem Bummel durch die tropische Vegetation am Fluss macht uns die schwül-warme tropische Luft erst so richtig bewusst, was für ein Komfort die Klimaanlage im Auto darstellt. Schnell ist das Hotel ausgekundschaftet und für die nächsten Tage ein Programm zusammengestellt, denn alle Wege zu den von uns ins Auge gefassten Zielen sind passierbar. Aber für morgen buchen wir direkt im Hotel eine Billabong-Bootsfahrt (2x 12,50 A$).

Der geräumige Bungalow ist die willkommene Umgebung, um nach den Anreisetagen das Gepäck neu zu ordnen und vor allem, dem strapazierten Körper neue Energien zuzuführen. Als wir um 19:20 Uhr aus erholsamem Tiefschlaf in die Wirklichkeit zurückkehren, sind wir schon 20 Min. über die Zeit. Für 19:00 Uhr hatten wir uns im Restaurant einen Tisch bestellt.

Yellow Water Billabong Yellow Water Billabong © 1993-2017 Bernd Runde

Um 07:00 Uhr sind wir wieder auf den Beinen und beginnen den Tag mit einem zünftigen Frühstück im Freiluft-SB-Restaurant. Dann brechen wir auf zu einer 2-stündigen Bootsfahrt auf den Yellow Water Billabongs. Fast lautlos gleitet das Flachbodenboot durch die seichten Wasser des überschwemmten Sumpflandes. Um mehr als 3 m steigen in der Regenzeit die Fluten des South Alligator River an und verwandeln die ganze Landschaft in einen riesigen Süßwassersee. Jetzt, wo die Trockenzeit sich langsam dem Ende nähert, haben sich die Wassermassen schon soweit zurückgezogen, dass viele Inselchen und Sandbänke Rast- und Nistplätze für Tausende von Vögeln bieten. Ringsum zaubert der beginnende Frühling saftiges Grün und eine unbeschreibliche Blütenpracht hervor.

Tropische Blütenpracht Tropische Blütenpracht © 1993-2017 Bernd Runde

Fischreiher Fischreiher © 1993-2017 Bernd Runde

Schwarznackenstorch Schwarznackenstorch © 1993-2017 Bernd Runde

Spaltfußhöckergänse Spaltfußhöckergänse © 1993-2017 Bernd Runde

Riesige Vogelschwärme waten auf der Suche nach Nahrung durch das seichte Wasser. Fischreiher, Ibisse und Schwarznackenstörche stehen am Ufer und warten, dass ihnen etwas Schmackhaftes vor den langen Schnabel schwimmt. Sie brauchen nicht lange zu warten, denn das Nahrungsangebot ist reichhaltig.

Die gefürchteten Räuber des Nordens Die gefürchteten Räuber des Nordens © 1993-2017 Bernd Runde

Regungslos und gut getarnt im braunen Schlamm einiger Uferbereiche dösen Krokodile in der warmen Morgensonne. Vom hohen Geäst eines abgestorbenen Eukalyptusbaumes beobachtet ein Weißbauch-Seeadler die Szenerie aus luftiger Warte. Man kann sich der Faszination der Natur in ihrer ganzen üppigen Pracht nicht entziehen. Immer wieder steuert das Boot in eine andere kleine Bucht oder Lagune. Immer neue und andere Blüten säumen das nahe Ufer und neue und andere Vögel sind zu beobachten.

Der Weissbauch-Seeadler lauert auf Beute Der Weissbauch-Seeadler lauert auf Beute © 1993-2017 Bernd Runde

Die ganze Vielfalt der Landschaft des Kakadu-Nationalparks erleben wir am Nachmittag bei einer Fahrt über das 50 km entfernte Jabiru hinaus. Der kleine Ort kurz vor der östlichen Zufahrt zum Hochplateau des Arnhemlands, einem der größten Aboriginal-Reservate, bietet selbst wenig Sehenswertes, wenn man von den überall herumlungernden Coca-Cola-trinkenden Aboriginals einmal absieht.

Der Nourlangie Rock Der Nourlangie Rock © 1993-2017 Bernd Runde

21 km südlich Jabiru zweigt vom geteerten Highway eine kleine Straße zum Nourlangie Rock ab. Der Aufstieg in die Felsformationen lohnt in dreierlei Hinsicht. Zum einen bietet sich eine beeindruckende Sicht auf das weite Land des tropischen Kakadu-Nationalparks. Es sind drei landschaftliche Abschnitte, die man von hier oben überblickt. Da ist der rote Fels der Abbruchkante des Plateaus selbst, der sich ziemlich unvermittelt aus einem sandigen baum- und buschbestandenen Trockenland erhebt. Gen Norden schließt sich dann das satte Grün des Sumpflandes an. Zum anderen sind es die bizarren Felsformationen des roten Sandsteins mit tiefen Einschnitten und grotesken Formen.

Felsmalerei der Aboriginals Felsmalerei der Aboriginals © 1993-2017 Bernd Runde

Felsmalerei der Aboriginals Felsmalerei der Aboriginals © 1993-2017 Bernd Runde

Nicht zuletzt sind unter den Überhängen mächtiger Felsgalerien viele Felszeichnungen der Aboriginals zu bewundern. Wenn man sich bisher noch nicht mit Kultur und Vergangenheit der australischen Ureinwohner beschäftigt hat, hier entsteht zumindest das Verlangen, etwas mehr über die Menschen zu erfahren, die diesen Kontinent seit über 10.000 Jahren bevölkern.

Nur 7 km weiter südlich auf dem Arnhem Highway führt ein kleiner Weg zum Muirella Park. Dieser Abstecher bietet einen landschaftlich interessanten Kontrapunkt zum Nourlangie Rock. Hier befinden wir uns am grünen Ufer eines Billabong mit der imposanten Kulisse des Hochplateaus im Hintergrund.

Den Abend verbringen wir mit einer kleinen Wanderung auf Holzstegen durch die Sümpfe am Rande des Yellow Water Billabong, einem erfrischenden Bad im Swimmingpool, einem SB-Barbecue bei leider zu lauter Musik und der Erledigung nötiger Schreibarbeiten.

Auf dem Weg zu den Jim-Jim-Wasserfällen Auf dem Weg zu den Jim-Jim-Wasserfällen © 1993-2017 Bernd Runde

Es sind nur 14 km Teerstraße, dann geht’s über eine zunächst recht gepflegt wirkende Gravelroad Richtung Jim Jim Falls. Aber schon nach wenigen Kilometern schüttelt es uns recht heftig auf tief ausgewaschener Waschbrettpiste. Der Wagen macht Geräusche, als ob er jeden Moment auseinanderbrechen wird. Dazu kommen, speziell in einigen weitgezogenen Kurven, tiefe sandige Spurrillen, die beim Fahren das Gefühl von Aquaplaning erzeugen. So ist es nicht verwunderlich, dass wir für die ersten 50 Kilometer eine gute Stunde benötigen. Die zweite Stunde bis zum ‘Parkplatz’ an den Jim Jim Falls benötigen wir dann für die restlichen 10 km. Das ist keine ‘road’ mehr, auf unwegsamer Piste folgen wir den Fahrspuren anderer Wagen, im wahrsten Sinn des Wortes über Stock und Stein. Es geht über nackte Felsen, durch Wasserlöcher und Flussläufe bergauf und bergab. In einer der langgestreckten Sandmulden passiert es dann, wir sitzen fest. Da nützt auch ein hochbeiniger Geländewagen mit 8 Gängen und Differential-Sperre nichts, der Wagen hat sich bis zu den Trittbrettern im Treibsand eingegraben und liegt mit dem Unterboden auf. Mit dicken Ästen stochern und ‘graben’ wir so lange, bis wieder einige Zentimeter Luft unter dem Fahrzeug sind. Zum Start dann noch einige trockene Zweige vor die Räder, und mit Vollgas im 1.Schleichgang bewegen wir uns langsam aus der Falle. Vorsichtig fahren, ja, aber zu vorsichtig, bzw. zu langsam kann also auch verkehrt sein.

Trockene Jim-Jim-Wasserfällen Trockene Jim-Jim-Wasserfällen © 1993-2017 Bernd Runde

Auf einem Trampelpfad wandern wir durch eine enge Schlucht. Über vermoderte Bäume, bemooste Felsbrocken und durch die üppige Vegetation des Regenwaldes folgen wir dem kristallklaren Wasser im Jim Jim Creek. Hoch ragen zu beiden Seiten die steilen roten Felswände in den blauen Himmel. Welche Enttäuschung am Ende der Schlucht, kein Wasserfall weit und breit, keine gischtschäumenden Wassermassen stürzen sich von den Felsen, ‘Jim Jim’ hat dieses Frühjahr seine Tätigkeit noch nicht aufgenommen.

Nach dem Marsch durch die brütende Hitze des Tals ist die Erfrischung im kühlen Wasser des Pools unterhalb der steilen Felswand, von der sonst der Wasserfall tost, ein wahrer Genuss. Es folgt noch eine kurze Pause auf einer kleinen strahlend weißen Sandbank. Als die Sonne dann aber langsam um die Felswand wandert und der kleine Streifen Schatten immer kleiner wird, treten wir vergnügt und hoch befriedigt über diesen Tag in einsamer Wildnis den Rückweg an. Oberhalb des zu einem kleinen See erweiterten Creek bietet eine große Felsspalte den idealen Platz für ein Picknick. Danach ist der Rucksack ein erhebliches Stück angenehmer zu tragen.

Natur pur im Kakadu-Nationalpark Natur pur im Kakadu-Nationalpark © 1993-2017 Bernd Runde

Die Rückfahrt verläuft ohne weitere Zwischenfälle und wir genießen den Abend wieder im Schwimmbad und bei einem gemütlichen Abendessen.

Überraschung am Morgen, der Kakadu Highway ist, entgegen den Angaben auf der neuesten Landkarte, mit einer Bitumenschicht versehen. Erst 3 km vor der Furt durch den South Alligator River weist ein kleines Schild ‘gravelroad ahead’ auf das Ende dieses Fahrkomforts hin. Ein Abstecher zum 38 km entfernten Waterfall Creek (auch Gunlom Creek) beschert uns auch nicht die tosenden Wassermassen eines nordaustralischen Wasserfalls. Der Pool am Fuße einer Felswand ist zwar gefüllt, erhält aber zur Zeit keinen Nachschub. Wir klettern in die Felswand oberhalb des Sees und genießen auch hier den Blick hinunter auf die kleine Oase rund um das Wasserloch und den Grünstreifen, der den Lauf des South Alligator River hinaus ins weite braune Umland begleitet.

Termitenhügel im roten Buschland Termitenhügel im roten Buschland © 1993-2017 Bernd Runde

Weiter geht es dann auf dem Kakadu Highway durch niedrig und licht bewachsenes Trockenland. Es sind endlose erscheinende Kilometer ohne Haus oder Dorf bis Pine Creek. Es ist sicher keine wegen ihrer Schönheit faszinierende Landschaft, aber Einsamkeit und Fremdartigkeit haben ihre ganz besondere Ausstrahlung. Um so überraschter ist man, inmitten dieser scheinbar lebensbedrohenden Umgebung auf Stellen zu stoßen, die dazu in absolutem Kontrast stehen. So geht es uns zum Beispiel an den Edith Falls. Kristallklares Wasser in einem kleinen See am Fuße eines niedrigen Felsmassivs. Das ist endlich ein Platz, um die Hitze ringsum vergessen zu können, und so dauert es auch nur Minuten, bis wir uns im kühlen Nass tummeln. Hier ergießt sich auch der lange gesuchte Wasserfall, wenn auch nur ein kleiner, in den Pool und verleiht der ganzen Szenerie den Hauch einer romantischen Oase.

Im Hotel angekommen, bestellen wir zunächst für Morgen zwei Plätze für eine Bootstour durch die Schluchten des Katherine River. Heute Abend sind wir bei Greg und Mary Wilcock zum Barbecue eingeladen. Das ist unsere erste Nachtfahrt auf australischen Straßen, aber die Fahrt hinaus zur Tindal Airbase und zurück verläuft ohne Probleme. Wir verbringen einen netten Abend mit den Beiden. Schnell vergeht die Zeit beim Plaudern über Australien und natürlich die Tour, die noch vor uns liegt. Erst kurz vor Mitternacht sind wir zurück im Hotel.

Steile Felswände beherrschen die Schlucht des Katherine River Steile Felswände beherrschen die Schlucht des Katherine River © 1993-2017 Bernd Runde

Direkt im Ortskern von Katherine zweigt die Straße zum Katherine Gorge Nationalpark ab. Es sind nur 30 km bis wir am Ufer des Flusses stehen und etwas ratlos die Umgebung nach einer Landschaft absuchen, die die atemberaubende Wildnis enger Schluchten und gurgelnder Wassermassen beherbergen soll. Die Bäume, deren Kronen weit über das Wasser hinausragen, sind der Rastplatz von Hunderten Fliegender Hunde. Es herrscht morgendliche Unruhe in der Kolonie. Begleitet von ohrenbetäubendem Geschrei wird um die besten Rastplätze gekämpft.

Nur wenige Minuten benötigt das kleine Ausflugsboot, um in eine Landschaft einzutauchen, die man hier nicht vermutet. Steil aufragende Felswände mit kleinen Buchten mit weißem Sandstrand erwecken das Verlangen, überall eine Pause einzulegen. Dicke Felsbrocken mitten im Fluss und Untiefen erfordern geschicktes Manövrieren, um wirklich immer genügend Wasser unter dem Kiel zu haben. Wir beneiden die Kanufahrer, die sich die Zeit nehmen, mehrere Tage in dieser einmaligen Natur unterwegs zu sein.

Urplötzlich ist der Fluss zu Ende. Dicke Felsbrocken sind aus der Höhe herabgestürzt und haben das Flussbett verschüttet. Wir setzen die Erkundung der Schlucht zu Fuß fort, um nach einigen Hundert Metern in einer noch engeren Schlucht zu stehen. Hier wartet ein zweites Boot auf uns, mit dem wir die Fahrt fortsetzen.

Wildromantische Tour durch die enge Schlucht des Katherine River Wildromantische Tour durch die enge Schlucht des Katherine River © 1993-2017 Bernd Runde

Die Wassermassen des Katherine River haben eine Schlucht von atemberaubender Schönheit in den Fels gesägt. Steil ragen links und rechts die roten Felswände empor und zwängen das tiefblaue Wasser des Flusses zu einem schmalen Band zusammen. Es ist fast nicht vorstellbar, dass nach der Regenzeit die Fluten diese Schlucht bis zum Rand füllen sollen. Aber auch hier ist nach einigen hundert Metern das Flussbett wieder mit Felsen verschüttet. Die Schluchten #3 bis #6 sind nur zu Fuß zu erreichen, können dann aber mit dem Kanu, falls man eins mitgenommen hat, ‘bereist’ werden. Dieser Park allein ist einen Australien-Aufenthalt wert. Wir sind aber schon von dem bisher gesehen überwältigt.

Katherine wird der Ausgangspunkt für unsere spätere Westaustralien-Tour sein. Wir nutzen deshalb die Mittagspause, um uns etwas in der Stadt umzusehen. Wie in allen australischen Kleinstädten spielt sich das Geschäftsleben in einer Hauptstraße ab, so dass man ziemlich schnell einen Überblick erhält. Auf breiten Bürgersteigen, die zum Schutz gegen Sonne und Regen überdacht sind, bummelt es sich angenehm. Wir lassen uns treiben und beschließen den Rundgang bei ‘fish’n ships’ und einer ‘coke light’.

Verheißungsvoll ist die Beschreibung der tropischen Oase Mataranka. Der Stuart Highway führt fast schnurgerade durch etwas dichteren Baumbestand als während der letzten Tage. Auch die Anzahl der kleinen Termitenhügel, an deren Färbung man gut die unterschiedliche Farbe des Bodens ablesen kann, nimmt zu. Die 106 km bis Mataranka, nur ab und zu begegnet uns ein anderes Auto, sind geradezu ein Vergnügen. Nach der knochentrockenen Landschaft, durch die wir gerade gekommen sind, ist Mataranka wirklich eine Überraschung.

Der Mataranka Pool Nature Park ist eine palmenbestandene Oase am Ufer des Roper River. Die Hauptattraktion sind jedoch heiße Thermalquellen inmitten dieser paradiesischen Landschaft. Keine Frage, auch wir unterbrechen unseren Bummel unter Palmen, in denen sich unzählige Fliegende Hunde aufhalten, um ein Bad in diesem Naturwunder zu nehmen. Die Temperatur unterscheidet sich allerdings kaum von den 36°C der Luft. Trotz intensiver Suche, auch entlang dem Roper Highway bis Elsey, finden wir die in einem Prospekt abgebildeten Roper Falls nicht.

Fliegende Hunde bevölkern den Palmenhain am Mataranka Pool Fliegende Hunde bevölkern den Palmenhain am Mataranka Pool © 1993-2017 Bernd Runde

Die Temperatur ist nachts nur unwesentlich zurückgegangen. Bei angenehmen 32°C am morgen versorgen wir uns noch mit dem nötigen Tagesproviant und füllen den Tank randvoll. Es geht auf dem Highway Nr. 1 zurück nach Norden. Breit zieht sich eine Schneise durch das Land. Links und rechts des schmalen Asphaltbandes ist noch jeweils ein mindestens doppelt so breiter ‘Sandweg’ angelegt. Diese anscheinend maßlose Vergeudung von Land und Landschaft dient einzig einem Zweck, sie soll als Feuerschneise das Übergreifen von Buschfeuern verhindern. Der oft auch noch angelegte tiefe Graben neben der Fahrbahn, mit vielen Abzweigungen ins Buschland, soll während der Regenzeit die vom Himmel stürzenden Wassermassen schnell von der Straße ableiten.

Buschfeuer gehören zu Australien Buschfeuer gehören zu Australien © 1993-2017 Bernd Runde

Nach 1 12 Stunden, kurz hinter Hayes Creek, verlassen wir den Highway in Richtung Daly River. Nach ca. 50 km auf einem schmalen befestigten Weg, der Platz reicht nicht für zwei Fahrzeuge nebeneinander, führt eine Gravelroad in Richtung Litchfield Nationalpark. Wir sind weitere 48 km gefahren, als ein sandiger Track nach Norden abzweigt. Ein unscheinbares Schild an einem Baum veranlasst mich zurückzusetzen. Die handschriftliche Notiz ist nicht sehr ermutigend: Warning! No entrance to Litchfield Park. Das war ein zeitraubender Umweg. Der alte Highway zwischen Hayes Creek und Adelaide River bietet aber eine landschaftliche Szenerie, die den Umweg bald vergessen lässt. Der Weg schlängelt sich durch leichtes Bergland. An den Robin Falls legen wir eine Picknickpause ein.

Die Florencefälle Die Florencefälle © 1993-2017 Bernd Runde

Über Adelaide River und Batchelor erreichen wir am frühen Nachmittag den Litchfield Nationalpark. Es ist ein steiniger und steiler Abstieg hinunter in eine Schlucht, in die die Florencefälle stürzen und einen kleinen Pool mit ihrem kristallklaren, kalten Wasser füllen. Ein Bad im kühlen Nass lässt die Strapazen aber schnell vergessen. Die Erfrischung lässt auch den Wiederausstieg durch die rote Steilwand gar nicht so beschwerlich erscheinen, auch wenn die Fliegen wieder versuchen, uns den Nachmittag zu verderben. Über die Tolmer Falls erreichen wir dann den großen Pool der Wangi-Fälle. Wir können einfach nicht widerstehen, jede Gelegenheit für ein Bad auszunutzen. Hitze und Staub sind vergessen, als wir unter den Palmen im Talgrund die Jeans abstreifen und ins kühle Nass stürzen.

Hitze und Staub abspülen im Pool der Wangi-Wasserfälle Hitze und Staub abspülen im Pool der Wangi-Wasserfälle © 1993-2017 Bernd Runde

Auf der Rückfahrt zum Hotel, das direkt am Highway liegt, bewundern wir noch die sog. ‘magnetischen Termitenhügel’. Anders als die Termitenhügel im trockenen Buschland mit ihren runden Querschnitt, weisen die dunkelgrauen Sumpfland-Termitenhügel einen ovalen Querschnitt auf. Ihre Längsachse ist ca. 3…4 mal größer als die Schmalseite. Früher glaubte man, wegen der exakten Nord-Süd-Ausrichtung, dass sich die Termiten den Erdmagnetismus für den Bau ihrer riesigen Hügel zu Nutze machen. Die Erklärung ist aber wohl wesentlich einfacher. Die Ausrichtung entspricht genau dem Sonnenstand und verhindert, dass die starke Mittagssonne den Riesenbau zu stark aufheizt.

Nur wenig Schatten werfen die 'magnetischen' Termitenhügel in der Mittagssonne Nur wenig Schatten werfen die ‘magnetischen’ Termitenhügel in der Mittagssonne © 1993-2017 Bernd Runde

Das Hotelgelände wirkt wie eine Outbackstation des vorigen Jahrhunderts. Schuppen mit völlig verrostetem landwirtschaftlichem Gerät, eine primitive Tankstelle, unbefestigte Wege und eine chaotische Rezeption sind die ersten Eindrücke, die den Reisenden empfangen. Die großen sauberen Zimmer mit Blick auf einen Swimmingpool im Innenhof stehen allerdings in krassem Gegensatz zu den geschilderten Äußerlichkeiten. Beim Abendessen sitzen wir zunächst im großen Speisesaal, wo uns der Zug der riesigen Lüfter aber bald vertreibt. So essen wir unseren Fisch und die vorzüglichen Meeresfrüchte auf der Terrasse weiter.

Nachdem wir so viele Krokodile in den Gewässern des Kakadu-Nationalparks gesehen und erlebt haben, lockt uns ein riesiges Schild auf der Weiterfahrt nach Darwin zum Besuch einer Krokodil-Farm.

Dem sollte man aus dem Weg gehen Dem sollte man aus dem Weg gehen © 1993-2017 Bernd Runde

In Darwin heißt es dann erst einmal alles zu erledigen, wozu wir auf dem Land nicht gekommen sind. Nach Post, Bank und Automobilclub sind es also die Geschäfte in der gemütlichen Fußgängerzone, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In einer zur ‘Fresshalle’ umgebauten alten Markthalle finden wir eine reichhaltige Auswahl an Essbarem aus aller Herren Länder. Auch hier verstehen es die Asiaten, das beste Essen zu servieren. Mittags ziehen dicke Wolken auf und verdichten sich zu bedrohlichem Schwarz. Von Regen jedoch keine Spur. Das Wetter ‘probt’ schon etwas für die nahende Regenzeit. Bei einem vorzüglichen Abendessen im Hotel schwelgen wir noch einmal so richtig.

Traumhafter Sonnenuntergang Traumhafter Sonnenuntergang © 1993-2017 Bernd Runde

Im 4WD-Geländewagen durchs ‘Red Centre’.

Vielleicht ist es gut so, dass uns zwischen den einzelnen Abschnitten dieser Reise auch etwas Luft bleibt. Man kann die Eindrücke der letzten Tage noch einmal Revue passieren lassen und sich in Ruhe auf die nächsten Abenteuer einstellen. Wir nutzen die Zeit, bis am frühen Nachmittag die Maschine nach Alice Springs abgeht, um noch einmal durch die Straßen und Parks von Darwin zu schlendern. Für die Kamera gibt es noch genug einzufangen. Am Flughafen liefern wir dann unser Auto ab. Gegen 17:00 Uhr landen wir im Herzen von Australien. Überrascht stellen wir fest, dass das Land über das die Maschine zur Landung einschwebt, einen kräftigen grünen Anstrich hat. Später erfahren wir dann, dass es vor zwei Tagen heftig geregnet hat.

Die Informationen sind zwar eindeutig: ‘Auto abholen im Stadtbüro. NT Rental unterhält keinen Flughafendienst.’ Von Darwin wissen wir aber, dass NT Rental zu Hertz gehört und so folgen wir einer inneren Eingebung und fragen bei Hertz, ob zufällig unser Auto doch am Flughafen zur Verfügung steht. Und es steht; welch glücklicher Umstand. Auf dem Weg zum Parkplatz werden wir überfallen. Wer ihnen Bescheid gegeben hat, das wir kommen, wissen wir nicht, aber vor dem Flughafengebäude warten Hundertschaften von Fliegen auf unser Erscheinen.

Leicht gereizt durch diese, alles bisher erlebte in den Schatten stellende Invasion, vergeht uns die Freude über das schon am Flughafen stehende Auto aber in dem Augenblick, als alle Versuche unser Gefährt anzulassen, fehlschlagen. Der Anlasser gibt keinen Ton von sich. Die Dame von Hertz hatte sich gerade im Vorbeifahren mit einem fröhlichen ‘have a nice trip’ verabschiedet. Im Flughafen herrscht mitternächtliche Ruhe. Wir sind wohl mit der letzten Maschine dieses Tages angekommen.

Telefon schluckt nur Münzen, aber stellt keine Verbindung her. Von einem anderen Apparat klappt es dann aber doch. Doch wieder Glück im Unglück: das Stadtbüro ist noch besetzt. ‘In 15 Min. sind wir da!’ Der Monteur staunt nicht schlecht, als er die alte japanische Original-Batterie wechselt: ‘Das ist ja immer noch die erste.’ Na endlich, wir sind auf dem Weg zum Hotel. Ein lautes Fahrgeräusch erweckt jetzt unser Interesse. Sollte man uns eine alte Kiste angedreht haben? Kurz vor Ankunft in Alice Springs ist dieses Rätsel aber gelöst, ein Seitenfenster war nur nicht ganz geschlossen.

Auf ins 'Rote Zentrum' Auf ins ‘Rote Zentrum’ © 1993-2017 Bernd Runde

Nach der Ankunft im Hotel richten wir das Gepäck für die folgenden Tage. Ungewohnt nach den vielen Hotels mit anheimelnder Atmosphäre ist der Betrieb im Red Center Resort. Hier ergießen sich ganze Busladungen von Campern ins Gelände. Alice Springs nimmt man mit auf dem Weg zum Ayers Rock. Beim Rund- und Erkundungsgang durch die riesige ‘Übernachtungs’-Anlage erleben wir die nächste Überraschung, es ist lausig kalt geworden. Ein Thermometer bestätigt unser Gefühl: nur 7°C. Noch einmal räumen wir das Gepäck um, um an die etwas tiefer verstauten warmen Sachen zu gelangen. Im Restaurant ist heute Buffet-Tag angesetzt. Für 15 A$ kann man zulangen, solange der Magen mitspielt. Ein Spiel bei dem wir jedem Australier im Saal unterlegen sind. Um 21:00 Uhr liegen wir im Bett, um Kräfte für die erste Tour durch die wilde Bergwelt des ‘Red Centre’ zu sammeln.

Man wird überall argwöhnisch beobachtet Man wird überall argwöhnisch beobachtet © 1993-2017 Bernd Runde

Schon um 08:30 Uhr sind wir unterwegs. In westlicher Richtung verlassen wir Alice Springs. Das schwarze Band der schmalen Teerstraße wird im Norden und Süden von den wildzerklüfteten Felswänden der westlichen McDonnell Ranges begleitet. Eindrucksvoll erheben sich überall die weißen Stämme der Ghost Gum Trees. Diese Fahrt durch das 130 km lange Hochtal im ‘roten Herzen’ des fünften Kontinents stellt all’ unsere Vorstellungen auf den Kopf. Die rote Erde und die roten Felsen des Gebirges sind von einem grünen Hauch einer üppigen Flora überzogen. Allenthalben begleiten uns wahre Blütenteppiche. Vor wenigen Tagen ist der erste Frühlingsregen niedergegangen und jetzt wetteifern rote, gelbe und weiße Blüten um den besten Platz an der inzwischen von einem strahlend blauen Himmel sengenden Sonne.

Es blüht im Outback nach einem heftigen Regen Es blüht im Outback nach einem heftigen Regen © 1993-2017 Bernd Runde

Australische Baumwolle - Desert Rose - Gossypium australe Australische Baumwolle - Desert Rose - Gossypium australe © 1993-2017 Bernd Runde

Unbekannter gelb-blühender Wüstenstrauch Unbekannter gelb-blühender Wüstenstrauch © 1993-2017 Bernd Runde

Wir zweigen an jedem kleinen Wegweiser von der Straße ab und folgen den sandigen Spuren hinein in die Berge. Vereinzelt ziehen weiße Federwolken über die schroffen Felswände und mildern wenigstens optisch die harten Kontraste dieser einmalig herb-schönen Landschaft.

Simpson Gap Simpson Gap © 1993-2017 Bernd Runde

Das Simpson Gap ist ein schmaler Gebirgsdurchbruch, dessen Steilwände sich im letzten Wasser eines Wasserloches spiegeln, das sich im Schatten der Berge bis jetzt erhalten hat. Etwas enger wird es in der Standley Chasm. Ein schmaler Trampelpfad windet sich durch dichtes Gestrüpp und über rote Felsbrocken bis dicht an das Felsmassiv der Ranges. Der schmale Durchlass dieser Klamm misst keine 2 Meter. Zu beiden Seiten ragen die Felswände 50…60 m senkrecht in die Höhe. Ein flaches Wasserloch versperrt den Durchgang, das sich nur barfuß überwinden lässt. Auf der anderen Seite steigt der Weg steil an, hinein in eine sonnendurchglühte wilde Wüste nackter roter Felsen. Zum Privatgelände dieser Klamm gehört auch ein Kiosk, in dem ich eine ‘stimmungsrettende’ Entdeckung mache: Es gibt Fliegennetze zu kaufen. Diesen Einkauf werde ich als die beste in Australien getätigte Investition in Erinnerung behalten. Wir sind fortan nur noch ‘maskiert’ unterwegs.

Standley Chasm Standley Chasm © 1993-2017 Bernd Runde

Der Weg zum Ellery Creek führt an einem ausgetrockneten Flussbett vorbei, dessen blendendweißen Sandbänke einen wunderbaren Kontrast zum roten Fels der Schlucht bilden. Der Weg durch die Schlucht selbst wird durch ein riesiges Wasserloch versperrt.

Im Ellery Creek Im Ellery Creek © 1993-2017 Bernd Runde

Der Anmarsch zum Serpentine Creek kostet uns sehr viel Zeit. Im einem lichten Eukalyptushain tummeln sich unzählige Wellensittiche. Die dicken hohlen Stämme scheinen ideale Nistmöglichkeiten für die Vögel zu bieten. Das Geschrei und Gezeter bei der Suche nach einem Partner und der Kampf um die Weibchen erfüllen das ganze Tal. Lange verweilen wir, um dem Treiben der munteren Schar zuzusehen.

Wellensittiche im Serpentine Creek Wellensittiche im Serpentine Creek © 1993-2017 Bernd Runde

Glen Helen ist unser heutiges Endziel. Hier hat der Finke River sich einen breiten Durchbruch in die Ranges gesägt. Am Ufer des Flusses grünt und blüht es noch intensiver, als im scheinbar trockenen Land durch das wir hierher kamen. Wenn nicht Hitze und Fliegen wären, man könnte stundenlang auf einem Felsen sitzen und die Faszination der einzigartigen unberührten Natur auf sich wirken lassen. Wenn wir es nicht selbst gesehen und erlebt hätten, dass der Fluss zu dieser Jahreszeit nur aus aneinandergereihten Wasserlöchern besteht, hier könnte man glauben am Ufer eines großen Stromes zu sitzen.

Gebirgsdurchbruch des Finke River bei Glen Helen Gebirgsdurchbruch des Finke River bei Glen Helen © 1993-2017 Bernd Runde

Zwei Stellen haben wir bei der Hinfahrt nicht aufgesucht. Die Begeisterung über diese durch Ihre Ursprünglichkeit faszinierende Landschaft veranlasst uns jedoch, auf dem Rückweg auch diese Abstecher noch mit einzubeziehen. Der Weg zum Ormiston Creek lässt sich nur schwer mit Worten beschreiben. In scharfen engen Kurven folgen wir dem Flusslauf hinein in die Felslandschaft der Ranges. Die Abgeschiedenheit, mitten in dieser von üppig wuchernden und in allen Farben blühenden Pflanzen überzogenen Bergwelt, lassen diesen Abstecher zum Höhepunkt des ganzen Tages werden. Am Ende des Weges zwängen die Felswände den Fluss zu einem schmalen Band zusammen. Hier sitzen wir im Schatten einer Felswand auf einer riesigen roten Steinplatte. Die Felsen mit ihren unterschiedlichsten Gelb- und Rottönen spiegeln sich im tiefen Blau des klaren Flusswassers. Das ständig wechselnde Licht der in die Schlucht fallenden Sonnenstrahlen zaubert in die Spiegelungen ständig neue Farbnuancen. Wahrscheinlich würde nicht einmal ein ganzer Tag ausreichen, um diese Stimmungen vollständig in sich aufzunehmen. Wir hätten hier wohl noch gesessen, wenn die Sonne hinter dem Horizont versunken wäre, hätte uns nicht eine laute Gruppe junger Leute aus unseren Träumen gerissen.

Ormiston Creek Ormiston Creek © 1993-2017 Bernd Runde

Den Abschluss des heutigen Tages bildet ein Abstecher zu den Ochre Pits. Diese Kalksteinklippen an einem ausgetrockneten Flusslauf bestehen aus senkrecht aufgefalteten Schichten von Ablagerungen in allen Farben von weiß bis dunkelrot. Hier holten die Aboriginals ihre Farben für Felszeichnungen und Körperbemalungen.

Am Ochre Pitch holten die Aboriginals ihre Körperfarben Am Ochre Pitch holten die Aboriginals ihre Körperfarben © 1993-2017 Bernd Runde

Im Laufe des Nachmittags haben sich die weißen Federwolken zu einer immer dichteren Wolkenbank verdichtet. Jetzt zum Abend drückt eine tiefschwarze Gewitterfront von Norden her gegen die McDonnell Ranges, aber es fällt noch kein Tropfen Regen.

Auf roter Piste Richtung Palm Valley Auf roter Piste Richtung Palm Valley © 1993-2017 Bernd Runde

Am Morgen des neuen Tages erstrahlt der Himmel wieder in gewohntem Azurblau. Wir verlassen die Stadt wieder gen Westen, zweigen nach ca. 50 km aber nach Süden Richtung Hermannsburg ab. Die Berge weichen immer mehr zurück. Das Tal weitet sich zu einer schier endlosen Hochebene. Kurz hinter der Grenze ins Aboriginals-Land geht die Straße abrupt in Gravelroad über. Nach insgesamt 134 km, wir sind schon 2,5 Stunden unterwegs, passieren wir das trockene Flussbett des Finke River. Das Wasserloch an dieser Furt ist nicht mehr sehr groß und lässt sich gut umfahren. Unmittelbar nach dem Ausstieg aus dem Flusstal zweigt ein Track ab, auf dem wir in den Palm Valley Nationalpark vorstoßen wollen.

Durchs sandige Flusstal des Finke River Durchs sandige Flusstal des Finke River © 1993-2017 Bernd Runde

Die Fahrt durch das Tal des Finke River ist ein Erlebnis besonderer Art. Zunächst ist es der Zustand des Tracks, der uns völlig in Anspruch nimmt. Es geht im Schritttempo durch das trockene Flussbett. Geröll und lockerer Sand folgen im schnellen Wechsel und lassen dem Fahrer keine Sekunde Zeit, auch nur einen Blick auf die atemberaubende Szenerie der Landschaft zu werfen. Wann immer Aussicht besteht, anschließend auch wieder zügig starten zu können, halten wir an und steigen aus. Rings um uns übersät eine geradezu explodierende Natur die Landschaft üppig mit in allen Farben des Regenbogens blühenden niedrigen Büschen und Sträuchern.

Dann wird es felsiger auf dem Weg nach oben Dann wird es felsiger auf dem Weg nach oben © 1993-2017 Bernd Runde

Dann steigt der Pfad hinauf in dunkelrote Felsformationen. Der Wagen ächzt und stöhnt über Felsvorsprünge und versetzte Gesteinsplatten. Vorsichtig tasten wir uns durch Wasserlöcher, deren Tiefe und Untergrundbeschaffenheit wir nicht kennen. Die Äste des Gestrüpps kratzen an Türen und Kotflügeln. Nach einer Stunde haben wir die 20 km überwunden und sind am Ziel.

Ohne Wegmarkierung über Stock und Stein Ohne Wegmarkierung über Stock und Stein © 1993-2017 Bernd Runde

Das Palm Valley ist eine tropische Oase inmitten einer vom roten Sandstein Zentral-Australiens geprägten Gebirgsformation. Es gehört wegen seines Bestandes von Livistona-Palmen zur geschützten Region des Finke River Nationalparks. Diese Palmen sind ein Relikt aus Zeiten, als hier im Herzen Australiens noch subtropisches Klima herrschte.

Das 'Palm Valley' - Palmenbestandenes Hochtal Das ‘Palm Valley’ - Palmenbestandenes Hochtal © 1993-2017 Bernd Runde

1,5 Stunden strolchen wir durch das enge Tal. Immer wieder versperren riesige von Wind und Wetter bizarr geformte Felsblöcke unseren Weg. Bis auf ein langgestrecktes Wasserloch ist vom Fluss nichts übrig. Über dem klaren Wasser schwirren Libellen in unterschiedlichsten Farben und Größen. Die zarten durchsichtigen Flügel reflektieren silbern das Licht der gleißenden Mittagssonne. Unzählige Palmen säumen das Ufer und recken ihre dunkelgrünen Blattfächer in den azurblauen Himmel. Aus allen Felsspalten strecken kleine Büsche ihre dürren mit Blüten übersäten Äste.

Sturt Desert Pea (Clianthus Formosus) Sturt Desert Pea (Clianthus Formosus) © 1993-2017 Bernd Runde

Die Natur bricht sich Bahn Die Natur bricht sich Bahn © 1993-2017 Bernd Runde

Nach einem kleinen Picknick treten wir die Rückfahrt an. Auch wenn wir die Tücken des Weges jetzt kennen, geht es nicht schneller voran, als auf der Hinfahrt. In Alice Springs bleibt uns noch etwas Zeit für einen Bummel durch die 14.000-Einwohner-Stadt. Das ist weder Stadt noch Dorf, eine Ansiedlung ohne jeden Charme. Man spürt, dass Alice Springs kein besiedeltes Umland hat, dessen Bewohner zum ‘shopping’ mal schnell in die Stadt fahren. Die wenigen Menschen, die durch die Straßen schlendern, sind Touristen, die Alice Springs für das ‘red centre’ halten, bzw. auf irgendeiner Tour hier Stopp machen. Als Ausgangspunkt für Touren ist die Stadt allerdings wirklich der ideale Platz. Die Lage am Highway und in den McDonnell Ranges sind ideale Voraussetzungen für die Erkundung der abwechslungsreichen und faszinierenden Landschaft.

Von hier geht es in alle Welt Von hier geht es in alle Welt © 1993-2017 Bernd Runde

Die Temperatur war heute auf über 30°C gestiegen. Auch gegen Abend kühlt es nicht wieder ab. Die 7°C von gestern Abend waren wohl nur ein kurzer Rückfall in die kühlen Wintermonate. Auch nach Regen oder Gewitter sieht es heute nicht mehr aus. Wir verstauen die warmen Sachen wieder und bereiten alles für die morgige Weiterfahrt vor.

Im Süden von Alice Springs hat ein Nebenfluss des Todd River einen breiten Durchbruch in die Ranges gesägt, das Heavitree Gap. Durch diesen Engpass zwängen sich Fluss, Eisenbahn und der Highway. Für uns ist es der Durchlass zu den Abenteuern eines neuen Tages. Waren es gestern noch überwiegend rote Blüten, die aus dem ersten Frühlingsgrün sprossen, so hat sich das Bild über Nacht gewandelt. Weite Flächen der roten Erde sind von weißen und gelben Blütenteppichen überzogen.

Blütenteppich Blütenteppich © 1993-2017 Bernd Runde

Wir fahren durch flaches Buschland. Im Norden rücken die McDonnell Ranges immer weiter in der Ferne. Das Landschaftsbild wandelt sich ständig. Nach 30 km wird der Bewuchs des Buschlandes üppiger, dann folgen licht bewaldete Hügelketten. In der Ferne steigen auf breiter Front Rauchsäulen auf und künden von heftigen Buschfeuern. Um diese Jahreszeit kein ungewöhnlicher Anblick, da vielfach in Erwartung des Frühlingsregen das trockene Gras des Vorjahr abgebrannt wird, um den Neuaustrieb zu fördern. Ein altes Frühlingsritual der Aboriginals, das sie meisterhaft beherrschten, ohne der Natur Schaden zuzufügen.

Breit sind sie ja, die 'highways' Breit sind sie ja, die ‘highways’ © 1993-2017 Bernd Runde

Nach 140 km, wir haben erneut, diesmal über eine Brücke, den Finke River überquert, verlassen wir den Highway wieder und biegen in die Ernest Giles Road ab. Ein kurzer Abstecher (14 km hin-und-zurück) führt uns zunächst zum Henbury Meteoriten-Krater. Die Weiterfahrt ist dann ein Erlebnis ganz besonderer Art. Stellenweise verlockt die Oberfläche der Gravelroad zum zügigen fahren. Bei 80 km/h kommt auf Waschbrett der Wagen aber doch ganz heftig in’s schlingern. Man fährt wie mit einem kleinen Boot auf hohen Wellenkämmen einer bewegten See. Unvermittelt auftauchende tiefe Sandlöcher (bull dust) und Spurrillen fordern darüber hinaus ständige Aufmerksamkeit. Aber wir sind auch nicht hier, um zügig ein unbekannte Land zu durchfahren.

Die Natur strebt an die Sonne Die Natur strebt an die Sonne © 1993-2017 Bernd Runde

Landschaftlich bietet dieser Streckenabschnitt eine unbeschreibliche Vielfalt. Die Wüstenflora scheint geradezu zu explodieren. Die Erde und die Piste sind stellenweise so tief-dunkelrot, dass man glauben könnte, es habe gerade geregnet. Die Staubfahne hinter uns belehrt uns jedoch eines Besseren, diese Farbe hat mit feuchter Erde nichts zu tun. Die letzten Kilometer vor dem Abzweig zum Lasseter Highway ist von Piste nicht mehr viel zu spüren, der Weg wird zum tiefsandigen Track und gleicht stellenweise dem Weg ins Palm Valley. Ab Wallara Ranch ist ein schmaler Streifen, ausreichend für ein Fahrzeug, geteert. Die Landschaft verliert ihren Reiz und so sind wir schon bald im Watarrka Nationalpark. Hochstämmige Bäume säumen unseren Weg bis zur Kings Canyon Frontier Lodge.

'Schilderwald' im Outback ‘Schilderwald’ im Outback © 1993-2017 Bernd Runde

Im Gelände rings ums Hotel entdecken wir zum ersten Mal zwei für diese Region angeblich typische Vertreter der Wüstenflora. Überall recken sich Stengel mit Gruppen der bizarr geformten tiefroten Blüten der Desert Pie über den trockenen Wüstenboden. Die Büsche der Desert Rose sind übersät mit unzähligen zartlila Trichterblüten. Wir beziehen unseren Bungalow, reservieren einen Tisch im Restaurant (man hat’s hier gerne etwas formell !) und brechen zu einem kleinen Nachmittags-Spaziergang auf.

Steilwände am Eingang zum Kings Canyon Steilwände am Eingang zum Kings Canyon © 1993-2017 Bernd Runde

Vom Hotel bis zum Kings Canyon sind es nur 10 km. Die offizielle Bezeichnung ist zwar ‘creek walk’, es wird aber mehr als nur ein Spaziergang. 1,5 km führt ein ‘trail’ hinein in die Hauptschlucht des insgesamt 2 km langen Canyons. Über riesige Felsbrocken, links und rechts ragen die grandiosen Felsformationen der 200 m hohen Steilwände in den Himmel, klettern wir immer weiter. In einem Wasserloch quakt laut ein Frosch und lockt uns noch tiefer ins unwegsame Gelände. Letztendlich versperren hausgroße Felsen, die irgendwann unter dem Einfluss von Wasser und Hitze herabgestürzt sein müssen, den Weg und machen ein Vorankommen unmöglich. Es wird Zeit umzukehren.

Blütenzauber nach heftigen Regenfällen Blütenzauber nach heftigen Regenfällen © 1993-2017 Bernd Runde

Blütenzauber nach heftigen Regenfällen Blütenzauber nach heftigen Regenfällen © 1993-2017 Bernd Runde

Es war wieder ein Tag mit strahlend blauem Himmel; nur vereinzelt segelte mal eine weiße Wolke vorüber. Wir genießen unseren Nachmittagstee auf der Terrasse unseres Zimmers, und lassen dann später beim Anblick des in der Abendsonne in noch intensiverem Rot erstrahlenden Bergmassivs den Tag Revue passieren.

Die Lodge ist ein in die Landschaft integrierter sauberer Komplex in sehr ruhiger und abgeschiedener Lage. Im großen Speisesaal des modernen Restaurants kommen wir uns recht verlassen vor. Das Essen ist ausgezeichnet und die Bedienung freundlich und aufgeschlossen, wie bisher eigentlich überall.

Wildes Gelände ist eine Herausforderung Wildes Gelände ist eine Herausforderung © 1993-2017 Bernd Runde

Um noch vor der großen Hitze den ersten Aufstieg ins rote Felsmassiv zu schaffen, brechen wir schon sehr früh am Morgen auf. Es gibt ein kleines Notfrühstück aus unseren Picknickbeständen, weil das Restaurant erst später öffnet, und auf geht’s. Dichte Wolken hängen über dem Land, nur ab und zu blinzelt die Sonne durch eine kleine Lücke. Am Canyoneingang führt ein steiler Aufstieg ziemlich direkt hinauf zur Rim. Mit jedem Schritt verändert sich die Sicht hinein in den Canyon. Die Bäume im Talgrund werden immer kleiner und die Felswände immer imposanter. Es ist ein unbeschreiblich wildes Gelände oben auf dem Hochplateau. Der Weg, markiert durch weiße Farbklekse auf Steinen und an Felsen, führt ohne jegliche Sicherung stellenweise unmittelbar an der Abbruchkante vorbei. Nur an der Höhe der Steilwand auf der gegenüberliegenden Seite kann man abschätzen, welche Folgen ein Fehlschritt haben würde. Unvermittelt taucht ein anderer Taleinschnitt vor uns auf, unser markierter Weg ist zu Ende. Man muss ein Weilchen suchen, ehe man die Stelle findet an der der Abstieg in den Canyon beginnt. Stellenweise sind tiefe Einschnitte in der Felswand nur auf Holzbrücken zu überwinden, die von der Nationalpark-Verwaltung angelegt wurden, um den Besuchern die Möglichkeit zum Abstieg auf den Canyongrund zu ermöglichen. Dieser Abschnitt des Tales trägt allerdings seinen Namen zu Recht, Garden of Eden. Wir gelangen in einen subtropischen Palmenhain mit einem Pool, in dessen kristallklarem eiskalten Wasser sich die über 200 m hohen senkrecht aufsteigenden Felswände spiegeln.

Ein subtropischer Palmenhain - der Garden of Eden Ein subtropischer Palmenhain - der Garden of Eden © 1993-2017 Bernd Runde

Stundenlang könnte man hier sitzen und diese einmalige Natur in sich aufnehmen. Einfach nur sitzen, schauen, genießen und staunen. Da ist aber etwas, was uns abhält, zu lange zu verweilen, der Rückweg. Über uns steht die Sonne schon fast im Zenit und treibt die Temperatur in unangenehme Höhen als wir aus dem Tal aufsteigen. Nachdem wir wieder das Hochplateau erreicht haben, geht es auf der anderen Seite des Canyon, ohne auch nur einen Ansatz von Schatten, über die von der Sonne durchglühten roten Felsen wieder zurück. Anstrengend ist dann allerdings nur noch der steile Abstieg durch loses Geröll zum Ausgangspunkt dieser 4-Stunden-Wanderung.

Den Rest des Tages nutzen wir, um uns am Swimmingpool wieder zu regenerieren. Nach der nun schon obligatorischen Teestunde verfolgen wir dann das Treiben der Natur. Es ist malerisch hier draußen, 300 km vom nächsten Ort entfernt. Die Wolken verdichten sich zu einer dichten schwarzen Regenwand, um sich nach 1 Stunde wieder in Nichts aufzulösen. Um 07:30 Uhr erstrahlt der Carmichael Craig glühend rot im Licht der untergehenden Sonne.

Wie Feuer in der Morgensonne Wie Feuer in der Morgensonne © 1993-2017 Bernd Runde

Aus schwarz verhangenem Himmel tröpfelt es leicht auf die rote Erde. Aber schon nach wenigen Kilometern Fahrt reißt der Himmel wieder auf. Die Wolkenlöcher werden immer größer, und die Sonne greift wie mit langen silbrigen Fingern zur Erde. Das noch milde Morgenlicht glänzt im feuchten Laub der Büsche und Bäume. Nach einer guten Stunde biegen wir auf eine Gravelroad gen Süden ein. Es erwartet uns ein neuer Straßenbelag. Der rote Staub hat sich in eine glitschige Masse verwandelt, das Wasser in den unzähligen Pfützen steht knöchelhoch. Heute markiert keine Staubfahne unsere Fahrtroute.

Der Mount Connor Der Mount Connor © 1993-2017 Bernd Runde

Der Lasseter Highway ist dann wieder durchgängig asphaltiert und ermöglicht zügiges fahren. Von fern grüßt gerade der Mount Connor, als ein 30 minütiger tropischer Regenguss niedergeht. Nach einer Stunde reißt der Himmel auf, die graue Wolkendecke liegt hinter uns, und vor uns taucht zum erstenmal der Uluru auf, wie der Ayers Rock heute, nach Reaktivierung des Kulturgutes der Aboriginals, heißt.

Noch 30 Kilometer - Der Uluru taucht in der Ferne auf Noch 30 Kilometer - Der Uluru taucht in der Ferne auf © 1993-2017 Bernd Runde

Mit unmittelbarem Blick auf das Wahrzeichen Australiens beziehen wir einen Bungalow im Desert Gardens Hotel. Beim Erkundungsgang durch den Ort Yulara stellen wir fest, dass der Ort nichts anderes ist, als ein weitläufiges Feriendorf und Touristenzentrum. Rechtzeitig brechen wir zum obligatorischen abendlichen Besuch am Uluru auf. Der ‘sunset view’ ist nicht zu verfehlen. Bei unserer Ankunft sind erst einige wenige Besucher anwesend, aber allmählich füllt sich der Parkplatz. Das weiche Licht des frühen Abends überzieht das gewaltige Massiv des Monolithen mit ständig wechselnden Rottönen. Ob wir allerdings einen echten Sonnenuntergang erleben werden, ist sehr zweifelhaft. Von Westen zieht schon wieder eine dicke Wolkenbank heran. Als dann Bus auf Bus heranrollt und die zahlenden Massen den Aussichtspunkt überschwemmen, machen wir uns auf den Rückweg.

Auch das gibt es im Outback Auch das gibt es im Outback © 1993-2017 Bernd Runde

Die Sonne ist tatsächlich, ohne Rücksicht auf den Touristenstrom, eine halbe Stunde vor ihrem offiziellen Untergang hinter der Wolke verschwunden, und schwarze Nacht senkt sich über die Wüste.

Nach dem Abendessen erleben wir es dann erstmalig am eigenen Leib’, was es bedeutet, wenn über der Wüste ein Gewitterregen niedergeht. Es schüttet wie aus Kübeln, und Serien von Blitzen erhellen die Szenerie vom ‘Weltuntergang’. Bis auf die Haut durchnässt kommen wir in unserem Bungalow an. Gut zu wissen, dass solche Ereignisse nur von kurzer Dauer sind.

Zum Greifen nah - die Olgas (Kata Tjuta) Zum Greifen nah - die Olgas (Kata Tjuta) © 1993-2017 Bernd Runde

Obwohl sie zum Greifen nahe erscheinen, benötigen wir über eine Stunde, um die Olgas zu erreichen. Es ist noch immer bewölkt. Das scheint allerdings das ideale Wetter für einen ausgedehnten Marsch durch diese zu Unrecht so im Schatten des Uluru stehende Gebirgsformation zu sein. Schon auf der Hinfahrt faszinieren uns aus der Ferne die 30 dichtgedrängt stehenden Felsendome der Olgas, wie die Ansammlung einer ganzen Gruppe von Ulurus, im morgendlichen Licht. Ein Wandertrail führt unmittelbar vom Parkplatz hinein in die Welt der glatt gehobelten Felswände. Oft sind die nur spärlichen Wegmarkierungen auf den glatten Felsen nicht mehr auszumachen. Durch enge Schluchten zwischen den massigen bis zu 450 m über den Grund aufsteigenden Felsgebilden geht es bergauf und bergab. Herrliche Aussichten eröffnen sich, wann immer wir die Höhe eines Passes erreicht haben.

Die einzigartige Welt der glatt gehobelten Felswände Die einzigartige Welt der glatt gehobelten Felswände © 1993-2017 Bernd Runde

Als wir dann aus dem Labyrinth der dicht bei einander stehenden Kegel und damit auch aus ihrem Schatten herauskommen, spüren wir erst wieder, mit welcher Kraft die im Zenit stehende Sonne die Erde durchglüht. Wir stehen in einem riesigen Talkessel, der auf allen Seiten von den Rücken rundgeschliffener Felsmassive eingerahmt wird. Über allem spannt sich ein makellos blauer Himmel. Nach 3 Stunden sind wir wieder am Ausgangspunkt unserer Wanderung.

Das sind nur die sichtbaren 348 Meter des Uluru Das sind nur die sichtbaren 348 Meter des Uluru © 1993-2017 Bernd Runde

Uluru von fern, Uluru von nah, Uluru am Morgen, Uluru am Abend - da fehlt doch noch etwas, um unser Bild vom größten Monolithen der Welt zu komplettieren - ja natürlich, Uluru von vorn und Uluru von hinten. So drehen wir noch eine Runde im Auto um dieses gewaltige Gebilde, um es aus allen Richtungen und in jedem Licht zu erleben. Aus der Nähe betrachtet sieht man erst, dass seine Oberfläche gar nicht so glatt ist, wie sie zunächst erscheint. Viele Auswaschungen und Abbrüche verleihen ihm, besonders auf der östlichen ‘Rückseite’, ein wildzerklüftetes pockennarbiges Äußeres.

Pockennarbige Rückseite des Uluru Pockennarbige Rückseite des Uluru © 1993-2017 Bernd Runde

Der Mittelpunkt Australiens ist leider auch zu seinem touristischen Mittelpunkt geworden. Nirgends haben wir so viele Busse mit Besuchern aus aller Herren Länder gesehen wie hier. Dieses Bild von Australien haben wir nicht gesucht, und das hat uns auch bei früheren Reisen von einer Fahrt zum Uluru abgehalten. Wenn man aber hier steht, so unmittelbar vor diesem Felsbrocken, der sich 348 m über die ihn umgebende und z. Z. in voller Blüte stehende Wüste erhebt, dann kann man sich ihm nicht entziehen. Ganz früh sind wir gekommen, um den schwierigen Teil des Steilanstiegs noch in der Kühle des Morgens hinter uns zu bringen.

Alle wollen hinauf Alle wollen hinauf © 1993-2017 Bernd Runde

Immer eine Hand an der massiven Eisenkette, vorsichtig Schritt vor Schritt, steigen wir das glatte Felsgestein hinauf. Etwas außer Atem sind wir schon, als wir nach 20 Min. auf dem Plateau ankommen. Bis zum ‘Gipfel’ ist es zwar nur 1 km, aber wir benötigen dafür noch fast eine Stunde. Die Oberfläche des Monolithen weist viele tiefe Löcher auf, in denen noch das Wasser vom letzten Regenguss steht. Viele kleine glatte Kuppen müssen überwunden werden, auf denen selbst die Gummisohlen unserer Trekkingstiefel kaum Halt finden. Es ist ein erhebendes Gefühl hier oben zu stehen, 348 m über dem glattgebügelten Umland. Zum Greifen nahe erscheinen im Morgensonnenschein die immerhin 42 km entfernten Olgas. Im Dunst des Morgens gen Osten sind die Umrisse des Mt. Connor zu erkennen. Es weht eine frische Brise und die Hitze des beginnenden Tages ist noch nicht zu spüren.

Sicher ist sicher Sicher ist sicher © 1993-2017 Bernd Runde

Einzigartige Fernsicht Einzigartige Fernsicht © 1993-2017 Bernd Runde

Bevor wir mit den Vorbereitungen für den morgigen Reisetag beginnen, genießen wir noch einmal die einzigartige Frühlingsstimmung hier im Herzen Australiens. Wir schlendern durch die Hotelanlage, schwimmen einige Runden, entspannen auf der Liegewiese im Atrium des Hotels und sitzen zum Abschluss bei Kaffee und Tee in unserem gemütlichen Zimmer. Um 18:00 Uhr tobt wieder ein Gewittersturm über uns und den Uluru hinweg. Wo bleibt nur all das Wasser?

Noch ein tropischer Regenguss Noch ein tropischer Regenguss © 1993-2017 Bernd Runde

Einige Minuten vor 05:00 Uhr sind wir auf den Beinen. Pünktlich, wie beabsichtigt, starten wir um 06:00 Uhr Richtung Alice Springs. Es liegt eine wunderbare Stimmung über dem Land. Im Westen steht der Vollmond noch einen Fingerbreit über dem Horizont. Im Osten färbt sich ein schmaler Streifen des Himmels langsam rot. Über uns segeln vereinzelte Wolken am sonst sternenklaren Himmel. Das ist aber nur eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt unserer Abfahrt. Nach einer halben Stunde hat sich das Bild total gewandelt. Eine dicke Wolkenschicht spannt sich über das Firmament und verschluckt mit ihrem bleiernen Grau alle Farben des weiten Landes. Schwarz und schemenhaft huschen Bäume und Sträucher an uns vorüber. Als silberne Scheibe blinzelt ab und zu die Morgensonne durch den Hochnebel. Ab Curtin Springs stehen die Gräben links und rechts der Straße randvoll mit Wasser, hier muss es noch kräftiger gegossen haben als am Uluru. Durch viele ‘floodways’ tasten wir uns vorsichtig durch, denn Wassertiefen-Anzeiger wie an den Highways gibt es nicht.

Nicht alltäglich - Dichte Wolken über dem 'red center' Nicht alltäglich - Dichte Wolken über dem ‘red center’ © 1993-2017 Bernd Runde

Auf dem Stuart Highway geht es dann etwas flotter voran, auch wenn hier noch alle Senken randvoll unter Wasser stehen. Im Finke River wälzt sich eine rotgelbe Schlammbrühe talwärts. Wo sich vorige Woche die Brücke noch über ein ausgetrocknetes Flussbett spannte, reichen die Fluten heute bis an die Fahrbahn.

Auch der Finke River ist randvoll Auch der Finke River ist randvoll © 1993-2017 Bernd Runde

Plötzlich strahlt auch die Sonne wieder und die restliche Strecke führt durch trockenes Buschland, das von den Regenfällen der letzten Tage nicht einen Tropfen abbekommen hat. Laut Hinweisschild im Auto ist ab 110 km/h eine Geschwindigkeitsbegrenzung wirksam. Wie sich jedoch bei unserer flotten Fahrt herausstellt, arbeitet der Begrenzer schon bei 103 km/h. So nimmt es nicht Wunder, dass wir für die 450 km bis Alice Springs genau 4,5 Stunden benötigen. Zunächst atmen wir aber tief durch, als wir rechtzeitig am Flughafen eintreffen. Der Flug geht planmäßig und 2 Stunden später landen wir im schwülwarmen Darwin.


Western Australia abseits der ‘großen’ Straßen

22 Tage Westaustralien im Buschcamper bis Perth (6.760 km)

Orte, Distanzen Western Australia (02.-24.10.93)

Im 4WD-Buschcamper über die Gibb River Road nach Broome.

*Unser Motto für die nächsten Wochen lautet: Eine einzigartige Natur unter extremen Bedingungen genießen. Wann immer möglich, wollen wir morgens und nachmittags die Landschaft erwandern und die Gegend um unseren jeweilige Standort erkunden, und während der glühenden Mittagshitze die täglich geplanten Kilometer zurücklegen. Deshalb sind wir auch schon sehr früh am Morgen bei ‘Brits Rentals’, um unser Heim für die nächsten Wochen in Empfang zu nehmen. Gestern hatten wir uns noch erkundigt, ob wir auch schon vor der offiziellen Geschäftsöffnung erscheinen können. Wenn wir das nicht gemacht hätten, wären wir wohl erst mittags aus Darwin weggekommen. Fast 2 Stunden dauern die Formalitäten, Übergabe und Einweisung, ehe wir uns mit unserem neuen Gefährt, einem 4,2-Liter-Landcruiser-Campmobil, in die nächsten Abenteuer stürzen können. ‘Wenn Ihr Probleme auf dem Weg bis Broome habt, dann ruft uns an. Von Broome bis Perth ist dann unser Büro in Perth für Euch zuständig’. Wie beruhigend, zu wissen, dass man Hilfe anfordern kann. dass wir auf den nächsten 1.000 km nur drei Stellen passieren, von denen aus überhaupt telefoniert werden kann, wissen wir zu dieser Zeit ja noch nicht.*

Die Verkehrsführung in Darwin ist uns ja schon geläufig, und so sind wir kurz darauf auf dem Stuart Highway, um zügig Katherine anzusteuern. Bei der Fahrt im klimatisierten Wagen durchs hügelige Buschland merken wir noch nichts von den klimatischen Veränderungen außerhalb. Als wir jedoch in Katherine den Wagen verlassen, umgibt uns trocken-heiße tropische Hitze, welch eine Veränderung zum nur 300 km entfernten subtropisch-schwülwarmen Darwin.

Grasland und Baobab-Bäume Grasland und Baobab-Bäume © 1993-2017 Bernd Runde

In Supermarkt und an der Tankstelle finden wir alles, um die Erstbestückung des Campers mit Lebensmitteln, Getränken und vor allem Eis vorzunehmen. Auch beide Tanks (ca. 140 l Diesel) und die Trinkwasserbehälter werden randvoll gefüllt. Auf dem Victoria Highway geht die Fahrt jetzt in westlicher Richtung nach Kununurra weiter. Es ist eine recht monotone flache Graslandschaft mit wenigen niedrigen Bäumen. Zum erstenmal sehen wir auch einige Rinderherden. Die Tiere stehen dicht gedrängt, um sich gegenseitig Schatten zu spenden, in der Gluthitze, der erbarmungslos das Land ausdörrenden Mittagssonne. Die einzige Abwechslung in diese Monotonie bringen die Farben der Landschaft: von gelb bis dunkelbraun-rot ist der Boden, das Laub der Bäume schimmert von silbrig- weiß bis dunkelgrün, im Kontrast dazu die weißen Stämme der Eukalypten, die sich wie gebleichte Gerippe in den blauen Himmel recken, an dem die eine oder andere weiße Wolke wie ein unschuldige Lämmchen dahinsegelt. Nach 130 km bringen dann vereinzelte Hügelketten etwas Abwechselung in die Monotonie.

Rinderherde sucht Schatten in der Mittagsglut Rinderherde sucht Schatten in der Mittagsglut © 1993-2017 Bernd Runde

Eine 20 km lange Baustelle gibt einen interessanten Einblick in die Art und Weise, wie man hier Straßen erneuert, bzw. alte Tracks zu Highways ausbaut. Es ist ja Platz genügend vorhanden und so schlägt man einfach eine neue Trasse ins Gelände, Brücken führen über die ‘floodways’ oder riesige Kanalröhren unterqueren die neue Straße, um die Wassermassen der Frühjahrsregenfälle gefahrlos ableiten zu können. Der alte Victoria Highway fungiert überall für Umleitungen und Zubringer zu den Bauabschnitten. Es wird nicht mehr lange dauern, und niemand weiß mehr, unter welchen Strapazen sich der Verkehr hier oben im Norden bis heute abgespielt hat. 25 km vor dem für heute ins Auge gefaßten Etappenziel wird es plötzlich bergig. Rote schroffe Felswände säumen die Straße. Es geht hinunter in eine Senke, wir erreichen ‘Red Valley’, das Tal des Victoria River.

Eine Tankstelle, eine Hütte und ein riesiges Schild ‘Caravan Park’, das muss Victoria River Inn sein. Wir beschließen, nach etwas über 500 km die erste Tagesetappe zu beenden. Für 2 A$ pro Person können wir uns einen Platz im weiten Areal eines Eukalyptuswäldchen suchen. Noch zwei Wagen verlieren sich auf dem riesigen Gelände. Die damit verbundenen Umstände können uns nicht abhalten, zunächst den schon zur guten Gewohnheit gewordenen Nachmittagskaffee zu ‘zelebrieren’. Schnell ist die Bordküche in Betrieb und wir sitzen bei Keks, Tee und Kaffee im Schatten eines großen Baumes. Die Ruhe in abgeschiedener Natur hatten wir uns allerdings etwas anders vorgestellt; an den ohrenbetäubenden Lärm der Kakadus in den Wipfeln über uns, werden wir uns wohl gewöhnen müssen.

Tafelberge und Baobabs beherrschen das Landschaftsbild Tafelberge und Baobabs beherrschen das Landschaftsbild © 1993-2017 Bernd Runde

Obwohl die Hitze nicht nachgelassen hat und wir uns trotz offener Fenster im eigenen Saft gedreht haben, wachen wir ausgeruht vom Morgengesang der Vögel auf. Durch den Canyon des Victoria River mit seinen roten Steilwänden starten wir zur Fahrt durch eine wesentlich abwechslungsreichere Landschaft als gestern. Kurz hinter Timber Creek folgen wir dem Lauf des recht mächtigen Victoria River. Oder sollten das etwa auch hier schon die Wassermassen der ersten Sommerregenfälle sein? Dann tauchen immer öfter die für die Kimberleys typischen Flaschenbäume (Boab) auf. Auch das Landschaftsbild ändert sich grundlegend. Die Berge erscheinen fast ausnahmslos als flache ‘Tafelberge’, da dicke Gesteinsplatten die Erosion verhindern. Der Highway ist auf weiten Strecken noch nicht ausgebaut und oft nur einspurig zu befahren. Was aber nicht weiter stört, es kommt ja sowieso niemand.

Nach 267 km passieren wir die Grenze zu Western Australia. Tatsächlich, hier, mitten in der Wildnis, gibt es nicht nur eine Grenze, auch ein echter Grenzposten macht Einreisekontrollen. Er will aber nicht wissen, wer die Grenze passiert, ihn interessiert nur das ‘was’. Die Einfuhr von Obst und Honig nach Western Australia ist nämlich streng verboten. Wir fahren heute nicht zum Lake Argyl, diesem Stausee, der geschaffen wurden, um das fruchtbare aber wasserarme Land in der Region um Kununurra künstlich zu bewässern. Unser Ziel ist der ‘Kona Caravan Park’ in landschaftlich schöner Lage direkt am Lake Kununurra, westlich der Stadt.

Abendstimmung im Camp am Lake Kununurra Abendstimmung im Camp am Lake Kununurra © 1993-2017 Bernd Runde

Im Gegensatz zu gestern herrscht hier reger Betrieb. Der in einer parkähnlichen Landschaft unter riesigen schattenspendenden Bäumen gelegene Platz wird nicht nur von Durchreisenden, sondern auch stationär von Dauerurlaubern genutzt. Wir stehen direkt am See und sind auch noch vor dem Auspacken im Wasser. Welcher Genuss, Hitze und Staub im klaren Wasser abzuspülen. Warum alle Leute nur bis zum Bauchnabel im Wasser stehen und nicht schwimmen, erfahre ich erst morgen - es soll hier Krokodile geben. Die romantische Stimmung eines Sonnenuntergangs beschließt diesen Tag. Mücken fallen bei Einbruch der Dunkelheit zu tausenden über uns her. Wieder heißt es: Türen und Fenster schließen. Nur durch die Fliegengitter dringt dann gegen Morgen etwas kühlere Seeluft zu uns herein.

Der Pilot dreht eine Schleife über dem Tal des Ord River Der Pilot dreht eine Schleife über dem Tal des Ord River © 1993-2017 Bernd Runde

Gleich bei der Ankunft habe ich einen 2-Stunden-Rundflug (ca. 120 A$) zu den ‘Bungle Bungle’ gebucht. Um 06:15 Uhr stehe ich bereit, um eine der angeblich beeindruckendste Landschaft Australiens erleben. Auf dem Camp herrscht noch nächtliche Ruhe. Der versprochene Bus zum Flugplatz kommt nicht und ich werde unruhig. Sollte etwa meine Uhr verkehrt gehen? Es dauert ein Weilchen, bis ich dahinterkomme, dass es wirklich an meiner Uhr liegt. Ich habe mich nicht auf westaustralische Sommerzeit eingerichtet und bin der Zeit 1,5 Stunden voraus. Nach ‘neuer’ Zeit ist der Bus dann pünktlich. Die kleine 4-motorige Maschine dreht zunächst eine Runde über die Plantagen rund um Kununurra, über das Tal des Ord River mit dem Lake Kununurra. Wir überfliegen den mit seinen vielen Seitenarmen weit ins Land reichenden Lake Argyle und das riesige Loch einer Diamantenmine, ehe in der Ferne die ersten so fremdartig wirkenden Bergkegel der Bungle Bungle auftauchen.

Lake Argyle aus der Luft Lake Argyle aus der Luft © 1993-2017 Bernd Runde

Aus der von hier oben zumindest sehr flach wirkenden Landschaft erheben sich dicht aneinander gedrängt unzählige rundgeschliffene Bergkegel. Nur in den Tälern ist eine spärliche Vegetation auszumachen. Die Formationen wirken wie mit einem Überzug versehen. Der Pilot kreist über dem Gelände und wir genießen den Einblick in eine wie auf einem anderen Stern wirkende exotische Bergwelt.

Die Bungle Bungle im Purnululu-Nationalpark Die Bungle Bungle im Purnululu-Nationalpark © 1993-2017 Bernd Runde

Die Bungle Bungle im Purnululu-Nationalpark Die Bungle Bungle im Purnululu-Nationalpark © 1993-2017 Bernd Runde

Nach der Rückkehr sehen wir uns noch etwas in der kleinen aufstrebenden Stadt um. Im Polizeirevier erkundigen wir uns nach dem Zustand der Gibb River Road. Es gibt keine Informationen über außergewöhnliche Straßenzustände. ‘Mit 4WD befahrbar’, heißt es nur. Bei einer Wanderung im nahegelegenen Hidden Valley bietet sich aus nächster Nähe ein unmittelbarer Kontakt mit Bergformationen, wie sie in den Bungle Bungle vorherrschen. Die Sandsteingebilde sind wirklich mit einer gestreiften harten dunklen Masse überzogen, die sie gegen Verwitterung schützen. Die Hitze in der Steinwüste ist allerdings unerträglich. Bei 45°C ziehen wir es vor, unseren Rundgang nicht unnötig in die Länge zu ziehen.

Wanderung im Hidden Valley Wanderung im Hidden Valley © 1993-2017 Bernd Runde

Dagegen wirkt der Park des Caravanplatzes durch die Nähe des Sees direkt wie eine erholsame Oase. Wir nutzen die Möglichkeit, in all’ den exotischen Bäumen die einheimische Vogelwelt zu beobachten. Mit einem erfrischenden Bad im Lake Kununurra bringen wir uns dann in die rechte Stimmung, um die Vorbereitungen für die Weiterfahrt in Angriff zu nehmen. Öl, Wasser, Diesel, Kühlung und Reifendruck sind in Ordnung. Das Innere unseres Gefährts wird mit einer kräftigen Dusche Anti-Insekten-Spray eingenebelt, das wir dann 1 Stunde einwirken lassen.

Das war eine wesentlich angenehmere Nacht ohne das aggressive Summen blutrünstiger kleiner Sauger. Vergnügt und munter wachen wir auf. Am Tankverschluss des Autos hat sich eine 20 cm lange Gottesanbeterin festgehakt. Es dauert ein Weilchen, bis wir sie in einen Baum umgesetzt haben. Für die kommenden Tage müssen wir uns noch mit Bargeld versorgen, sicher ist sicher. Pünktlich um 09:30 Uhr stehen wir vor der Bank, als diese gerade ihre Pforten öffnet. Fünf Minuten später sind wir wieder auf Achse.

Die Kimberleys Die Kimberleys © 1993-2017 Bernd Runde

Über den Ord River-Damm verlassen wir Kununurra in Richtung Wyndham und durchqueren dabei noch einmal die großen Plantagen rund um die Stadt. Der heiße Südwind von gestern hat sich gelegt. In nördlicher Richtung steuern wir auf die östlichen Ausläufer der Kimberleys zu. Schier endlos durchschneidet die Straße, wie am Lineal gezogen, das baumbestandene Land. Wie Geisterarme recken sich die weißen Äste der Gum Trees in den strahlend blauen Himmel. Nach 51 km zweigt links die Gibb River Road ab. Wir nehmen uns Zeit, all’ die Hinweis- und Warnschilder am Anfang der Straße zu lesen. Dabei fällt mir der Spruch des Autovermieters ein: ‘Rufen Sie uns an, wenn Sie Probleme haben.’ In den nächsten Tagen dürfte das Problem bei auftauchenden Problemen wohl darin bestehen, ein Telefon zu finden.

Das Abenteuer Gibb River Road beginnt Das Abenteuer Gibb River Road beginnt © 1993-2017 Bernd Runde

Dann heißt es: alle Fenster schließen, Klimaanlage auf Außenluft stellen, den Vierradantrieb aktivieren und noch einmal überprüfen, ob alles Gepäck ‘rüttel- und hüpfsicher’ verstaut ist. Es folgen 125 km, die uns ein absolut neues Fahrgefühl vermitteln, obwohl wir nicht das erste Mal in Australien sind und auch nicht das erste Mal ‘gravelroad’ fahren. Die Durchquerung des Pentecoast River gestaltet sich harmloser als angenommen, die Furt ist trocken. Trocken ist auch der Bindoola Creek. Also hat es hier oben noch keine Frühjahrsregenfälle gegeben.

Gefährliche Kurven im Tiefsand Gefährliche Kurven im Tiefsand © 1993-2017 Bernd Runde

Die ‘gravelroad’ ist stellenweise in recht miserablem Zustand, und die Querrillen im Waschbrett erreichen 10 cm Tiefe. Aber auch Sandlöcher, speziell in und hinter Kurven, verlangen volle Konzentration. ‘Jack’s waterhole’, das ist die Markierung zur Durack River Homestead. Hier finden wir unmittelbar am Fluss, inmitten einer einzigartigen Natur, unter riesigen ‘paperbark’-Bäumen einen schönen Platz für die Nacht (mit Duschen und WC).

Im Camp 'Jacks Waterhole' am Durack River Im Camp ‘Jacks Waterhole’ am Durack River © 1993-2017 Bernd Runde

Noch glänzt silbern die Nachmittagssonne im stillen Wasser des Flusses und bunte Eisvögel huschen durch die niedrig hängenden Äste der Bäume am Ufer. Schnell bricht aber die kurze Abenddämmerung herein, und dann sitzen wir unter den funkelnden Sternen des südlichen Nachthimmels. Eine einmalige Faszination geht von dieser Stimmung in der Abgeschiedenheit des großen Landes aus.

Schon um 05:00 Uhr sind wir munter und erwarten den erwachenden Tag. Als eine Stunde später die Sonne über den Horizont steigt, haben wir schon gefrühstückt und sind startklar. Auch heute geht die Fahrt recht langsam voran. Für die ersten 30 km bis zur Furt durch den Durack River brauchen wir 1 Stunde. Es muss lange her sein, dass der ‘grader’ das letzte Mal die Waschbrettpiste gehobelt hat. Auch die Furt durch den an Jack’s Waterhole noch mächtig wirkenden Fluss ist trocken. Die Landschaft ist durch den ständig wechselnden Bewuchs mit dichtem Buschwerk und hohen Eukalypten abwechslungsreicher als gestern.

Abwechslungsreiche Landschaft Abwechslungsreiche Landschaft © 1993-2017 Bernd Runde

Kurz vor unserem Tagesziel führt ein Abzweig zum Barnett Gorge. Diesen 8 km-Abstecher hätten wir uns sparen können, denn am Ende erwartet uns zwar ein felsiges Tal mit einem kleinen Pool, das aber durch wilde Camper in eine wahre Müllkippe verwandelt wurde.

Manchmal geht es recht zügig voran Manchmal geht es recht zügig voran © 1993-2017 Bernd Runde

An der Tankstelle der Mount Barnett Homstead hängt ein großes Schild: ‘Zur Zeit Mittagspause’. Nach einem kleinen Plausch mit einem älteren Aboriginal fahren wir dann, auch ohne Anmeldung, die letzten 7 km bis zu einem geradezu paradiesischen Campingplatz am Ufer des Manning River. Es herrscht tropische Hitze. Wir haben Glück und finden einen freien Platz unter einem riesigen Boab. Das ‘Badezimmer’ ist der von tropischer Vegetation eingerahmte und inmitten riesiger Felsbrocken liegende Pool, auf dem an flachen Stellen lila Seerosen blühen. Um 14:00 Uhr fahren wir noch einmal schnell zum ‘roadhouse’ ‘rüber, zahlen die Campinggebühren, und erfahren dabei einiges über Wanderwege am Manning River.

Geradezu paradisische Zustände im Camp am Manning River Geradezu paradisische Zustände im Camp am Manning River © 1993-2017 Bernd Runde

Hinter dem Billabong beginnt ein Trampelpfad, gekennzeichnet mit an trockene Zweige gesteckte Cola-Dosen. Es ist recht mühsam, dem für eine ca. 4-stündige Tour ‘ausgeschilderten’ Pfad in der wilden Landschaft der Berge und Klippen am Flussufer zu folgen. Wir kämpfen uns durch niedriges Gestrüpp. Die Fliegen sind ‘mal wieder unerträglich. Hinter jeder Felswand vermuten wir den ersehnten Abstieg in die Schluchten des Manning River. Dann ist der Punkt erreicht, dass Christa die Waffen streckt, sie hockt sich in den Schatten eines dickeren Baumstammes, und ich versuche, allein das ganz in der Nähe vermutete Ziel dieser Tour zu erreichen. Wieder führt der Weg steil abwärts, und dann liegen sie wirklich vor mir, die aneinandergereihten Pools mit kristallklarem Wasser im Manning Gorge, einer faszinierenden Felsschlucht.

Himmlischer Frieden im Manning Gorge Himmlischer Frieden im Manning Gorge © 1993-2017 Bernd Runde

Die Zeit von 4 Stunden hatten wir gedacht, mühelos unterschreiten zu können, um rechtzeitig wieder am Camp zu sein. Vergessen hatten wir dabei allerdings völlig, dass der Abend ziemlich plötzlich hereinbricht. So lassen wir uns auf dem Rückweg von der dem Horizont zustrebenden Sonne hetzen. Um 17:30 Uhr, die Sonne schickt gerade die letzten Strahlen über das ausgedörrte Land, erreichen wir völlig ausgelaugt unser Camp.

Bald ziehen wieder die leckeren Düfte der Mini-Küche aus der Hecktür des Geländewagens. Zum Tagesausklang sitzen wir unter ‘unserem’ Riesenboab, schreiben Tagebücher und lassen dabei den heutigen Tag noch einmal Revue passieren. Durch das kahle Geäst des Boabs funkeln die blinkenden Sterne des südlichen Nachthimmels.

Der neue Tag begrüßt uns um 05:00 Uhr mit einem wunderbaren Naturschauspiel. Herrliches Morgenrot färbt den Himmel und setzt sich in der spiegelglatten Oberfläche des Sees fort. Es ist, als ob ein riesiges Buschfeuer seine Gluten entfacht hat. In dieser Atmosphäre gehen wir hinüber zum See und genießen ein erfrischendes Bad als Morgenwäsche. Als wir an der Mount Barnett Homstead wieder die Gibb River Road erreichen, herrscht dort noch nächtliche Ruhe.

Ein Waran begrüßt uns im Adcock Gorge Ein Waran begrüßt uns im Adcock Gorge © 1993-2017 Bernd Runde

Auch die Furt durch den Durack River liegt trocken. Über dicke Felsbrocken, die den Untergrund des Weges befestigen, wenn der Fluss Wasser führt, überqueren wir auch den 2. Fluss dieser Tour ohne Komplikationen - etwas spritzen hätte es allerdings schon können. Nach 40 km erreichen wir einen Abzweig, der zur Adcock Gorge führt. Es sind 4 km bis in diese wunderbare Schlucht. Romantische Stille umfängt uns, und im Schatten der roten Steilwände spürt man noch etwas von der nächtlichen Kühle. Verträumt begrüßt uns ein Waran, der sich auf einem Stein mitten im Wasserloch von der Morgensonne durchwärmen lässt.

Dann geht es weiter auf dem roten Band der Gibb River Road. Der Weg erlaubt stellenweise ‘flottes’ Fahren (60…80 km/h). Nur vor und in den weiten Kurven heißt es aufpassen. Hier im aufgewühlten losen Sand entscheidet bei zu hoher Geschwindigkeit der Wagen und nicht der Fahrer wohin es weitergeht. Nach weiteren 19 km führt ein Weg zur 10 km entfernten Mount House Station mit Tankstelle und ‘store’. Wir ergänzen unseren Eisvorrat.

Auf der Mount House Station werden die Vorräte aufgefüllt Auf der Mount House Station werden die Vorräte aufgefüllt © 1993-2017 Bernd Runde

Bald wird die Landschaft erneut bergiger, es tauchen wieder die typischen Tafelberge auf, und wir erreichen die King Leopold Ranges. Die Straße führt durch palmenbestandene Täler und enge Schluchten. Ein markierter Abzweig weist den Weg in die Lennard River Gorge. Auch hier lohnt sich der grandiosen Landschaft wegen ein Abstieg in eine der Schluchten, die der Lennard River in das Felsmassiv gesägt hat. Bis hinunter zu den von wildzerklüfteten Steilwänden eingerahmten, wie Opale schimmernden Wasserlöchern schaffen wir es allerdings nicht. An der von uns gewählten Stelle erscheint der Abstieg doch etwas sehr waghalsig. Die Mittagsglut hält uns dann davon ab, noch nach einem anderen Abstieg zu suchen.

Wasserlöcher tief unten in der Schlucht des Lennard River Wasserlöcher tief unten in der Schlucht des Lennard River © 1993-2017 Bernd Runde

Nach weiteren ca. 60 km durchqueren wir eine von den Wassermassen unbeschreiblich heftiger Regenfälle zerfurchte Hochebene und verlassen die King Leopold Ranges. Durch die Napier Downs und die Napier Ranges erreichen wir nach 208 km erneut den Lennard River. Ein Wasserloch unter der Brücke ist gut zu erreichen und enthält noch ausreichend Wasser, um diese Gelegenheit für ein erfrischendes Bad wahrzunehmen.

Hochwasser-Spuren auf der Hochebene der Napier Downs Hochwasser-Spuren auf der Hochebene der Napier Downs © 1993-2017 Bernd Runde

Kurz hinter der Brücke zweigt dann links die Straße zum Windjana Gorge Nationalpark ab, und vor uns liegen die letzten 21 km dieser Tagesetappe. Unmittelbar vor einer zerklüfteten Steilwand am Ufer des Lennard River finden wir, bereits im Nationalpark, ein schönes Camp mit schattigen Plätzen. Ein unscheinbares handgeschriebenes Schild an der Einfahrt zum Nationalpark weist daraufhin, dass seit gestern die Rangerstation nicht mehr besetzt ist, das Camp aber allen Besuchern zur kostenlosen Nutzung zur Verfügung steht. ‘Nicht besetzt’ heißt aber auch, dass in den kleinen Holzkabinen die Duschen abmontiert sind. Wie gut, dass wir uns noch wenige Kilometer vorher im Fluss erfrischt haben. Die Erkundung der engen Schlucht verschieben wir auf Morgen. Heute lassen wir uns einfach von der einmaligen Atmosphäre gefangen nehmen. Bis tief in die Nacht will das Geschrei riesiger Kakaduschwärme, die das nahe Wasserloch aufsuchen, nicht verstummen.

Friedvolle Stille nach der Saison im Windjana Gorge Friedvolle Stille nach der Saison im Windjana Gorge © 1993-2017 Bernd Runde

Ein Erlebnis besonderer Art und gleichzeitig ein erholsamer Tagesstart ist ein morgendlicher Spaziergang durch die Windjana Gorge. Wir wandern am Ufer des Lennard River durch dichtes Gestrüpp wilder Passionsblumen und beobachten inmitten dieser tropischen Vegetation kreischende Schwärme weißer Kakadus, taumelnde Schmetterlinge und die träge im Wasser treibenden Süßwasserkrokodile. Nur zögernd und widerwillig treten wir den Rückweg an, man könnte hier einen ganzen Urlaub verbringen.

Am Ufer des Lennard River im Windjana Gorge Am Ufer des Lennard River im Windjana Gorge © 1993-2017 Bernd Runde

Die heutige Tagesetappe führt zunächst durch abwechslungsreiches Bergland. Nach 38 km über staubige Piste mit Schotter und losem Sand, auf allerdings festem Untergrund, erreichen wir den Tunnel Creek Nationalpark. Mit einer wasserdichten Taschenlampe steht einer Wanderung durch den teilweise brusthoch mit Wasser gefüllten 750 m langen Tunnel nichts im Wege und die Süßwasserkrokodile sind harmlos und scheu, das sagen zumindest die Aussies. Wir haben eine solche Taschenlampe nicht und sind auch bei Aussagen über ‘harmlose’ Krokodile etwas skeptisch, ob die ‘crocs’ das wirklich wissen.

Der Eingang zum Tunnel Creek Der Eingang zum Tunnel Creek © 1993-2017 Bernd Runde

Erfrischende Kühle im Tunnel Creek Erfrischende Kühle im Tunnel Creek © 1993-2017 Bernd Runde

Obwohl es erst 09:30 Uhr ist, brennt die Sonne wieder erbarmungslos vom strahlend blauen Himmel. Nachdem wir uns im Dunkel der Höhle abgekühlt haben, setzen wir unsere Fahrt fort. Es geht jetzt durch flaches Busch- und z. T. steppenartiges Grasland. Kurvenreich wird es noch einmal, als wir die letzten Ranges vor dem Great Northern Highway überqueren. Am Ende einer langen schnurgeraden Piste stoßen wir dann nach fast 800 km ‘gravelroad’ auf den geteerten Great Northern Highway (Nr.1). Das heißt dann auch, dass der 4WD wieder deaktiviert werden kann. Das spart eine Menge Diesel, wie wir später erstaunt feststellen. Das nächste Camp liegt in der ‘verkehrten’ Richtung am Highway. Wir biegen also nach links ab. Wie am Lineal gezogen durchquert der Highway die Landschaft. Man hat den Eindruck, das graue Band verschwindet irgendwo in der Unendlichkeit. Nach 46 km erreichen wir Fitzroy Crossing.

*Welches Glücksgefühl, nach Tagen wieder einen Ort zu erreichen, um alle Vorräte auffüllen zu können. Am Ortseingang führt der erste Abzweig direkt zum ‘store’, hier kann man sogar Gas für den Herd nachfüllen. In der ‘Old Crossing Inn’ gibt’s sogar das geliebte Forster Lager. Dann suchen wir den Abzweig zum Geiki Gorge Nationalpark. Über 100 km kutschen wir herum und suchen den richtigen Abzweig, ehe wir feststellen, dass es die Straße am ‘store’ vorbei ist, in der wir ja vorher schon waren.*

Kaum sind wir zurück in der Zivilisation, tauchen die ersten Problemchen auf. Im Nationalpark gibt es kein Camp. Das nächste Boot in die Geiki Schlucht fährt erst in einer Stunde. Eine Stunde herumlungern und dann noch ein Camp suchen, danach steht uns nicht der Sinn. Wir fahren zurück und stoßen am östlichen Ortsausgang von Fitzroy Crossing auf ein Juwel. Der Caravan Park der Fitzroy River Lodge ist eine phantastische weitläufige, gut gepflegte und grüne Anlage. Das ist die richtige Umgebung, um ‘klar Schiff’ zu machen. Zunächst gibt’s ‘tea for two’ und dann entwickeln wir ausgesprochenen Tatendrang. Als die Sonne untergeht, haben wir alle Spuren des roten Staubs beseitigt. Die große Wäsche hängt auf der Leine, das Auto ist gewaschen und in unserem Gepäck herrscht auch wieder Ordnung.

Früh wollen wir los, da eine lange Etappe vor uns liegt. Um 04:30 Uhr sind wir schon auf den Beinen. Die frühe Abfahrt können wir aber gleich wieder streichen. Schreck in der Morgenstunde, der erste Reifenwechsel ist fällig. Irgendwo haben wir uns einen 8 cm langen Schlitz in der Reifendecke eingefangen. Unser Bemühen, einen neuen Reifen aufzutreiben, geben wir schnell wieder auf. Vor 09:00 Uhr ist die einzige Werkstatt nicht geöffnet. Wir riskieren es und fahren ohne Ersatzreifen los, 400 km werden wir hoffentlich ohne weiteren ‘Plattfuß’ überstehen.

Es ist 07:15 Uhr und wir genießen auch auf diesem Streckenabschnitt wieder das Gefühl, Australien gehöre uns allein. Es geht durch flaches Grasland mit leichtem Baumbestand gen Westen. Den Reiz dieser Landschaft bilden die ständig wechselnden Farben der Bäume und Büsche, die das Landschaftsbild prägen. Hellgrüne und dunkelgrüne Sträucher, rotbraune Fruchtkapseln, weiße Baumstämme, dunkle Baumstämme, silbergraue und silberweiße Blätter, gelbes Gras, grünes Spinifex und immer wieder und überall rote Erde bilden eine einzigartige Harmonie, wie sie nur die Natur bieten kann. Termitenhügel in allen Größen, Farben und Formen und hin und wieder ein Boab, verstärken den Eindruck des Fremdländischen. Weiße, schwarze, rosa Kakadus und ab und zu auch ein Adler sitzen in den Bäumen am Straßenrand und beobachten den spärlichen Verkehr. Am Straßenrand sprießen die ersten lila Blüten-Puschel in großen Flächen und zeugen vom nahenden Frühling, obwohl die tiefen Gräben und steinigen Creeks noch wasserleer sind. Ihre Größe lässt aber erahnen, welche Wassermassen während der ‘wet’ das Land überfluten. Kein Haus, kein Dorf, das einzige Zeichen von Besiedlung ist ab und zu ein Wegweiser an einem roten Feldweg, der irgendwohin in die Prärie zu einer ‘homestead’ führt. Nicht die kleinste Wolke belebt das Blau des all’ dies überspannenden Himmels.

Noch sind es nur kleine Wasserlöcher, die die Flussläufe füllen Noch sind es nur kleine Wasserlöcher, die die Flussläufe füllen © 1993-2017 Bernd Runde

Auf den meisten Abschnitten der Straße sieht man schon 3 oder mehr Kilometer voraus den Gegenverkehr auftauchen. Auf einer Strecke wie Kassel-Frankfurt überholen wir 10 Caravan-Gespanne und drehen vielleicht 40 mal die Handfläche der linken Hand nach vorne, als Gruß für die Entgegenkommenden. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl von Unberührtheit, Unabhängigkeit und Freiheit.

Nach 220 km stoßen wir auf die Straße nach Derby. Da sich in unserer Situation ohne Ersatzreifen jeder Umweg verbietet, biegen wir nach links ab und nehmen den direkten Weg nach Broome. Diese noch knapp 200 km führen zunächst durch das Mündungsdelta des Fitzroy River und dann durch weites flaches Tiefland. Die ungeheuren Wassermassen der Regenzeit haben tiefe Narben in der Landschaft hinterlassen. Meterhohen Uferböschungen säumen die ausgetrockneten Flussläufe in denen kleine Tümpel die Trockenzeit überstanden haben. Auf riesigen Sandbänken sammeln sich Unmengen abgestorbener und angeschwemmter Baumstämme. An einigen Stellen sind die Furten durch die Flüsse noch erkennbar und auch die Sammelplätze der Siedler und Abenteurer, die manchmal monatelang warten mussten, ehe ein Fluss nach der Regenzeit wieder passierbar war. Inzwischen haben Brücken der Fahrt durch diesen Teil Australiens das abenteuerliche genommen. Wir überqueren noch einige dieser ‘Regenzeit-Flüsse’, ehe wir am Roebuck Roadhouse nach Broome abzweigen, allerdings nicht, ohne vorher die Tanks wieder zu füllen. Die letzten 38 km sind wieder ein wie an der Schnur gezogenes endlos erscheinendes Straßenband, das sich irgendwo in der Ferne in der flimmernden Luft des Horizonts auflöst.

Einsamkeit an Nord-West-Australiens faszinierender Küste.

Es ist genau 12:00 Uhr, als wir bei Toyota in Broome auf den Hof rollen. Natürlich hat man den richtigen Reifen vorrätig, nur mit der Montage wird es schwierig. Es ist Sonnabend und alle Monteure sind im Begriff, sich ins ‘weekend’ zu verabschieden. Mit viel Überredungskünsten kann ich dann doch noch jemanden bewegen, uns aus der Patsche zu helfen und nach 12 Stunde sind wir wieder 5-fach bereift. Es folgt ein kleiner Bummel durch die einstige chinesische Perlenfischer-Siedlung, die im Begriff ist, sich zu einem netten kleinen Touristen-Städtchen zu entwickeln. Ein schnelles Lunch in einem Schnellimbiss ruft nicht gerade Begeisterungsstürme hervor, aber wir haben wenigstens etwas im Magen.

Bummel durch Broome Bummel durch Broome © 1993-2017 Bernd Runde

Dafür ist unsere Begeisterung größer, als wir den Cable Beach Club erreichen. Diese herrlich gelegene Anlage, mit einem großen, zu unserer Überraschung aber auch sehr vollen Caravan-Camp, unmittelbar an den Gestaden des Indischen Ozeans, verspricht einige erholsame Tage. Nach Tagen sengender Hitze im roten Staub Nord-Australiens sind wir nicht mehr zu halten. Schnell die Badesachen übergestreift, und schon sind wir auf dem Weg zum nahen Meer. Es ist ein Hochgenuss in der Brandung des Indischen Ozeans herumzutollen und im klaren warmen Wasser zu schwimmen. Bei einem ausgedehnten Strandspaziergang werden uns die Dimensionen dieses abgelegenen Paradieses erst so richtig bewusst. Zurück am Camp beraten wir dann bei Kaffee und Tee das Programm für die nächsten Tage. Sicher ist schon jetzt, dass wir hier etwas länger bleiben, als ursprünglich geplant. Es besteht ja kein Grund zur Eile, auch wenn noch 2.400 km bis Perth vor uns liegen.

Dichte Wolken verdecken den Himmel, als wir, es ist gerade 05:30 Uhr, den neuen Tag begrüßen. Sollte uns die Regenzeit etwa doch noch einholen? Nein, sie wird nicht, schon eine Stunde später spannt sich ein makellos blauer Himmel über das Land. Wir bestellen noch für eine weitere Nacht einen Stellplatz, allerdings nicht an der gleichen Stelle. Das Gedudel des Fernsehers im Zelt neben uns, könnte womöglich unseren Eindruck über Australien und Australier arg ramponieren. Heute Abend soll die Bordküche geschlossen bleiben und wir lassen uns im nahen Hotel für’s Restaurant ‘Lord Macs’ einen Tisch zum Abendessen reservieren. Dann machen wir uns auf, um das reizvolle Städtchen Broome zu erkunden. Welch eine Enttäuschung, dem netten kleinen Ort fehlt jegliche Atmosphäre. Es ist Sonntag, alle Geschäfte geschlossen, nur ein paar Touristen schleichen orientierungslos wie wir durch die Straßen der alten Perlenfischersiedlung. Die hübschen bunt gestrichenen Fischerhütten und Bootsschuppen sind zwar schön anzusehen, aber es wirkt alles tot, fast wie eine Filmkulisse.

Die alte Perlenfischer-Siedlung hat sich gewandelt Die alte Perlenfischer-Siedlung hat sich gewandelt © 1993-2017 Bernd Runde

Mit Farben Faszination und Stimmung verbreiten, das kann die Natur doch wesentlich besser. Über eine staubige Gravelroad erreichen wir Kap Gantheaume. Das ist Bilderbuch-Australien auf kleinstem Raum. Zerklüftete Felsklippen erstrahlen in tiefem Dunkelrot. Noch nirgends haben wir das Rot dieses Kontinent so intensiv erlebt. Das türkisfarbene Meer donnert mit Urgewalt gegen die Küste, um in silbern-weißer Gischt in der klaren Luft über dem in der Hitze flimmernden Gestein zu zerstäuben. Nach Norden hin erstreckt sich das weiße Band des Sandstrandes von Broome, der sich irgendwo in der Ferne auflöst.

Einzigartige Landschaft am Kap Gantheaume Einzigartige Landschaft am Kap Gantheaume © 1993-2017 Bernd Runde

Die Küste in imposanten Farben am Kap Gantheaume Die Küste in imposanten Farben am Kap Gantheaume © 1993-2017 Bernd Runde

Direkt hinter dem Parkplatz am Motel gibt es eine Zufahrt zum Strand. Ab hier ist der nördliche Abschnitt für Autos freigegeben. Wir fahren mit dem Buschcamper direkt an den Strand und dann einige Kilometer nordwärts, wohin sich nur wenige der Strandbesucher verlaufen haben. Wir machen uns zu einem erholsamen und langen Spaziergang den faszinierenden Strand des Cable Beach entlang auf. Es ist ein unendlich erscheinender breiter Sandstrand, auf den die weißen Kämme der Wellen sanft auflaufen. Zur Landseite begrenzen ihn weiße mit lichtem Buschwerk bestandene Sanddünen, über die einzelne Palmen hinweglugen. Mittagessen gibt es aus der Bordküche. Den Nachmittag verbringen wir dann im Schatten des Campers, soweit die fast senkrecht stehende Sonne überhaupt Schatten wirft. Es ist trotz einer leichten Brise unerträglich heiß. Die einzige Kühlung erzeugt das leise Rauschen des Meeres.

Broomes faszinierender Strand 'Cable Beach' Broomes faszinierender Strand ‘Cable Beach’ © 1993-2017 Bernd Runde

Noch einmal fahren wir am nächsten Morgen in den Ort, um einige Besorgungen zu erledigen, und um unsere Eindrücke von Broome mit der Atmosphäre eines Alltags zu vervollständigen. Bis 14:45 Uhr genießen wir dann ein weiteres Mal die herrliche Landschaft am heute wesentlich ruhigeren Cable Beach.

Der Betrieb auf dem überlaufenen Camp gefällt uns allerdings wesentlich weniger, als die ihn umgebende Landschaft. Es gibt noch einen Geheimtipp. Eine 12 Stunde reicht für den Ortswechsel in den Bird Observatory Park. Wir fahren durch Broome die Straße zurück, auf der wir vorgestern gekommen sind. Nach einigen Kilometern zweigt eine breite ‘gravelroad’ rechts ab zur nördlichen Küste der Roebuck Bay.

Unser Geheintip, die Roebuck Bay Unser Geheintip, die Roebuck Bay © 1993-2017 Bernd Runde

In diesem ‘Park’ gibt es ein einsames kleines Camp mitten im Busch. Ein Schild verkündet: ‘Das Büro des Observatoriums ist montags geschlossen. Führungen zur Vogelbeobachtung sind von Ebbe und Flut abhängig.’ Wir brauchen ja kein Büro, also suchen wir uns den schönsten von 11 Stellplätzen aus und richten uns häuslich ein. Dann schleichen wir uns durch die Büsche und erreichen auf einem Trampelpfad die Küste. Auf einem breiten Wattstreifen tummeln sich Pelikane, Austernfischer und Hunderte anderer See- und Watvögel, sogar ein Jabiru, der Schwarznackenstorch, ist darunter. Die Roebuck Bay ist Sammelpunkt für viele Zugvögel aus Sibirien auf ihrem Weg noch weiter nach Süden. Ein Paradies nicht nur für die Kamera.

Australien pur an der Roebuck Bay Australien pur an der Roebuck Bay © 1993-2017 Bernd Runde

Als wir später noch im Gelände herumstrolchen, taucht auch der Leiter der Vogelwarte auf, um uns willkommen zu heißen. Wir erzählen ihm, dass wir den Tipp zum Besuch dieses Vogelparadieses aus einer deutschen Fersehsendung mit Blacky Fuchsberger haben. Wenige Minuten später erscheint dann seine Frau, eine Deutsche, und wir sind in ein angeregtes Gespräch verwickelt. Nach fast 4 Wochen ist das unsere erste deutsche Unterhaltung. Danach sitzen wir noch lange in einer kleinen Hütte und beobachten die einheimische Vogelwelt. Auch ein besonderer Schreihals, der ‘Friarbird’, kommt uns vor die Linse.

Die Temperatur sinkt nachts auf angenehme 20°C (36°C hatten wir tagsüber). Es ist eine wunderbare Nacht hier draußen mitten im Busch, zumal wir die einzigen Besucher des Camps sind. Noch vor Sonnenaufgang sitzen wir wieder im Vogelbeobachtungs-Häuschen und bekommen noch einige der sehr scheuen Schwarzwangen-Kängurus zu Gesicht. Es ist ein himmlischer Morgen. Später erscheinen dann einige Leute, die über die Tourist-Info eine Wattführung gebucht haben. Wir schließen uns an, müssen aber feststellen, dass uns der Abendbummel gestern mehr gebracht hat. Um 09:30 Uhr brechen wir dann auf, um unsere Tour gen Süden fortzusetzen.

Buschfeuer im Outback Buschfeuer im Outback © 1993-2017 Bernd Runde

Die Fahrt geht zunächst durch sumpfiges Grasland, über dem die flimmernde Hitze steht und als Fata Morgana große Seen und Mangroven-Wälder an den Horizont projiziert. Dann durchschneidet das graue Band des Highways mit seinen breiten rotsandigen Feuerschutzstreifen das Grün des Buschlandes wie mit dem Messer. Bei einem Tempo von 90…95 km/h genießen wir Einsamkeit und Ruhe. Viele 30 bis 40 km lange Abschnitte ohne auch nur die kleinste Kurve sind sehr ermüdend und erfordern gerade wegen des geringen Verkehrs volle Konzentration. Wir bewegen uns am Rande der ‘Großen Sandwüste’, von der wir 40 km vor dem Sandfire Roadhouse die östlichen Ausläufer, die Sandfire Flats durchfahren. Absolut tot erscheinende ‘saltbush’-Wüste umgibt uns. Die Straße flimmert in der Mittagsglut. Von der Küste weht ein starker Wind herüber und drückt kräftig gegen unser Gefährt.

Ein 'road train' am Sandfire Roadhouse Ein ‘road train’ am Sandfire Roadhouse © 1993-2017 Bernd Runde

Irgendwo rechts von uns ist das Meer. Von Greg hatten wir den Tipp, unbedingt einen Abstecher dorthin zu machen, nur leider sind alle Wege, die rechts abzweigen, mit Hinweisschildern versehen: ‘Privat, keine Durchfahrt zur Küste’. Nach dem Roadhouse sind es dann noch 45 km, bis ein kleiner Sandweg nach rechts abzweigt, der nicht gesperrt ist. Er führt zu einem Camp am Eighty Mile Beach. Ein lohnender Abstecher in die Einsamkeit, wie wir nach 10 km feststellen. Ein schöner und gepflegter Caravanpark liegt direkt hinter mächtigen Dünen, die den Blick aufs Meer verwehren. Als wir dann die Dünen übersteigen, liegt uns ein Paradies zu Füßen. Es ist nur ein kleiner Abschnitt der ‘eighty miles’, den man übersieht, aber das, was man sieht, ist überwältigend. Weiter einsamer Sandstrand voller Watvögel, die eifrig hin und her eilen und im feuchten Sand der Uferzone nach Nahrung stochern.

Einsamkeit am 'Eighty Mile Beach' Einsamkeit am ‘Eighty Mile Beach’ © 1993-2017 Bernd Runde

Es sind nur wenige Besucher auf dem Camp. Am Meer merkt man überhaupt nicht, dass noch andere Menschen hier sind. Der Campingplatz ist grün und die Stellplätze sind durch blühende Büsche voneinander abgetrennt. Den Höhepunkt des Tages erleben wir allerdings am Abend. Wir stehen auf einer der mächtigen Dünen und beobachten einen Sonnenuntergang. Glutrot versinkt der Sonnenball mit einer geradezu atemberaubenden Geschwindigkeit im Meer. Kaum sind die Reflexe der letzten Sonnenstrahlen auf dem leicht gekräuselten Meer erloschen, erstrahlt das Firmament in allen erdenklichen Rottönen, wie wir es vorher nicht einmal in der Wüste erlebt haben. Kurz darauf spannt sich dann wieder der südliche Sternenhimmel über die Landschaft und unser Nachtlager.

Einzigartiges Schauspiel - Der Sonnenuntergang am Eighty Mile Beach Einzigartiges Schauspiel - Der Sonnenuntergang am Eighty Mile Beach © 1993-2017 Bernd Runde

Bevor wir am nächsten Tag aufbrechen, nutzen wir die Möglichkeiten, um ‘große Wäsche’ zu machen und bald flattert die Bettwäsche im Wind. Es bläst kräftig aber sehr angenehm vom Meer herüber, man spürt dadurch die sehr hohe Luftfeuchtigkeit nicht so sehr. Der Indische Ozean brandet in langen Wellen aufs flach sandige Ufer. Alle Taschen voller Muscheln kehren wir von einem ausgedehnten Strandspaziergang zurück.

Mehrere Kilometer weicht der Ozean bei Ebbe zurück Mehrere Kilometer weicht der Ozean bei Ebbe zurück © 1993-2017 Bernd Runde

Die nächsten 150 km durch niedrig bewachsenes Buschland sind recht monoton und bieten keinerlei Abwechslung. Dass wir dabei unmittelbar der Küstenlinie folgen, erleben wir eindrucksvoll, als kurz vor dem Pardoo Roadhouse noch einmal die strahlend weißen Dünen des Eighty Meile Beach herübergrüßen. Am Roadhouse stärken wir uns mit ‘fish’n ships’. Jetzt verändert sich dann das Landschaftsbild erneut. Wir durchqueren brettebenes Grünland mit vereinzelten Rinderherden im Mündungsgebiet des De Grey River, Pardoo River und des Shaw River. Gewaltige Wassermassen haben tiefe Einschnitte ins Schwemmland gesägt, die gewaltige Flussbetten vortäuschen, aber auch hier sind von den Flüssen nur einige kleine Wasserlöchern übriggeblieben. Kurz vor Port Hedland erheben sich einige ‘Schuttberge’ aus dem flachen Land. Es sind die Überreste einer von Wasser und Wind zerkleinerten Hügelkette. Welche Naturgewalten müssen hier gewirkt haben, um aus Bergen diese heute flache Landschaft geformt zu haben?

Die Reste einst mächtiger Berge Die Reste einst mächtiger Berge © 1993-2017 Bernd Runde

Am Ende dieses wiederum sonnigen Tages, bei allerdings durch die Küstennähe angenehmeren Temperaturen, suchen wir uns ein Hotel. Hier in Stadtnähe und dem industriell geprägte Umland ein unseren Vorstellungen entsprechendes Camp zu finden, ist unwahrscheinlich. Im Hotel bestellen wir uns gleich einen Tisch für’s Abendessen und das morgige Frühstück auf’s Zimmer. Die Stadt selbst bietet keine Besonderheiten, die zur Besichtigung einladen. Den riesigen Eisenerz- und Kohlehalden der Stahlwerke, mit ihren rotgelben Qualm ausstoßenden Fabrikschloten, können wir, nach über 4 Wochen Natur pur, keinen Reiz abgewinnen. Wir beschränken uns auf einen Bummel in den nahen Supermarkt, um unsere Vorräte aufzustocken. Dann heißt es, Ordnung schaffen und Gepäck neu sortieren für die nächsten Etappen abseits des Highways.

Abseits des Highways in den Nationalparks der Hamersley Range (Pilbara)

Pünktlich um 06:30 Uhr, wir haben schon gepackt, kommt das Frühstück. Über breite Highways, über die uns der morgendliche Berufsverkehr entgegenkommt, verlassen wir die Stadt. Als letztes grüßt eine Meersalz-Gewinnungsanlage, deren ganze Umgebung in weißen Salzstaub gehüllt ist.

Salz aus Meerwasser in Port Hedland Salz aus Meerwasser in Port Hedland © 1993-2017 Bernd Runde

Dann führt die Strecke wieder durch flaches Buschland. Dicke weiße Schönwetterwolken beleben die Szenerie. Aber schon nach ca. 80 km tauchen am Horizont die nächsten Berge auf, die nördlichen Gebirgsausläufer der Pilbara rücken näher. Es ist wieder einsam und ruhig geworden.

In der Ferne die Gebirgsausläufer der Pilbara In der Ferne die Gebirgsausläufer der Pilbara © 1993-2017 Bernd Runde

An den Anblick der am Straßenrand liegenden Känguru-Kadaver haben wir uns schon gewöhnt. Ungewöhnlich und überraschend finden wir allerdings den Anblick von Adlern am Sherlock River, die es vorziehen, sich am Aas zu ergötzen, anstatt selbst zu jagen. So schnell passt sich die Natur an neue Lebensgewohnheiten an, und auch der König der Lüfte weiß sich sein Leben bequemer zu gestalten.

Überfahrene Kängurus sind 'leichte Beute' für den Keilschwanzadler Überfahrene Kängurus sind ‘leichte Beute’ für den Keilschwanzadler © 1993-2017 Bernd Runde

Nach 178 km zweigt nach links eine ‘gravelroad’ nach Millstream ab. Eine große Hinweistafel gibt Auskunft über offene und geschlossene Strecken! Es gibt keine Hinweise auf außergewöhnliche Vorkommnisse auf dem vor uns liegenden Streckenabschnitt quer durch die Pilbara. Wir steuern direkt auf die Chichester Ranges zu. Sie bilden in ihrer Wildheit eine unbeschreibliche Kulisse. Am Python Pool legen wir eine kurze Pause ein. Ab hier ist die Straße plötzlich geteert, dafür aber nur einspurig (!). 10 km benötigt dieser kurvenreiche Weg, um die Ranges zu überqueren. Nachdem wir die Passhöhe passiert haben, geht es auf unbefestigter Straße weiter. Es ist eine zauberhafte hügelige Landschaft hier im Hochland der Pilbara.

Auf dem Weg in den Millstream-Nationalpark Auf dem Weg in den Millstream-Nationalpark © 1993-2017 Bernd Runde

Das ganze Land ist mit goldgelben Grasbüscheln übersät, in denen bunte Blütenteppiche farbige Akzente setzen. Belebt wird das Ganze durch Termitenhügel und die bizarren Formen einzelner Bäume. Von der ‘gravelroad’ biegen wir zunächst nach Millstream und später dann, kurz vor dem Fortescue River, zum Crossing Pool ab. Die uns begleitende Blütenpracht wird immer reichhaltiger, jetzt mischen sich auch noch die hell-lila Blüten der ‘desert rose’ und blühende Mimosensträucher dazwischen.

Blütenpracht Blütenpracht © 1993-2017 Bernd Runde

Malerisches Fleckchen Erde hier am Crossing Pool Malerisches Fleckchen Erde hier am Crossing Pool © 1993-2017 Bernd Runde

Unter riesigen ‘paperbark’-Bäumen, direkt am Fluss, finden wir einen malerischen Campingplatz inmitten paradiesischer Umgebung. Es stehen nur 5 andere Camper auf dem Platz. Wir wandern in Richtung ‘homestead’ und nehmen die Faszination dieser fremdartigen Natur in uns auf (ca. 2 Std. hin + zurück). Ein paar rote Riesenkägurus kreuzen unseren Weg und verschwinden mit großen Sätzen im dichten Unterholz des Waldes. Ein Bad im kühlen Wasser des Crossing Pool lassen wir uns natürlich auch nicht entgehen.

Unser 'Badezimmer' am Crossing Pool Unser ‘Badezimmer’ am Crossing Pool © 1993-2017 Bernd Runde

So wie der gestrige Tag endete, so beginnt der neue. Es ist gerade 05:30 Uhr und wir begeben uns zur Morgentoilette in die klaren Fluten des Flusses. Welch wunderbares Gefühl, die Natur mit allen Fasern des Körpers genießen zu können. Dabei ist es empfindlich kühl geworden. Wer hätte noch vor 3 Tagen gedacht, dass wir uns nach den wärmenden Strahlen der Sonne sehnen würden. Als diese dann aber 1 Stunde später über den Horizont schaut, heizt sie nicht nur uns, sondern auch den Busch in kürzester Zeit wieder auf. Über die Snap Gum Road fahren wir zur nahegelegenen ‘homestead’, die heute auch als Ranger Station fungiert.

Tropische Oase im Millstream-Nationalpark Tropische Oase im Millstream-Nationalpark © 1993-2017 Bernd Runde

Fast 2 Stunden dauert der folgende Spaziergang durch ein wahres Paradies. Eine tropische Oase ist Heimat für unzählige Vögel, die mit ihrem Morgengesang den neuen Tag begrüßen. Das murmeln und glucksen eines Baches begleitet uns durch einen dichten Palmenhain, in dessen Herzen wir auf einen riesigen See stoßen, dessen Oberfläche von tausenden weißer Seerosen bedeckt wird. Müssen wir wirklich weiter? Hier könnte man doch einige Jahre bleiben und die chaotische Welt da draußen vergessen.

Ein letzter Blick auf den Fortescue River Ein letzter Blick auf den Fortescue River © 1993-2017 Bernd Runde

Ein kurzer Abstecher zu einer Felsklippe hoch über dem Fortescue River, und dann rollen wir auf einer Piste von der Breite eines Flugplatz-Rollfeldes in flotter Fahrt durch abwechslungsreiche Landschaft weiter. Ab Mt. Florence rücken die nordwestlichen Ausläufer der Hamersley Range mit ihren von Felsplatten bedeckten und dadurch eigentümlich abgeflacht wirkenden Bergen immer näher. In Wittenoom füllen wir wieder alle Tanks, fahren zur Einstimmung durch die Wittenoom Gorge, um dann über eine mit feinstem roten Staub bedeckt Gravelroad zum nördlichen Felsdurchbruch in die Hamersley Range aufzubrechen.

Auf breiter Piste in die Hamersley Range Auf breiter Piste in die Hamersley Range © 1993-2017 Bernd Runde

Yampire Gorge heißt dieser Durchlass in die wildesten Regionen der Hamersley. Mit weniger als Schrittempo tasten wir uns durch die enge Schlucht. Links und rechts breitet sich ein wahrer Garten Eden aus. Es erweckt den Anschein, als ob aus jedem Stück Holz, selbst aus längst abgestorbenem, die schönsten Blüten sprießen. Eingerahmt wird die bunte Blütenpracht von den tief-dunkelroten senkrechten Felswänden der engen Schlucht. Trotz der gleißenden Mittagssonne erstrahlen alle Farben in einer Frische, als ob erst vor kurzem ein Regenschauer niedergegangen wäre. Hätte die ganze Kulisse ein Künstler gemalt, man würde sie als unrealistisch und kitschig bezeichnen. Sie sind aber Realität, die gelben Blütentrauben der Akazien, die zartrosa Wüstenrosen und die weißen Stämme der ‘Papierrinden’-Eukalypten.

Die Natur ist explodiert im Yampire Gorge Die Natur ist explodiert im Yampire Gorge © 1993-2017 Bernd Runde

Durch die Yampire Gorge ins Herz des Karijini-Nationalparks Durch die Yampire Gorge ins Herz des Karijini-Nationalparks © 1993-2017 Bernd Runde

Plötzlich ist der Weg zu Ende, ein großer See versperrt die Weiterfahrt. Aus der Cadjiput-Quelle strömt so viel Wasser, dass die trockene Erde es gar nicht aufnehmen kann. Vorsichtig tasten wir uns zwischen den Bäumen hindurch, dort wo wir den festen Untergrund des Weges vermuten. Vermutung war richtig, es ist der Weg und das Wasser steht nur 20 cm hoch. Nach weiteren 20 km erreichen wir unser Tagesziel, das Dales Gorge Camp am Fortescue River. Wieder ein Platz ohne Wasserversorgung. Den Wasserspeicher hatten wir 12 km vorher passiert, dort können wir dann bei der Rückfahrt die Vorräte wieder auffüllen.

Wanderung entlang der nördlichen Rim der Dales Gorge Wanderung entlang der nördlichen Rim der Dales Gorge © 1993-2017 Bernd Runde

Im Grasland rund um das Camp wandern, allerdings in respektvoller Entfernung, einige Emus. Es ist früher Nachmittag und somit ausreichend Zeit für einen ausgedehnten Marsch entlang der nördlichen Rim der Dales Gorge hoch über dem Fortescue River. Dem Callitris-Track folgend benötigen wir 1 Stunde bis zum Circular Pool und berauschen uns dabei an den wunderbaren Aussichten auf die Fortescuefälle und hinunter in die Schlucht. Eingezwängt von roten Felswänden, begleitet uns das türkisfarbene Wasser des Flusses in der Tiefe.

Früh schlafen gehen ist die beste Voraussetzung, um am nächsten Morgen noch vor der großen Hitze wieder unterwegs sein zu können. So ziehen wir uns dann auch kurz nach Sonnenuntergang (08:30 Uhr) schon zurück. In der Nacht treibt mich die Kälte vom Lager. Es ist die erste Nacht, in der ich in den Schlafsack krieche. Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne rufen aber die Lebensgeister schnell wieder zurück. Das Licht der Morgensonne offenbart aber noch etwas anderes, um uns herum erstrahlt alles in kräftigem ‘austral-rot’. Hemden, Hosen, Schuhe, das Auto ebenso wie die Küche sind rot eingepudert, wie das Land um uns herum. Der rote Hamersley-Staub ist so fein, dass er trotz geschlossener Fenster und Türen durch alle Ritzen gedrungen ist. Dieser Umstand ändert aber nichts an unserer ausgesprochen fröhlichen Verfassung und schon um 07:15 Uhr rollen wir in Richtung Wasserbehälter. Schnell sind die Vorräte wieder aufgefüllt und auf geht’s weiter gen Westen.

In Jahrmillionen hat das Wasser die Knox Gorge in den Fels geschnitten In Jahrmillionen hat das Wasser die Knox Gorge in den Fels geschnitten © 1993-2017 Bernd Runde

Gegen diese Piste war die Gibb River Road der reinste Highway. Das Waschbrett ist stellenweise 10 cm tief ausgewaschen. In jeder Kurve warten tiefe Sandlöcher darauf, dass wir einen Moment unaufmerksam sind, um unsere Fahrt auf unangenehme Weise zu unterbrechen. Als wir nach 43 km den Abzweig zur Knox Gorge erreichen, sind fast 2 Stunden vergangen. Aber so hatten wir es uns hier ja vorgestellt, wild, wilder, Wildnis. Um uns herum war dann auch die ganze Zeit das, was wir gesucht haben, eine friedliche heile Welt. Atemberaubend sind die Aussichten von den steilen Felsabbrüchen hinunter in die engen Schluchten von Joffre Gorge, Red Gorge und Knox Gorge. 3,5 Mrd. Jahre Erdgeschichte sind bloßgelegt von Wasser, Wind und Hitze. Trotz ihrer Wildheit geht von dieser Landschaft eine erhabene Ruhe aus. Es sind noch weitere 22 km, um die Stelle zu erreichen, an der vier dieser Schluchten zusammentreffen. ‘Oxer Lookout’ wird als der Höhepunkt gepriesen, und wir können uns dieser Beurteilung nur anschließen. Wir stehen auf riesigen Sandsteinplatten, die einige Meter über die Kante der Rim hinausragen und blicken hinunter in die Tiefe der Schluchten, von wo das Türkis der Wasserlöcher und das Grün der tropischen Vegetation herauf leuchten. Vorherrschende Farben sind allerdings ringsum die Rottöne der steilen Felswände und riesiger Sandsteinplatten und das Weiß der allenthalben blühenden siberfarbenen ‘pussytail’-Büsche.

Silbernfarbige Büsche, tiefblaue Wasserlöcher und roter Fels am Oxer Lookout Silbernfarbige Büsche, tiefblaue Wasserlöcher und roter Fels am Oxer Lookout © 1993-2017 Bernd Runde

Den Abstieg in eines dieser Urtäler, der mehrere Stunden in Anspruch nehmen würde, beschließen wir, wegen des hohen Risikos, der Hitze und der allgegenwärtigen Fliegen, nicht in Angriff zu nehmen. Somit besteht auch kein Anlass, noch eine weitere Nacht im Park zu bleiben. Der Zustand der Pisten lässt aber auch keine Abschätzung zu, wie weit wir es heute schaffen würden. Die Möglichkeit einer Übernachtung in der Wildnis ist nicht auszuschließen. Durch hügelige Landschaft, der man nichts von der Dramatik der tiefen Schluchten, die das Massiv durchziehen, anmerkt, führt die Piste bergauf und bergab. Das Rot der Berge wird oft überdeckt von dem hellen Grün des Spinifexgrases, das die Bergflanken bis zu den Gipfeln bedeckt. Nur dort, wo Teile des Berges durch Erosion abgesprengt sind, leuchten die nackten roten Felsen hervor.

Wie weit werden wir heute kommen? Wie weit werden wir heute kommen? © 1993-2017 Bernd Runde

Bald taucht dann das markante Massiv des Mount Bruce in der Ferne auf. Nach 42 km erreichen wir die Gravelroad in Richtung Tom Price/Wittenoom. Allmählich treten die Berge immer weiter zurück. Auf einer mit niedrigen Büschen und Spinifexgras bestandenen Hochebene erreichen wir den nächsten Abzweig.

Vorbei am markanten Mount Bruce Vorbei am markanten Mount Bruce © 1993-2017 Bernd Runde

Es liegen noch 310 km bis zum Great Northern Highway vor uns. Ob wir das noch packen? 77 km liegen schon hinter uns, wir haben gerade den Abzweig nach Tom Price passiert, als unsere Bereitschaft, Abenteuer zu erleben, ein weiteres Mal getestet wird. ‘Wie fährst Du denn?’, höre ich meinen holden Beifahrer sorgenvoll fragen, als ich mit aller Gewalt versuche, den Wagen auf der Piste zu halten. Das Gefährt schwimmt und schlingert, als ob wir auf Schmierseife fahren. Schmierseife ist es nicht, aber ein luftleerer Reifen. Der Reifenwechsel auf dem losen Untergrund der Gravelroad gestaltet sich allerdings recht schwierig. Der Wagenheber sinkt so tief ein, dass sich das neue Rad nicht aufziehen lässt. Also die ganze Prozedur wieder von vorne, aber diesmal mit untergelegten flachen Steinen, die Christa aus der Wüste angeschleppt bringt. Endlich rollen wir wieder. Das unangenehme Gefühl in der Magengegend, ob des nun fehlenden Ersatzreifens, weicht einer gewissen Erleichterung, als schon kurz hinter unserer Pannenstelle, die Gravelroad entgegen den Angaben in unseren Karten, in eine neue Straße mit Teerbelag übergeht.

Niedrige Sträucher bedecken die Wüstenlandschaft Niedrige Sträucher bedecken die Wüstenlandschaft © 1993-2017 Bernd Runde

Nur wenige niedrige Sträucher wachsen auf dem roten Geröll, das die gesamte Wüstenlandschaft bedeckt. Wir fahren gegen das grelle Sonnenlicht und die Landschaft vor uns erscheint schwarz und farblos. Erst im Rückspiegel erstrahlt alles wieder im gewohnten Rot. Die Straße führt durch unzählige Senken, vor denen mit dem Hinweisschild <floodway> gewarnt wird. Zur Beurteilung der Wassertiefe stehen an den tiefsten Punkten der Senke Messlatten mit Wasserstandsanzeigen bis zu 3 m. Bei der derzeitigen Hitze und Trockenheit ist es schier unvorstellbar, dass die Frühlingsregen solche Wassermassen abladen könnten.

Am Nanutarra Roadhouse treffen wir wieder auf den Highway. Die Roadhouses, Service- und Versorgungsstützpunkte, entlang der unendlich langen Highways, findet man jeweils ein paar hundert Kilometer voneinander entfernt noch in den entlegensten Winkeln des Landes. Da kommt auch gleich Freude auf, als man mir versichert, sogar den richtigen Reifen vorrätig zu haben. Die richtige Reifengröße ist es auch, aber das falsche Fabrikat. Um nicht den Versicherungsschutz für das ganze Fahrzeug zu verlieren, benötige ich einen Dunlopreifen, sagt mein Mietvertrag. Na, dann werden wir eben beim Vermieter in Perth für diesen Notfall eine Sondergenehmigung einholen, dachte ich ganz unbedarft. Was ist heute? Natürlich Sonnabend und Feierabend und morgen am Sonntag wird das Büro auch nicht besetzt sein. Also werden wir auch diesmal ohne die Sicherheit eines Ersatzreifens weiterfahren, zumal man mir Hoffnung macht, dass in Exmouth auch mein Reifen zur Verfügung stehen wird. Wir verwöhnen zunächst unsere Mägen mit einer Portion ‘fish’n ships’, tanken wieder voll und beziehen dann unseren Nachtplatz auf dem nahen staubigen Camp.

Abendstimmung am Nanutarra Roadhouse Abendstimmung am Nanutarra Roadhouse © 1993-2017 Bernd Runde

Unsere abendliche Plauderstunde wird von einem anderen Camper mit dem Satz: ‘Ich bin Clauß, könnt ihr uns mit Insektenspray aushelfen?’ unterbrochen. Noch lange sitzen wir mit den vor 20 Jahren ausgewanderten Claus und Christel zusammen und spülen den Staub des Tages mit diversen Dosen Bier hinunter.

Einzigartige Natur erwartet uns, als wir wieder die Küste erreichen

Das erste Licht des beginnenden Tages taucht die Landschaft wieder in seine weichen Farben. Wie mit Gold überzogen wirken die weiten Flächen des Graslandes. Die Luft ist noch angenehm kühl. Als wir starten ist der Himmel bedeckt, aber schon nach einer Stunde hat sich die ganze Wolkenpracht verzogen. Nach 111 km gilt es zu entscheiden, ob wir 160 km Umweg in Kauf nehmen, nur um auf der Teestraße bleiben zu können, oder ob wir 81 km Gravelroad riskieren. Unsere Risikobereitschaft wird belohnt, die Gravelroad ist in vorzüglichem Zustand. Obwohl wir sehr vorsichtig fahren sind wir schon nach einer Stunde auf der geteerten Zufahrt nach Exmouth. Durch salzbuschbestandene wellige Dünenlandschaft, aus der als höchste Erhebungen unzählige Termitenhügel ragen, fahren wir westlich am tiefblauen Golf von Exmouth vorbei. In der Ferne taucht die Bergkette der Cape Ranges auf.

Wie mit Gold überzogen wirken die weiten Flächen des Graslandes Wie mit Gold überzogen wirken die weiten Flächen des Graslandes © 1993-2017 Bernd Runde

Tatsächlich, es gibt mehrere Tankstellen mit Reifendienst. Natürlich ist heute am Sonntag keine Werkstatt geöffnet. Wir beschaffen uns zunächst das notwendige Informationsmaterial für den Aufenthalt an diesem Küstenabschnitt, gehen einkaufen und zum Lunch. Hinter Exmouth, direkt am Eingang zum Cape Range Nationalpark, liegt der Lighthouse Caravan Park. Bei der Anmeldung bekommen wir Bescheid, dass schon ein Platz für uns reserviert sei, denn unsere Freunde seien schon da; Claus und Christel natürlich. Wer sonst weiß, dass wir heute hier sein werden. Das Camp liegt, durch eine Düne gegen den Seewind geschützt, direkt am Meer. Heute bietet die Düne allerdings keinen Schutz, denn der kräftige Wind bläst von Land her. Wir machen uns zu viert zu einem Strand- und Küstenspaziergang auf. Es ist ein urwüchsiger Küstenabschnitt, abwechselnd weite Sandstrände und Felsbrocken mit riesigen Muschelbänken und einer tosenden Brandung.

Urwüchsige Küste bei Exmouth Urwüchsige Küste bei Exmouth © 1993-2017 Bernd Runde

Inzwischen sind wir nur noch wenige Kilometer vom südlichen Wendekreis entfernt. Die damit verbundene Verschiebung des Klimas ist schon deutlich zu spüren. Je weiter wir nach Süden kommen, um so wärmere Sachen müssen ausgepackt werden. So gesellen sich heute abend zum starken Wind auch noch dicke Wolken. Alles aber kein Grund, um nicht gemütlich zusammenzusitzen und über Gott und die Welt zu plaudern. Ein junges Schweizer Pärchen, das auf seine Einwanderungsgenehmigung wartet, gesellt sich noch zu uns. Die Getränkevorräte schmelzen arg zusammen und es wird spät, als wir in die Schlafsäcke kriechen.

Schreck in der Morgenstunde, ein weiterer Reifen ist ‘platt’. Eine halbe Stunde tuckert der Kompressor, den mir der Schweizer Campnachbar ausleiht, bis wieder ausreichend Druck auf dem Reifen ist. Überhastet brechen wir dann um 07:45 Uhr auf, um wenigstens bis zur Werkstatt zu kommen. In 1,5 Stunden ist unsere weitere Beweglichkeit gesichert, wenn auch für heute noch etwas eingeschränkt. Geld haben wir auch noch schnell von der Post geholt, obwohl die erst um 09:00 Uhr öffnet. Der luftleere Schlauch von heute Nacht ließ sich reparieren und ein neuer Ersatzreifen wird eingeflogen und soll morgenfrüh vor Ort sein. Also werden wir uns heute etwas im Cape Range Nationalpark umsehen. Falls etwas passieren sollte, wird sich hier wohl Hilfe organisieren lassen.

Weiße Sandstrände, hohe Dünen, flache Lagunen, das ist der Cape Range Nationalpark Weiße Sandstrände, hohe Dünen, flache Lagunen, das ist der Cape Range Nationalpark © 1993-2017 Bernd Runde

Durch niedriges Buschland, links erheben sich die Cape Ranges und zur See hin ragen mächtige weiße Dünen empor, führt eine mit spitzen Steinen übersäte Gravelroad hinein in den Nationalpark. In der geschützten Küstenregion reihen sich malerische Buchten wie Perlen auf einer Kette aneinander. Weiße Sandstrände, hohe Dünen, flache Lagunen und eine Unzahl Watt- und Seevögel laden in jeder Bucht zu längerem Verweilen und zu ausgedehnten Spaziergängen ein. Zunächst ist da die Mangrove Bay, in der wir lange in einem Vogelbeobachtungsstand sitzen und das Treiben in einer kleinen Lagune beobachten. Am ‘visitors centre’ halten wir uns nur kurz auf. Ganz in der Nähe finden wir ein Paradies so ganz nach unserem Geschmack. Eingerahmt vom gelben Sand hoher Dünen und einigen muschelbewachsenen Felsen liegt eine zauberhafte Bucht. Menschenleer rahmt der blendendweiße Strand das türkisblaue Wasser der durch ein Riff abgeschlossenen Bay ein. Den Abschluss bildet in der Ferne der weiße Gischtstreifen der gegen das Riff donnernden Brandung, deren fernes Getose sich wie der Lärm von Motorbooten anhört. Den letzten Farbtupfer liefert der alles überspannende strahlendblaue Himmel.

Gischtstreifen am Horizont markieren das Ningaloo Reef Gischtstreifen am Horizont markieren das Ningaloo Reef © 1993-2017 Bernd Runde

Eine Besonderheit dieses Nationalparks sind seine ‘Campingplätze’. Verstreut im ganzen Gelände sind Bereiche unterschiedlicher Größe freigegeben, auf denen Camper für eine oder zwei Nächte stehen dürfen. Es gibt dort weder Wasser, noch irgendwelche campingtypischen Einrichtungen. Mitten in den Dünen über der von uns entdeckten Bucht befindet ein solcher Campingbereich, zugelassen für einen Camper. Hier werden wir uns heute Nacht einfinden.

Zunächst steuern wir aber noch das dritte Ziel der heutigen Tour an, die Turquoise Bay. Auch dies ist ein Paradies, auf das die Beschreibung der Bucht am ‘one site camp’ passen würde. Wir liegen im Sand, durch eine Düne etwas vor dem frischen Seewind geschützt, und berauschen uns an der himmlischen Einsamkeit. Hinter diesem Punkt verschlechtert sich der Zustand der Gravelroad erheblich. Wir beschließen, unsere ‘ersatzreifenlose’ Fahrt abzubrechen und nicht bis zum Yardie Creek weiterzufahren. Aufatmen, als wir, zu unserem Nachtplatz zurückgekehrt, feststellen, dass der Platz zwischenzeitlich noch von niemand anderem belegt wurde.

Sturm vertreibt uns aus dem 'Paradies' Sturm vertreibt uns aus dem ‘Paradies’ © 1993-2017 Bernd Runde

Bei einem weiteren ausgedehnten Strandspaziergang nehmen wir noch einmal dies unbeschreibliche Gefühl allein auf der Welt zu sein in uns auf. Ganz allein sind wir allerdings nicht, interessiert verfolgt ein ausgewachsenes Kängurumännchen aus den Höhen der Dünen unser Treiben. Zurück zum Camp richten wir uns häuslich ein, und Christa beginnt mit den Vorbereitungen für ein festliches Abendessen. Die frisch eingekauften Steaks müssen gleich heute dran glauben. Wir sind mit dem Abendessen noch nicht ganz fertig, als sich der schon recht heftige Wind in einen ausgewachsenen Sturm verwandelt. Durch alle Ritzen dringt der feine Sand, und die Autotüren lassen sich kaum öffnen, so stark drückt der Sturm dagegen. Hier werden wir nur mit geschlossenen Fenstern und Türen schlafen können, bei dem von der Sonne durchglühten Auto kein angenehmer Gedanke. Wir verzichten auf die Übernachtung in freier Wildnis und fahren zurück zum Camp am Leuchtturm. In der beginnenden Dämmerung hüpfen allenthalben Kängurus durch die Steppe. Aufmerksam und gespannt heben sie den Kopf mit den langen Ohren ob der späten Störung. Außer uns ist niemand mehr unterwegs. Um 18:15 Uhr erreichen wir das Camp. Da das Büro schon geschlossen ist, stellen wir uns auf den gleichen Platz wie gestern.

Als ob er uns nur um ein Erlebnis besonderer Art bringen wollte, hat sich der Sturm in der Nacht gelegt. Um 07:30 Uhr sind wir startklar, sogar das Auto ist gewaschen, und wir brechen auf, unseren neuen Reifen zu holen. Der ist natürlich noch nicht eingetroffen und die Ungewissheit dauert noch eine ganze Stunde, ehe ein Lieferwagen mit der heiß ersehnten Fracht eintrifft. Um 09:10 Uhr endlich können wir wieder ordentlich ausgerüstet unsere Fahrt fortsetzen.

Buschland soweit das Auge reicht Buschland soweit das Auge reicht © 1993-2017 Bernd Runde

Spärlich bewachsene Salzbuschwüste begleitet uns ca. 200 km weit, ehe das Land wieder in normales Buschland übergeht. Auf halber Strecke zum Northwest Coastal Highway machen wir noch einen Abstecher zur Coral Bay. Dieser ‘Geheimtip’ ist aber keiner mehr. Zwar lockt ein wunderschöner weißer Strand und kristallklares Wasser zum Verweilen, aber diese Umstände haben schon Hundertschaften anderer Touristen und Urlauber angelockt. Die Camps sind überlaufen, draußen auf dem Meer donnern die Motorboote hin und her, in der Luft dröhnen die Motoren der Rundflug-Flugzeuge und auf dem Strand manövrieren Geländewagen, um ihre Boote zu Wasser zu bringen. In 1 Stunde haben wir diesen Platz fluchtartig wieder verlassen.

Ob ein Emu neben der Straße stehen bleibt ist ungewiss Ob ein Emu neben der Straße stehen bleibt ist ungewiss © 1993-2017 Bernd Runde

Zum Lunch unterbrechen wir die Fahrt kurz am Minilya Roadhouse. Ca. 25 km vor Carnarvon zweigt eine schmale Straße zur Küste ab. Dieser 50-km-Abstecher führt durch blau-grüne Salzbuschwüste und über schmale Dämme durch ausgetrocknete Lagunen und Salzpfannen direkt am Lake MacLeod vorbei. Ganz unvermittelt hinter einer Bergkuppe, taucht, zum Greifen nah, tintenblau das Meer vor uns auf. An einer felsigen Steilklippe, die man nach Sandwüste und Dünen hier gar nicht vermutet, donnern mit Urgewalt die Brecher des Indischen Ozeans gegen die Felsen. Die weiße Gischt steigt meterhoch über die Felskante und aus Löchern im Fels steigen, bei jedem gegen die Küste rollenden Brecher, mächtige Fontänen in den strahlendblauen Himmel. Dieses Naturschauspiel der ‘blasenden Löcher’ (Blowholes) ist diesen Abstecher wert, auch wenn wir die ganzen 50 km wieder zurück müssen.

Die 'blow holes', Fontänen an der Steilküste nördlich von Carnarvon Die ‘blow holes’, Fontänen an der Steilküste nördlich von Carnarvon © 1993-2017 Bernd Runde

Wir passieren das trockene Bett des mächtigen Gascoyne River und fahren durch eine tropische Oase. Künstlich bewässerte Bananen-, Obst- und Gemüseplantagen beherrschen die Landschaft. Das Wasser für diese Plantagen wird aus den Tiefen des unterirdischen Flusslaufs gepumpt, auch wenn der Fluss kein oberirdisches Wasser führt, wie dies nun schon seit 1,5 Jahren der Fall ist. Beim Gespräch mit dem Tankwart laß’ ich mir noch einen ruhigen Campingplatz empfehlen, und so landen wir im ‘Plantation Caravan Park’ in üppiger Vegetation, mitten in einer Bananen-Plantage. Die Nacht ist recht frisch, man spürt, dass wir uns in einer gemäßigteren Klimazone befinden.

Immer geradeaus dem nächsten Ziel entgegen Immer geradeaus dem nächsten Ziel entgegen © 1993-2017 Bernd Runde

Ein strahlender Frühlingsmorgen begrüßt uns. Wir fahren in ca. 10…15 km Abstand zur Küste durch flache mit Stacheldraht eingezäunte Salzbuschwüste. Am Zaun tauchen ab und zu Schafe auf, die in dem kargen Land auf Nahrungssuche sind. Nach knapp 2 Stunden, wir sind 200 km gefahren, kehren wir im Overlander Roadhouse zum zweiten Frühstück ein. Von hier führt eine Abzweigung durch lichtes Buschland auf eine weit in die Shark Bay hineinreichende Landzunge. Wir umrunden den Hamelin Pool, bekannt durch die in seinem ungewöhnlich salzhaltigen Wasser lebenden ‘Stromalithen’-bildenden Bakterien, die ersten Sauerstoff-Erzeuger unserer Erde. Es ist noch früh am Tag, also können wir auch noch einem unscheinbaren kleinen Wegweiser zur Shell Bay folgen.

Wir umrunden den Hamelin Pool Wir umrunden den Hamelin Pool © 1993-2017 Bernd Runde

Durch unwegsames Gelände wühlt sich der Wagen seinen Weg über hohe Dünen und plötzlich liegt eine riesige Bucht vor uns.

Im unwegsamen Gelände wühlt sich der Wagen seinen Weg Im unwegsamen Gelände wühlt sich der Wagen seinen Weg © 1993-2017 Bernd Runde

Kristallklares Wasser spült an einen Strand, der von unzähligen kleinen, blendend weißen und vom Wasser noch nicht zu Sand zermahlenen Schalen von Herzmuscheln gebildet wird. Auch der Meeresboden besteht aus nichts anderem, als diesen kleinen Muscheln. Nur mit Badeschuhen kann man hier laufen, wenn man sich nicht mit den scharfkantigen Muscheln die Fußsohlen zerschneiden will. Es ist ein malerisches Plätzchen.

Meterdicke Schicht aus Herzmuscheln-Schalen in der Shell Bay Meterdicke Schicht aus Herzmuscheln-Schalen in der Shell Bay © 1993-2017 Bernd Runde

In Denham, einem alten Fischerdorf mit einer gerade aufkeimenden gepflegten Touristik-Atmosphäre, machen wir Lunch-Pause. Weit geht von hier der Blick über den Denham Sound hinüber auf die riesigen Dünen der gegenüberliegenden Landzunge.

Monkey Mia nur 100 Meter vom Resort entfernt Monkey Mia nur 100 Meter vom Resort entfernt © 1993-2017 Bernd Runde

In Monkey Mia ist unser Ziel das Dolphins Resort. Wieder eine Bucht, die uns verzaubert. Weiter flacher Sandstrand lädt ein zum Strandbummel und das seichte Wasser zum Schwimmen. In der Bucht sind die Rückenflossen einiger Spitznasen-Delphine zu erkennen, die sich dem Strand bis auf wenige Meter nähern. Es ist ein einzigartiges Erlebnis, diese freilebenden Tiere zu erleben, wie sie die Nähe des Menschen suchen, bzw. sie nicht fürchten. Überrascht sind wir allerdings auch vom Betrieb im Resort, der sich, trotz des faszinierenden Naturschauspiels, in Grenzen hält.

Spitznasen-Delphine kommen bis an den Strand Spitznasen-Delphine kommen bis an den Strand © 1993-2017 Bernd Runde

Mit dem Sonnenaufgang kriechen wir aus dem Schlafsack Mit dem Sonnenaufgang kriechen wir aus dem Schlafsack © 1993-2017 Bernd Runde

Die Sonne steigt gerade über den Horizont, als wir am morgen um 05:30 Uhr aus den Schlafsäcken kriechen. Um 07:00 Uhr sind wir startklar und wandern noch einmal zum Meer. Für 08:00 Uhr ist die Ankunft der Delphine angekündigt, und wirklich, wie auf ein verabredetes Zeichen tauchen pünktlich mehrere Gruppen der zutraulichen Meeresbewohner in der Bucht auf. In der Nacht sind auch noch 2 Reisebusse mit Touristen angekommen und so herrscht heute morgen etwas mehr Betrieb am Strand, als gestern abend. Wir müssen ja an dem Massenauflauf nicht teilnehmen und starten deshalb noch vor den Bussen, auch um zu verhindern, dass wir 2 Stunden lang auf der schmalen Straße bis zum Overlander Roadhouse hinter einem Bus herfahren müssen.

Der Frühling macht sich bemerkbar Der Frühling macht sich bemerkbar © 1993-2017 Bernd Runde

Die Landschaft, durch die wir gen Süden rollen, verändert sich heute in geradezu dramatischem Tempo. Nachdem wir Hunderte von Kilometern durch Buschland, Salzbuschwüsten und Halbwüsten gefahren sind, tauchen ab Wannoo Billabong Roadhouse plötzlich große hohe Bäume und dichtes Unterholz auf, die die Straße grün einrahmen. Ehe wir uns versehen, sind wir dann auch schon mitten in einem blühendenden Paradies. Es blüht in allen Farben und Formen die man sich vorstellen, nein, die man sich nicht vorstellen kann. Wir sind mitten in der westaustralischen ‘Wildblumenblüte’. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit geht langsam gegen ‘Null’. Wir sind nur mit dem Fotoapparat unterwegs, um diese einmalige Natur im Bild festzuhalten. Immer öfter tauchen jetzt allerdings auch große Weizenanbauflächen auf, wir nähern uns der Kornkammer Westaustraliens.

Am Murchison River machen wir Mittagsrast und Christa zelebriert einen Festbraten - Schweinefilet mit gedünsteten Zwiebelringen und dazu eine Flasche vom köstlichen roten Coonawarra. Dann zweigen wir ab in die Straße nach Kalbarri und sind auch schon mitten im Kalbarri Nationalpark. Die Vielfalt der blühenden Pflanzen wird immer größer. Sträucher und Büsche, von denen man sonst annehmen würde, sie seien abgestorben, erstrahlen in üppigster Blütenpracht. Es erscheint so, als ob alle über 7.000 einheimischen Pflanzen, die es in Westaustralien geben soll, hier an diesem Fleck auf einmal blühen. Mitten durch das flach und eben erscheinende Land hat sich der Murchison River ein tiefes Tal gesägt. Man muss schon, wie z.B. am Hawks Head Lookout, der über 4 km Gravelroad zu erreichen ist, direkt an der Rim stehen, um den Fluss tief unten im Tal wahrzunehmen.

Hawks Head Lookout hoch über dem Murchison River Hawks Head Lookout hoch über dem Murchison River © 1993-2017 Bernd Runde

Eigentlich wollten wir auf einen Campingplatz am Red Bluff, südlich der Stadt. Die Umgebung erscheint uns jedoch zu ungemütlich, und so landen wir im Tudor Caravan Park, in einem großen Eukalyptushain in Ortsmitte. Unter blühenden Eukalypten stehen wir sehr ruhig am Rande des Platzes.

Wieder sind wir mit der Sonne aufgestanden. Es ist noch ausgesprochen kalt, aber mit den ersten Sonnenstrahlen kehren unsere Lebensgeister wieder zurück. In freudiger Erwartung, was dieser Tag uns bringen wird, begeben wir uns wieder in die blühende Wildnis des Nationalparks. Als erstes entdecken wir in den kahlen Ästen eines riesigen abgestorbenen Eukalyptusbaumes eine ganze Schar rotschwänziger schwarzer Kakadus. Mit lautem Gekrächse flattern sie umher und versuchen, sich die besten Plätze im Baum streitig zu machen. Zum Greifen nahe erscheinen sie im Feldstecher und die roten Schwanzfedern strahlen im Licht der Morgensonne. Durch tiefen goldgelben Sand führt uns ein Feldweg noch einmal bis zum Murchison River. Aufgeschreckt durch die morgendlichen Störenfriede rennt ein Emu vor uns her; immer schön auf der linken Seite, als ob er die australischen Verkehrsregeln kennt. ‘Loop’ und ‘Z-bend’ heißen die beiden Aussichtspunkte, von denen man wunderbar erkennen kann, wie der Fluss sich durch die 350 Millionen Jahre alten Schichten des angehobenen Meeresbodens gesägt hat. Viele Fotostopps halten uns auf, denn es gibt immer wieder neue Blüten und blühende Sträucher zu bewundern.

Blühendes Outback Blühendes Outback © 1993-2017 Bernd Runde

Wieder zurück auf dem Highway, tauchen wir immer tiefer in die nördlichen Weizenanbaugebiete ein. Und wieder wird uns bewusst, dass wir auf der anderen Hälfte der Erdkugel sind. Es ist Frühlingsanfang und die Getreideernte ist in vollem Gange. Um dem zunehmenden Verkehr, wir sind nur noch 400 km von Perth entfernt, aus dem Wege zu gehen, wollen wir die nächste Etappe etwas weiter landeinwärts fahren. In Northampton, im Tourist Office, rät man uns, eine als ‘scenic route’ beschriebene Strecke zu wählen. Die noch weiter landeinwärts führende ‘wildflower road’ biete in diesem Jahr auch nicht mehr, da die Wildblumenblüte schon 4 Wochen vorüber sei. Es ist Mittag geworden, als wir die 170 km bis Geraldton zurückgelegt haben. Diese kleine betriebsame, aber ansprechende Stadt mit ihren nur 20.000 Einwohnern nimmt uns mit ihrer besonderen Atmosphäre gefangen. Wir machen einen ausgedehnten Stadtbummel, besichtigen die erst 1964 gebaute katholische Kathedrale - Geraldton ist Bischofssitz - und gehen in einem kleinen Bistro am Einkaufszentrum zum Lunch.

Der Dom in Geraldton Der Dom in Geraldton © 1993-2017 Bernd Runde

Die Nationalstraße Nr.1, die jetzt Brand Highway heißt, führt parallel zur Küste nach Süden. Der Blick aufs Meer ist allerdings durch mächtige Dünen versperrt. Großflächiger Weizenanbau beherrscht das Landschaftsbild. Nach über 5 Wochen australischer Wildnis und Einsamkeit wollen wir uns nur ganz allmählich dem Großstadtbetrieb nähern. Da wir gut in unserem Zeitplan liegen, können wir auch die letzten 400 km gemütlich angehen. Nur wenige Kilometer hinter Dongara verlassen wir den Highway. Über Mingenew und Three Springs fahren wir durch eine liebliche hügelige Landschaft mit einer durch Weiden, Felder, Wälder, Seen und Sümpfe abwechslungsreichen Szenerie. An Straßenrändern und auf vielen nicht bewirtschafteten Flächen blüht es auch hier noch, aber mit der Pracht im Kalbarri-Nationalpark ist das nicht zu vergleichen.

In Carnamah finden wir einen städtischen und sauberen Caravanplatz voller blühender Flaschenbürstenbäumen. Lautstark begrüßt werden wir von Heerscharen kreischender rosa-grauer Kakadus.‘Teetime’ und ein kurzer Erkundungsspaziergang beschließen den Tag. Spät abends kommt dann noch ein städtischer Angestellter vorbei, um 6,40 A$ Platzgebühr zu kassieren.

Im Westaustralischen Weizengürtel Im Westaustralischen Weizengürtel © 1993-2017 Bernd Runde

Da ist doch schon wieder ein neues Geräusch! Wir wachen vom lauten Getrommel auf das Dach unseres Campers auf - Regen. Dicke schwarze Wolken ziehen über das Land. Es wird trotzdem ein herrlicher Morgen. Nachdem wir die Gasflasche für die Bordküche neu gefüllt, bzw. gegen eine gefüllte ausgetauscht haben, setzen wir die Tour übers Land fort. Merkmale der Besiedlung dieses Landstrichs sind allenthalben die riesigen Getreidspeicher. Keine Ansiedlung ohne diese Wohlstandsymbole und die dazugehörige Bahnlinie. Links und rechts der Straße bilden breite Vegetationszonen, mit einem kleinen Rest der ursprünglichen Landschaft, eine natürliche Barriere gegen das sonst kultivierte Land.

Kleine Reste der ursprünglichen Landschaft am Wegrand Kleine Reste der ursprünglichen Landschaft am Wegrand © 1993-2017 Bernd Runde

Ab Coorow erweitern sich diese öfters zu Landschaftsschutzgebieten, die mit weiten Sumpf- und Salzbuschflächen einen Eindruck davon vermitteln, wie es hier vor der Besiedlung ausgesehen hat. Ab Moora - die Wolken haben sich zu fotogenen weißen Haufen zusammengeballt - müssen wir wieder Richtung Küste abbiegen, denn dort wartet ein weiterer Nationalpark auf uns.

Malerische Wolken über dem Weizengürtel Westaustraliens Malerische Wolken über dem Weizengürtel Westaustraliens © 1993-2017 Bernd Runde

Es geht immer noch durch wunderbare hügelige Idylle mit Feldern, Wiesen und Farmen. An einigen Stellen lassen die kärglichen Blütenreste erahnen, welch’ riesige Areale während der Frühlingsblüte das Land in einem wahren Farbenrausch versinken lassen. Vielfalt oder Menge, das ist sicher auch individuelle Ansichtssache. Die ‘wildflower’-Zeit in der Wildnis der unberührten Landschaft war für uns ein Höhepunkt in diesem Teil Australiens.

Riesige Dünen auf dem Weg in den Nambung-Nationalpark Riesige Dünen auf dem Weg in den Nambung-Nationalpark © 1993-2017 Bernd Runde

Über Dandaragan, auf den kleinen unbeschilderten Landstraßen konnte uns oft nur die Sonne die Richtung weisen, erreichen wir den Brand Highway. Aber schon nach wenigen Kilometern sind wir wieder in üppig wucherndem und in allen Farben blühenden Buschland. Wie Schneefelder schimmern dazwischen riesige Sanddünen, als wir uns dem Nambung Nationalpark nähern.

In den Nambung Nationalpark führt die letzte Gravelroad auf unserem Weg nach Perth In den Nambung Nationalpark führt die letzte Gravelroad auf unserem Weg nach Perth © 1993-2017 Bernd Runde

17 km vor Cervantes zweigt eine Gravelroad ab - das wird wohl die letzte auf dem Weg nach Perth sein -, die in den 15 km entfernten Park führt. Vor uns tut sich, wie eine riesige Theaterkulisse, plötzlich und unerwartet eine Landschaft von ganz eigentümlichem Reiz auf. Eine weite gelbe Sandwüste, die ‘pinnacle desert’, wie ein Nadelkissen gespickt voll mit schlanken Steinsäulen in allen Größen und Formen, bietet ein beeindruckendes Bild. Das ist wahrlich noch ein Höhepunkt zum Abschluss dieser Nationalpark-Tour. Einer markierten Sandpiste folgen wir durch den versteinerten Wald, dessen gelblich-rote Farbe durch die milde Abendsonne noch verstärkt wird.

Die 'pinnacles' im Nambung-Nationalpark Die ‘pinnacles’ im Nambung-Nationalpark © 1993-2017 Bernd Runde

Der Pinnacle Car Park, unter großen alten Bäumen direkt am Meer gelegen, beherbergt uns für die letzte Übernachtung unter freiem Himmel. Der völlig mit Algen verschmutzte Strand von Cervantes ruft bei uns nur ein müdes Lächeln hervor - wir wissen, wo Australiens Küste ihre wahren Strände verbirgt. Das Abendprogramm passt so gar nicht mehr zu Abenteuer, Freiheit und unberührter Natur. Auto reinigen, Koffer packen, Gepäck sortieren und verstauen füllen den ganzen Abend. Zum Höhepunkt gestaltet sich dann aber noch unser letztes ‘mobilhome’-Dinner. Noch einmal bietet Christa alle ihre Kochkünste auf und eine weitere Flasche vom köstlichen australischen Rotwein füllt sich langsam mit der klaren Luft Westaustraliens.

Das historische Bahnhofsgebäude in Fremantle Das historische Bahnhofsgebäude in Fremantle © 1993-2017 Bernd Runde

So aufgeräumt war unser Gefährt wohl während der ganzen Fahrt nicht. Aber der Glanz passt zu der strahlende Sonne, die uns bei der Abfahrt um 07:20 Uhr schon kräftig einheizt. 3 Stunden später sind wir im Weichbild von Perth und um 11:30 Uhr schon quer durch die Stadt im südlich gelegenen Fremantle. Die zauberhafte saubere Stadt mit ihrem Glanz alter viktorianischer Zeit, bildet einen wunderbaren Kontrast zu den Tagen ‘auf dem Lande’. Die kleine Hafenstadt hat ihre Vergangenheit und Historie harmonisch in die Neuzeit integriert. Obwohl Sonntag ist, haben fast alle Geschäfte geöffnet. Wir genießen das bunte Treiben in den Straßen der Altstadt. Das dichte Gedränge in der alten Markthalle - heute ist Markttag - veranlasst uns dann aber doch, den Rückweg anzutreten. Ganz unbemerkt hat es auch noch angefangen zu regnen. Nur mit Mühe erreichen wir unser am Bahnhof abgestelltes ‘trockenes Heim’. Bei strömendem Regen sitzen wir dann im Wagen und lassen uns zum letzten Mal auf dieser Reise ein selbst bereitetes Essen schmecken.

Alt und Neu harmonisch vereint in Perth Alt und Neu harmonisch vereint in Perth © 1993-2017 Bernd Runde

Auf Anhieb finden wir in der Perther Innenstadt unser Hotel ‘Transit Inn’ und halten mitsamt Fresstüten und Schmutzwäschebeutel Einzug. Locker und leger sind sie ja die Australier, wir sehen uns allerdings doch genötigt, ein paar erklärende Worte über unseren Aufzug zu verlieren. Was natürlich sofort zu einem längeren Gespräch ausartet. Noch einmal quer durch die Stadt zu ‘Brits’, deren Standort wir gestern schon ausgekundschaftet hatten, um unser treues Gefährt abzuliefern. Nach langem Feilschen erhalten wir auch noch einen der beiden erneuerten Reifen ersetzt. Mit Wehmut im Herzen verlassen wir ‘unser’ Auto, um mit der Taxe zurück ins Hotel zu fahren.

Der direkte Weg von Darwin hierher ist 4.205 km lang, wir haben daraus 6.760 km gemacht. Hinter uns liegen 23 wilde und ereignisreiche Tage, die wir nie vergessen werden. Hitze, Staub, Fliegen und zerfetzte Reifen waren die Würze in diesem Potpourri aus einmalig schöner Landschaft, Einsamkeit und strahlend sonnigem Wetter.

Westaustraliens Hauptstadt Perth und Australiens waldreiche Nationalparks im Südwesten (1.469 km).

Daten und Fakten

Trauern, weinen? Es kommt ein gewisses ungutes Gefühl auf, dass die letzten Wochen wohl durch nichts mehr übertroffen werden können. Aber was wissen wir schon über die kommenden Tage? Natürlich, wir sind zurück unter Menschen, und um den besten Platz an der Sonne wetteifern Stahl, Beton und Glas. Bei einem kleinen Bummel durch die Innenstadt von Perth entsteht so etwas, wie ein besonderes Verhältnis. Perth hat eine Ausstrahlung, die wir nur von wenigen anderen Städten kennen. Da ist zunächst der Umstand, dass sich die gesamte City zu Fuß erobern lässt. Wir haben von Anfang an das Gefühl, mitten drin zu sein. So lässt sich auch die Harmonie der vielen noch vorhandenen Gebäude im altem viktorianischem Stil mit den modernen Glas- und Betonbauten, die die aufstrebende Stadt des 20. Jahrhunderts inzwischen beherrschen, am besten erfassen. Ein besonderes Fluidum verbreiten aber auch die Menschen, die ohne Hast und in lockerer Atmosphäre die Stadt bevölkern.

Perth, die Stadt am Swan River Perth, die Stadt am Swan River © 1993-2017 Bernd Runde

Den Abend verbringen wir mit der Planung und Vorbereitung des Programms für die nächsten 7 Tage. Ein gutes Fläschchen Wein ist auch noch unter den Resten aus der Zeit der Selbstversorgung. Perth ist ganz sicher noch einen weiteren Tag wert und außerdem sind einige Dinge zu erledigen, ehe wir uns wieder aufs Land hinaus begeben.

Um 08:00 Uhr beginnen wir unseren Rundgang kreuz und quer durch die City, dabei ergibt sich der Besuch beim RACWA (Automobilclub) ganz automatisch. Bei AVIS bestellen wir für Morgen früh unser Gefährt für die nächste Tour. Im ‘Freßzentrum’ der Carillon Passage beenden wir dann das Vormittagsprogramm. Einen Blick vom nahen Hügel des Kings Park auf die Stadt und den kurz vor der Einmündung in das Meer recht breiten Swan River wollen wir natürlich auch noch riskieren.

Moderne Stadtgestaltung Moderne Stadtgestaltung © 1993-2017 Bernd Runde

Am Bootsanleger des nahen Flusses ist eine Haltestelle des regelmäßig zwischen Burswood und Kings Park verkehrenden ‘shuttle bus’. Für 2,50 A$ lassen wir uns von dieser umgebauten historischen Trambahn den steilen Berg hinauffahren, denn inzwischen sind wir recht pflastermüde geworden.

Die alte Tram verkehrt als 'shuttle bus' zum Kings Park Die alte Tram verkehrt als ‘shuttle bus’ zum Kings Park © 1993-2017 Bernd Runde

Es ist traumhaft schön hier oben hoch über der Stadt. Wie Spielzeug wirken die in Richtung City strebenden Autos auf dem großen Verteiler am Ende der aus dem Süden kommenden Schnellstraße. Die Silhouette der Innenstadt am Ufer des mächtigen Stroms und die geradezu himmlische Ruhe des Parks bilden eine unvergessliche Harmonie. Wir streifen dann, auf der Suche nach bisher noch nicht gesehenen Blüten, durch den Botanischen Garten, in dem angeblich alle Pflanzen Westaustraliens angesiedelt wurden. Es ist ein schöner angenehmer Spaziergang mit sich ständig ändernden Ausblicken auf Stadt und Fluss. Für den Rückweg wählen wir einen herrlichen Wander- und Radweg, der zum Schluss direkt am Swan River entlang führt.

Die City von Perth vom 'Kings Park' aus Die City von Perth vom ‘Kings Park’ aus © 1993-2017 Bernd Runde

Die Vorbereitungen für das kommende Programm enden mit einem großen Wasch- und Packfestival. Für Morgen bestellen wir uns vorsichtshalber gleich ein Hotelzimmer, natürlich aus der ‘flag’-Kette. Da wir das Telefon schon in der Hand haben, melden wir in Deutschland, bei unseren Freunden in Newcastle und bei Brendels (Clauß und Christel) unsere glückliche und gesunde Rückkehr aus der Abgeschiedenheit des ‘wilden’ Westens. Das Fernsehen meldet für Morgen Temperaturen um 20°C.

Natürlich bekommen wir nicht den gestern ausgesuchten Wagen. ‘Der ist nicht verkehrssicher und musste in die Werkstatt.’ Dicke Wolken hängen über der Stadt, als wir um 08:20 Uhr unser Gepäck vom Hotel geholt haben und gen Süden starten. Bald sind wir auch wieder auf der Nationalstraße Nr.1, der ‘Old Coast Road’. Nach 60 km, südlich von Rockingham, hört die industrielle Besiedlung auf und wir sind wieder im Grünen. In Mandurah, einer ansprechenden kleinen Stadt mit großem Yachthafen, machen wir einen kleinen Abstecher zum Halls Head. Das Meer tobt ganz schön und ein heftiger Sturm peitscht die Wellen gegen die Küste. Wir drehen eine Schleife durch ein hübsches Wohn- und Siedlungsgebiet, müssen dann aber zurück, da es keine Verbindung zur Nationalstraße gibt. Die Küstenregion besteht hier aus einer Ansammlung unzähliger großer und kleiner Seen mit vielen Sümpfen und großen Wäldern. Im Yalgorup Nationalpark durchqueren wir auf einem Damm den Lake Preston und kommen zum Preston Beach.

Die Küstenregion im Yalgorup-Nationalpark Die Küstenregion im Yalgorup-Nationalpark © 1993-2017 Bernd Runde

Der Sturm hat sich noch nicht gelegt und mächtige Brecher überspülen den flachen Sandstrand, so dass an einen Spaziergang nicht zu denken ist. Nur im Schutz mächtiger Dünen finden wir einen Platz für unser Picknick. Am Leschenault Inlet wählen wir eine alte Landstraße, die durch Weideland direkt am Wasser vorbeiführt. Es wirkt alles sehr gemütlich. Gemütlich wirkt auch die kleine Stadt Bunburry, die wir am frühen Nachmittag erreichen. Das Welcome Inn Motel, unser heutiges Quartier, liegt direkt am heute tobenden Ozean. Auch hier peitscht der Sturm die Wellen gegen die Küste. Wir lassen uns nicht schrecken. Die Luft ist angefüllt mit unzähligen Sandkörnern, die auf der Haut brennen, als ob man in einen Berg Stecknadeln greift. Dicke Wolken fegen über die Küste und lassen der Sonne nur wenig Gelegenheit, ab und zu einen Strahl zur Erde zu senden. Wir sind trotz allem in Hochstimmung. Nach mehreren tausend Kilometern Küstenfahrt gehört auch diese Atmosphäre zu Westaustraliens Küste. Ein ausgezeichnetes Essen im Hotelrestaurant mit anschließendem Espresso in unserem Zimmer beschließt den Tag. Draußen treibt der Sturm inzwischen mit unbeschreiblicher Kraft heftige Regenschauer gegen die Fenster auf der ‘ocean view side’.

‘What a day, today.’ Der neue Tag begrüßt uns mit blauem Himmel an dem einige Schönwetterwolken dahinsegeln. Die Sonne bahnt sich auch schon wieder ihren Weg. Der Weststurm hat sich gelegt, dafür bläst heute ein kräftiger Wind aus Südwest. Die Fahrt geht weiter der Küste entlang bis Busselton. Dieses idyllische, saubere und gepflegte Städtchen mit seinen breiten Straßen verlockt uns zu einem Stadtbummel. Eine Stadt in der sich leben ließe. Von hier geht es auf der #104, dem Vasse Highway, durch dichte Jarrahwälder und frühlingsgrünes Weideland mit sanften Hügeln weiter Richtung Nannup. Es sind nur 59 km, aber nach 2 Stunden sind wir immer noch nicht in Nannup. Wir kommen in dem dichten Wald mit seinem lichten Unterholz überhaupt nicht voran. Eine unendliche Vielfalt blühender Wildblumen lässt uns nicht vorankommen. Eine Blütenstelle ist immer ergiebiger als die nächste. Wir kriechen auf dem Waldboden herum und wissen oft nicht mehr, ob wir diese oder jene prachtvolle Blüte, unter denen eine Menge Orchideen sind, schon fotografiert haben oder nicht. Wenn sich dann ab und zu eine dichte Wolke vor die Sonne schiebt, sitzen wir am Wegesrand und warten auf besseres Licht.

Die Bäume werden immer mächtiger, als wir Nannup passiert haben. Die Straße führt am Rande riesiger Jarrahwald-Schutzzonen entlang, die man hier im ‘tall timber country’ eingerichtet hat. Auch drei kleinere Nationalparks, den Beedelup Nationalpark, den Warren Natiomalpark und den Brockman Nationalpark passieren wir auf unserem Weg in Richtung Northcliffe. Im Karri Valley (Beedelup Nationalpark) beherrschen neben den rotstämmigen Jarrahs vor allem die weißen Stämme riesiger Karribäume das Bild des Waldes. In der Hoffnung, noch irgendwo ein geeignetes Hotel zu finden, beschließen wir, nicht im Karri Valley zu bleiben. Es ist noch so früh am Tage, dass wir gegebenenfalls auch zurückfahren können, denn außer Northcliffe liegt kein weiterer Ort mehr auf unserer Strecke. In Northcliffe steht eine Reklametafel für ein Hotel, also werden wir auch unterkommen. Wir fahren zunächst weiter in Richtung Küste. Eine schmale teilweise nur einspurige Straße führt nach Windy Harbour. Uns reicht die Straße vollkommen, denn sonst ist hier auch niemand, auf den 30 km durch die Hochmoore des D’Entrecasteaux Nationalparks. Auf einem Küstenabschnitt von fast 200 km ist Windy Harbour die einzige Stelle zwischen Augusta und Walpole, an der man mit einem normalen Auto die Küste erreichen kann. Damit ist Windy Harbour auch schon beschrieben, eine ‘Stelle am Meer’. Einige Ferienblockhäuser, ein Campingplatz und der Leuchturm hoch oben auf einer Klippe über dem Meer bilden den ‘Ort’. Aber seinen Namen trägt es zu Recht. Ein eiskalter Wind bläst vom Meer her und treibt die mächtigen Brecher des Süd-Pazifik gegen die felsige Küste. Wir fahren nur noch die halbe Strecke hinauf zum Leuchtturm, denn auf dem tiefsandigen Feldweg befürchten wir, doch noch stecken zu bleiben. Außerdem müssen wir uns nun allmählich um eine Bleibe für die Nacht kümmern. Ach, hätten wir doch bloß unseren Camper dabei.

Malerische sturmgepeitschte Küste bei Windy Harbour Malerische sturmgepeitschte Küste bei Windy Harbour © 1993-2017 Bernd Runde

Tatsächlich, in Northcliffe gibt es ein Hotel. Für 30 A$ beziehen wir ein riesiges sauberes Zimmer. Heizung kennt man hier nicht, dafür liegt in jedem Bett eine Heizdecke. Die schalten wir dann auch schon mal ein, als wir uns noch auf einen kurzen Spaziergang in den nahen Wald begeben. Ein gemütliches Abendessen beschließt dann diesen abwechslungsreichen Tag.

08:00 Uhr ist es, als wir, nach Begleichung einer Rechnung über 60,10 A$ für Abendessen, Übernachtung und Frühstück, zu neuen Taten aufbrechen. Weiter geht es durch stille Forsten. Mitten im Shannon Nationalpark mündet unsere Straße wieder in die Nationalstraße Nr.1, den Western Highway. Ob Nebenstraße oder Highway, voran kommen wir nirgends. Die einzigartige Blütenpracht in den Wäldern hindert uns am zügigen Weiterkommen. Bis Crystal Springs führt die ganze Strecke durch nahezu unberührte Natur. Jeder Fotostopp artet zu einer botanischen Exkursion aus. Kurz hinter Walpole machen wir noch einen kleinen Abstecher zur Küste, die hier, anders als in Windy Harbour, flach und nicht mehr felsig ist. Dann folgen wir einer weiteren ‘scenic route’ und landen im ‘Valley of the Giants’. Dieser tropische Urwald wird beherrscht von mächtigen Karri- und Red Tingle-Riesen.

Wahrhaftige Riesen stehen im 'Valley of the Giants' Wahrhaftige Riesen stehen im ‘Valley of the Giants’ © 1993-2017 Bernd Runde

Auf einem kleinen Rundgang bahnen wir unseren Weg durch das dichte wuchernde Unterholz. Leider ist es nur noch ein kleines Gebiet, das vor Axt und Säge geschützt werden konnte. Die verbrannten Reste viele dieser Baumriesen und mächtige Baumstümpfe sehen wir auf der Weiterfahrt auf großen frisch aus dem Wald gerodeten Weideflächen neuer Farmen. Es muss in den letzten Tagen ganz heftig geregnet haben. Auf dem Weg zur Peaceful Bay spiegelt sich der Himmel nicht nur im Wasser des moorigen Geländes, sondern auch in vielen Wassertümpeln auf und neben der Straße. Eine schöne Sandbucht mit Blick auf die grüne hügelige Küste ist ein angenehmer Platz für unser Mittags-Picknick.

Pfützen am Wegesrand werden zu wahren Biotopen Pfützen am Wegesrand werden zu wahren Biotopen © 1993-2017 Bernd Runde

Man könnte sicher jede Seitenstraße in Richtung Küste abbiegen und würde an einem malerischen Platz landen. Unser nächster Abstecher führt in den William Bay Nationalpark zum Green’s Pool. Wir landen wiederum an einem imposanten Küstenabschnitt, aber ganz anderer Prägung als all’ die Plätze an denen wir bisher waren. Das Ufer besteht aus unzähligen Granitfelsen von jeweils der Größe eines Zweifamilienhauses, zumindest was den aus dem Meer ragenden oberen Teil betrifft. Über die im Laufe von Jahrtausenden glattgehobelten Kolosse, die zu Recht den Namen ‘Elefanten-Felsen’ tragen, donnern auch heute die Brecher des Pazifik und polieren weiter an ihrer Oberfläche. Mehrere Meter steigt und fällt der Wasserspiegel bei jeder anrollenden Welle und der Sturm treibt die Gischtwolken gegen das nahe Ufer. Wir können uns der Faszination dieser Kulisse nicht entziehen, obwohl es alles andere als gemütlich ist.

Brandung formt die Elefanten-Felsen in der William Bay Brandung formt die Elefanten-Felsen in der William Bay © 1993-2017 Bernd Runde

Idyllisch eingebettet in eine grüne Hügellandschaft liegt das kleine Städtchen Denmark am gleichnamigen Fluss. Nach einem kurzen Aufenthalt, schließlich findet man nicht an jeder Straßenkreuzung eine Tankstelle, wählen wir für die letzten 50 km die alte Straße nach Albany. Diese South Denmark Route führt durch frisches grünes Weideland. Um 16:45 Uhr erreichen wir unser heutiges Etappenziel. Schnell haben wir unser Hotel gefunden, wo wir uns für 2 Nächte einquartieren und für den Abend einen Tisch reservieren lassen. Eine kurzer Abstecher führt uns dann noch in die Stadt zur Tourist-Information, damit wir nicht ganz orientierungslos im Torndirrup-Nationalpark herumirren. Reges Leben auf den breiten Straßen, bunte überdachte Laden-Promenaden und viele historische Gebäude lassen uns den Entschluss fassen, den morgigen Tag mit einem ausgedehnten Stadtbummel zu beginnen.

Der alte Bahnhof in Albany Der alte Bahnhof in Albany © 1993-2017 Bernd Runde

Pünktlich kommt um 07:00 Uhr das aufs Zimmer bestellte Frühstück und eine Stunde später brechen wir auf. Na, das ist vielleicht eine Enttäuschung. Absolut ‘tote Hose’, vor 09:00 Uhr ist nichts los ‘down town’. Sogar die Bank macht erst um 09:30 Uhr auf. Wir bummeln gemütlich kreuz und quer durch die Stadt, bewundern die vielen schmucken Häuser und genießen den Blick hinunter auf den Princess Royal Harbour, eine geschützte Bucht, deren Lage der Anlass für die einstige Stadtgründung war. Nachdem wir dann auch noch die Reisekasse aufgefüllt haben, geht’s los in den Torndirrup Nationalpark.

Granitfelsen beherrschen die Küste im Torndirrup-Nationalpark Granitfelsen beherrschen die Küste im Torndirrup-Nationalpark © 1993-2017 Bernd Runde

Umspült von den Wassern der Torbay Bay im Westen und dem King George Sound im Osten ragt, wie die mächtige Schwanzflosse eines Wals, eine Halbinsel in den Südpazifik, deren überwiegender Teil als Nationalpark geschützt ist. Bearbeitet durch die Naturgewalten, zeigt sich die Küste in den bizarresten Formen. Auf schmalen Straßen sind die markantesten Punkte direkt ansteuerbar. Unsere erste Station ist ‘The Gap & Natural Bridge’. 25 m hoch sind die Granitfelsen, aus denen das Meer eine natürliche Brücke ‘geschnitzt’ hat. Gleich daneben ein schmaler tief ins Land reichender Einschnitt, in den der Südpazifik mit mächtigen Brechern hineindonnert. Das Wasser scheint zu kochen. Nur ab und zu ist in der brodelnden Gischt ein Schimmer des blauen Meeres zu sehen. Ungeschützt bewegen wir uns am Rande dieses imposanten Naturschauspiels, ständig darauf bedacht, auf dem nassen und schlüpfrigen Fels nicht auszurutschen.

Das Meer hat die Küste geformt - 'natural bridge' Das Meer hat die Küste geformt - ‘natural bridge’ © 1993-2017 Bernd Runde

Ein langer Fußweg durch blühendes Buschland führt zu den ‘Blow Holes’. In Erinnerung an die gleichnamige Szenerie bei Carnarvon wollen wir uns dieses Schauspiel natürlich auch hier nicht entgehen lassen. Leider blasen sie heute nicht. Laut gurgelnd hört man das Wasser tief unter den dicken Gesteinsplatten arbeiten. Bei jedem Schritt erwartet man, dass aus irgendeiner Felsspalte eine mächtige Fontäne hervorschießt, aber es tut sich nichts. Anscheinend steht der Wind nicht richtig, oder es ist Ebbe mit ablaufendem Wasser.

Jimmy Newhills Harbour’ heißt eine kleine stille Bucht inmitten der ursprünglichen Natur, die wir noch aufsuchen, bevor wir zum King George Sound hinüberwechseln. An der Frenchman Bay, ganz in der Nähe der zum Museum umfunktionierten alten Walfänger-Station, finden wir am Waterbay Point einen schönen Platz für unser Picknick. Danach ist es wieder die Natur, die uns fesselt. Bei einem ausgedehnten Spaziergang durch das felsige Gelände sind es neben den üppig blühenden Wildblumen auch Schmetterlinge, die unser Fotografenherz höher schlagen lassen. Im Gegensatz zu der dem Pazifik zugewandten Seite, ist das Meer hier ausgesprochen ruhig und plätschert ganz sacht auf den gelben Sandstrand der windgeschützten Bucht.

Einsamkeit inmitten einer einzigartigen Landschaft - Die 'Salmon Pools' Einsamkeit inmitten einer einzigartigen Landschaft - Die ‘Salmon Pools’ © 1993-2017 Bernd Runde

Noch einmal wechseln wir hinüber auf die Ozeanseite der Halbinsel zu den ‘Salmon Pools’. Geschützte Buchten und flachere Stellen im Meer sind bevorzugter Aufenthaltsort der Lachse. Wir können die Lachse so richtig verstehen. Es ist wirklich eine zauberhafter Bucht mit weißem Strand zwischen gewaltigen Felsbrocken. Wir steigen von den hohen Klippen hinunter in die Bucht und lassen uns verzaubern von diesem imposanten Panorama. Die Stille - sogar die Möwen und Seeschwalben schweigen - wird nur unterbrochen, wenn sich ab und zu eine größere Welle noch überschlägt, bevor sie sanft auf den flachen Strand aufläuft.

Und wenn die Natur auch noch so faszinierend ist, irgendwann muss man sich auch losreißen können. Jedesmal, wenn wir einen Platz mit der Ausstrahlung des Salmon Pools verlassen, fragen wir uns, ob der nächste Ort, den wir aufsuchen, sich auch in die Reihe der unvergesslichen Plätze auf diesem Kontinent einreihen wird. ‘Emu Point’ heißt die Landzunge, die im Westen eine Meeresenge begrenzt, die den ‘Oyster Harbour’ vom Meer trennt. Oyster Harbour ist eine riesige flache Lagune voller Sandbänke mit einer kleinen Insel mittendrin. Wir bummeln am Wasser entlang und landen schließlich im ‘Café Emu Point’. Wenn wir schon unseren Wohnsitz nicht hierher verlegen können, so werden wir wenigstens heute Abend zum Dinner noch einmal zurückkehren.

Wir bereiten alles für unsere morgige Weiterfahrt vor und lassen dann auch noch ein Hotelzimmer in Perth reservieren. Es ist stockdunkle Nacht, als wir uns durch die einsamen Außenbezirke der Stadt wieder hinausfahren zum Emu Point. Im Restaurant herrscht reger Betrieb. Wir finden aber noch einen Platz und erleben wieder einmal eine uns unbekannte Variante eines Restaurantbetriebes. Die einzige Speisekarte hängt in überdimensionalen Ausmaßen an der Wand, an der Kasse gibt man seine Bestellung auf und darf auch gleich bezahlen. So gemütlich, wie wir es uns vorgestellt hatten, wird der Abschiedsabend von Albany also nicht.

Eine Wanderung in der Wildnis der Porongurup Ranges Eine Wanderung in der Wildnis der Porongurup Ranges © 1993-2017 Bernd Runde

Zwei Gebirge liegen auf unserem Weg zurück nach Perth. Von beiden sind Großteile als Nationalparks deklariert. Schon eine Stunde nach unserem Aufbruch erreichen wir die Porongurup Ranges. Eine Tafel am Parkplatz verspricht einen 1,5 bis 2-stündigen Rundweg. Nur, welcher der unmarkierten Trampelpfade ist der Startpunkt des Rundwegs? Wir marschieren, ausgerüstet mit Rucksack und Wanderstiefeln, einfach hinein in den dichten Karriwald. Rot und Blau sind die beherrschenden Blütenfarben der im Unterholz wuchernden Büsche und Ranken. Mit ständig wechselndem Standort begleiten uns aus den hohen Bäumen die munteren Rufe fremdartiger Vögel. Der Weg irritiert uns in sofern, dass er keine Anstalten macht, seine Richtung zu ändern. Sollten wir doch nicht den Rundweg erwischt haben? Noch 100 m weiter versperren dicke Baumstämme den Weg, dort werden wir eine kurze Rast einlegen und dann umkehren. Welche Überraschung, genau an dieser Stelle gabelt sich der Weg und ein verwittertes kleines Schild weist zum ‘Nancy Peak’. Also weiter. Und es gibt nichts zu bereuen. Über Stock und Stein klettern wir immer höher. Nach allen 10 Schritten wechselt die Vegetation und die Blütenpracht wird immer üppiger. Am ‘Morgans View’ genießen wir den Blick auf die Felskuppel des 671 m hohen ‘Devil’s Slide’ und des ‘Marmabup Rock’ und weit hinunter ins flache Land bis zum 40 km entfernten Albany.

In der Ferne grüßen die Stirling Range In der Ferne grüßen die Stirling Range © 1993-2017 Bernd Runde

Vom 662 m hohen ‘Nancy Rock’ öffnet sich dann auch noch die Sicht auf die 60 km weiter nördlich liegenden Stirling Ranges. Wir sind hingerissen von dieser Komposition aus wilder Felslandschaft, überwuchert von einer unbeschreiblichen Blütenpracht, und dem es einfassenden Panorama mit der Silhouette der sich abrupt aus dem flachen Land erhebenden Berge. Über den ‘Haywards Peak’, dessen Felsmassiv über und über bedeckt ist mit einem Teppich blühender Moose, geht es zunächst mäßig und zum Schluss recht steil abwärts. Nach 3 Stunden erreichen wir, recht geschafft zwar, aber zufrieden, den Parkplatz mit unserem Auto.

Im nahen Dorf lassen wir uns in einem ‘cottage’ 2 Pizzas und unseren restlichen Rotwein schmecken. Die ‘castle rock winery’, eine kleines Anwesen, wählen wir für eine unverbindliche Weinprobe aus. Die Weine sind ausgezeichnet. Leider können wir nicht alles mitnehmen, was uns in diesem Land gefällt. Übermorgen wird ja schon wieder das Fluggepäck gewogen. Die Fahrt über den Chester Pass zu den, zum Greifen nahe vor uns liegenden Stirling Ranges, geht zügig, und so sind wir auch schon kurz darauf am ‘Bluff Knoll’, dem mit 1.073 m höchsten Gipfel des Gebirges. Ein ausgedehnter Spaziergang führt uns bis zum Fuß des Berges. 3-4 Stunden Aufstieg, das ist für den Nachmittag zu lang, um noch rechtzeitig irgendwo eine Bleibe für die Nacht zu finden. Ach, hätten wir doch bloß noch unseren Camper. Dann wären wir auch nicht darauf angewiesen, auf den geteerten Straßen zu bleiben, und könnten quer von Ost nach West über die Gravelroad durch das Herz des Nationalpark fahren.

Am Fuße des Bluff Knoll in den Stirling Ranges Am Fuße des Bluff Knoll in den Stirling Ranges © 1993-2017 Bernd Runde

So verlassen wir die Stirling Range im Norden wieder. Die gesamte Strecke führt, bis wir bei Broomehill wieder auf den Highway stoßen, durch großflächig genutztes Landwirtschaftsgebiet. Riesige goldgelbe Weizenfelder - schon jetzt im Frühling - und grüne Weideflächen mit Schafherden wechseln sich ab. In künstlich angelegten Wasserlöchern wird das kostbare Nass für die Trockenzeiten gesammelt. Durch viele Schirmakazien mit kahlen Stämmen und Ästen und einem meist nur spärlich begrünten flachen Blätterdach erhält die Landschaft einen besonderen Charakter. Als dunkler Umriss hebt sich während der ganzen Fahrt die Silhouette der Stirling Range gegen den Horizont ab.

Der erste Ort auf unserer Strecke, in dem Aussicht besteht, dass wir ein Quartier finden, ist Katanning. Das Zentrum des reichsten Weizen-, Woll- und Weingebiets Westaustraliens macht auch heute noch den Eindruck einer im Aufbruch befindlichen Pionierstadt. In einem alten hölzernen Prachtbau aus der Jahrhundertwende, dem ‘Katanning Unit Hotel’, finden wir Unterschlupf. In unserem Zimmer haben sicher schon Generationen von Cowboys und Farmern übernachtet. Es ist alles spartanisch eingerichtet, aber sauber. Selbst der total ausgefranste Badvorleger ist blütenweiß gewaschen. Natürlich gibt es kein Telefon, aber eine Heizdecke liegt wieder im Bett, wie wir sie schon in Northcliffe kennengelernt haben.

Aus grauer Vorzeit - das Katanning Unit Hotel Aus grauer Vorzeit - das Katanning Unit Hotel © 1993-2017 Bernd Runde

Beim Bummel durch die Stadt entdecken wir eine niedliche kleine, weiß-rot gestrichene Dorfkirche. Beim Versuch einen Blick ins Innere zu werfen, erleben wir dann eine Überraschung. Das Gebäude ist gar keine Kirche mehr. Es ist das Domizil eines China-Restaurants. Wir bestellen uns einen Tisch fürs Abendessen. In der Hauptstraße finden wir auch eine Telefonzelle und lassen unseren Flug nach Adelaide bestätigen. Jetzt heißt es noch eine Flasche Wein besorgen, um für das Dinner gerüstet zu sein. Es ist schon zur Australien-Routine geworden, rechtzeitig festzustellen, ob ein Restaurant ‘licensed’ oder ‘BYO’ (buy your own) ist. Für 39,00 A$ genießen wir dann einen Abend in gepflegter Atmosphäre.

Auf dem Lande steht man früh auf, denken wir, als wir um 07:00 Uhr unser Gepäck ins Auto bringen wollen. Das gilt aber nicht für Katanning. Alle Türen sind verrammelt. Im Frühstücksraum, einem riesigen Saal in dem sonst wohl Gemeindefeste gefeiert werden, herrscht Grabesstille. Es dauert ein Weilchen, bis wir jemanden finden, der uns die Zutaten fürs Frühstück hinstellt und den Wasserkocher anwirft. Der Rest heißt dann ‘help yourself’. Die Suche nach dem verschlafenen Hausgeist beginnt noch einmal, als ich die Rechnung begleichen will. Für 40,00 A$ muss man schon ein bisschen selbst mit Hand anlegen denken wir so, als uns einfällt, dass heute Sonntag ist.

Auch Wagin, eine hübsche Kleinstadt auf unserem weiteren Weg, wirkt noch sehr verschlafen. Allerdings hätten wir hier einige Hotels zur Auswahl gehabt. Bei einem kurzen Bummel durch den Stadtpark entdecken wir auf einer Informationstafel einige Hinweise auf Sehenswürdigkeiten. ‘Old village’, ein Museumsdorf aus Pionierzeiten, hat allerdings noch geschlossen. Wir fahren bis Piesville, wo es eine Wildblumen-Landschaft geben soll. Gibt es auch. Obwohl nur ein winziges Fleckchen, begeistern uns auch hier wieder die verschiedenartigsten Pflanzen, Blüten und herrliche ‘blackboys’, die imposanten Grasbäume. Wir passieren noch einige kleine Orte auf der Fahrt nach Norden und verlassen den Southern Highway in Brookton.

Grasbäume - die imposanten 'black boys' Grasbäume - die imposanten ‘black boys’ © 1993-2017 Bernd Runde

Die 140 km quer durch die nördlichen Darling Range sind, abgesehen von einigen wenigen Farmen, ohne jede Besiedlung. Am ‘Christmas Tree Well’ machen wir Rast. Leider sind von den großen mächtigen Bäume rund um das Wasserloch nur noch die Stümpfe übrig. Es folgen wieder dichte Jarrahwälder, bis wir bei Boulder Rock in ein fruchtbares Tal mit intensivem Obstanbau stoßen. Herrliche Villen und Landhäuser signalisieren, dass wir nur noch 40 km von Perth entfernt sind. Mit Staudämmem und Stauseen hat man die Voraussetzungen geschaffen, um aus diesem Landstrich einen blühenden Obstgarten zu machen. In Kelmscott stoßen wir auf den Albany Highway und sind mitten drin im Sonntagabend-Ausflugsverkehr südlich von Perth.

Über Tonkin Highway und Eastern Highway erreichen wir unser in unmittelbarer Nähe zum Flughafen gelegenes Hotel. Inzwischen haben wir 6 Übernachtungen in Flag-Hotels hinter uns, und somit steht uns die erste freie Übernachtung aus Bonuspunkten zu. Leider bereitet das einige Probleme, weil ich nicht alle alten Rechnungen vorlegen kann. Wir werden es schon richten. Zunächst erstmal ab in den Swimmingpool. Mit einem wunderbaren Essen - den Wein muss ich noch schnell von nebenan aus dem ‘bottle shop’ holen - beschließen wir unseren Aufenthalt in Westaustralien. Dem Vorsitzenden der Australischen Schafzüchter Gesellschaft müssen wir noch eine Einladung auf seine Farm ausschlagen. Er will nicht glauben, dass wir unbedingt schon Morgen nach Süd-Australien fliegen müssen.

Die Zeitverschiebung von 1,5 Stunden macht’s möglich, Amexco in Adelaide hat schon den Auftrag vorliegen, einen Aufenthalt auf Kangaroo Island vorzuklären. Um 08:00 Uhr, gleich nach dem Frühstück, brechen wir auf Richtung Flughafen. 15 Min. später ist der Wagen bei AVIS in Perth abgegeben. Wir haben mal wieder reichlich Zeit, der Flug geht erst um 10:45 Uhr.


Australiens abwechslungsreicher Südosten

Zahlen, Daten, Fakten zu diesen Reiseetappen

Adelaide, der Südosten von South Australia und Kangaroo Island, 1.185 + 802 km

Von der Mündung bis zu Quelle den Murray River stromaufwärts bis in die Alpin-Region und nach New South Wales, 3.176 km

Wein und Hummer (Lobster) in Süd-Australien.

Unter uns gleitet, wie in einem bunten Bilderbuch, die wilde Landschaft Südwest-Australiens dahin. Opalen gleich wirken hunderte farbiger Wasserlöcher. Abhängig von den aus dem Wüstensand gewaschenen und im Wasser gelösten Mineralien und verschiedenen Bakterien, hat jedes eine andere Farbe. Fast 45 Min. lang wechseln Farben und Muster, ehe die Maschine irgendwo östlich von Esparance die Küste erreicht und über die ‘Große Australische Bucht’ Adelaide entgegenstrebt.

Nach 3 Stunden Flug landen wir in Adelaide, der Hauptstadt Süd-Australiens. Unser lieber Freund Irving hat es sich nicht nehmen lassen, uns schon auf dem Flughafen zu begrüßen. Er lädt uns zum Tee zu sich nach Hause ein, ‘um alles weitere für die kommenden Tage besser besprechen zu können’, wie er sagt. Daraus wird dann ein Abendessen mit Bier. Wir plaudern über alte Zeiten, unsere bisherige Reise und das, was wir noch vorhaben. Um 20:30 Uhr fährt er uns dann noch ins Hotel, das wir zwischenzeitlich telefonisch über unser Eintreffen informiert hatten. Am ‘Belair’, einem Aussichtspunkt in den Bergen hoch über der Stadt, macht Irving kurz halt und wir genießen die Aussicht auf die nächtliche 1,2-Millionen-Metropole. Die hell erleuchtete Stadt wirkt von hier oben wie ein riesiger Rummelplatz. Ungetrübt geht der Blick bis zur dunklen Linie des Ozeans, und zum Greifen nahe erscheint die 12 km entfernte City. Plötzlich einsetzender Regen vertreibt uns von diesem wunderschönen Aussichtspunkt.

Der neue Tag hält wieder eine Überraschung bereit, es gießt nicht nur in Strömen, sondern es ist auch empfindlich kalt geworden. Der Wetterbericht sagt Schauerwetter bei 18° C an. Es gibt aber keine Situation, auf die wir nicht vorbereitet sind. Um 08:00 Uhr starten wir zu Fuß in die Stadt, wir sind ja noch ohne Wagen, und es sind doch einige Dinge zu erledigen. Heute beginnt ein Abschnitt dieser Reise, für den wir keinerlei Vorbereitungen getroffen haben. Es gilt also, aus jedem Tag das Optimum herauszuholen. Auf dem Weg in die City heißt es dann mehrmals - Regenjacken an -, - Regenjacken aus -. Der erste Weg führt uns ins Amexco-Reisebüro, um den geplanten Abstecher nach Kangaroo Island zu buchen. Leider klappt nicht alles nach unseren Vorstellungen. Unser Wunschhotel ist belegt, und erst in 5 Tagen können wir eine Tour beginnen, die es ermöglicht, die ganze Insel kennenzulernen. Kein Problem für uns, wir sind ja frei, so zu disponieren, wie es die jeweiligen Umstände erfordern. Tourist-Information, Automobilclub, Post und zum Abschluss die Autovermietung ‘Budget’ sind die nächsten Anlaufstellen während unseres Bummels durch die Stadt. Bei Budget macht man uns ein Angebot, das uns sehr überteuert erscheint. Die Preise tragen wohl der Situation Rechnung, dass in einigen Tagen der ‘Automobile Grand Prix’ beginnt, und in der Stadt Hochbetrieb herrscht. Wir erbitten uns Bedenkzeit bis 15:00 Uhr.

City Cross Arkaden in Adelaide City Cross Arkaden in Adelaide © 1993-2017 Bernd Runde

Wir bummeln durch die ‘Mall’ und landen zum Lunch, es ist inzwischen 12:00 Uhr, in einem riesigen Fresszentrum im ‘City Cross’. Über ein Dutzend verschiedener Kioske in Marmor, Messing, Glas und Lack bieten Speisen aus aller Herren Länder. In der großen unterirdischen Halle herrscht reges Treiben. Wir entscheiden uns ‘mal wieder für die chinesische Küche und brauchen nichts zu bereuen, es schmeckt ausgezeichnet.

Zurück im Hotel versuchen wir ein Auto zu mieten, vergebens. Avis, Hertz und wie sie sonst noch alle heißen, haben heute nur ein bedauerndes ‘sorry’ zu bieten. Die Preise wären aber die gleichen wie bei Budget gewesen, wenn … Also heißt es, schnell zuzugreifen und bei Budget fest zu reservieren. Um 17:00 Uhr kommt Irving, den wir gebeten hatten, sich einen schönen Platz fürs Dinner einfallen zu lassen, zu dem wir ihn eingeladen haben. Wir trinken gemeinsam unseren Nachmittagstee und fahren dann zum Warrawong Sanctuarry, einem privaten Naturschutzpark. Im kleinen angeschlossenen Restaurant, wir sitzen allerdings sehr unbequem, essen wir sehr bescheiden, zu Abend. Es dauert noch bis 20:00 Uhr, ehe die Nachtführung durch den Park beginnt. 1,5 Stunden marschieren wir in Kälte und pechschwarzer Nacht auf verschlungenen Pfaden durch die zum australischen Busch rekultivierten Landschaft und beobachten Bettongs, Wallebies, Kängurus u.a. nachtaktives Getier in freier Wildbahn. Die auch wieder eingebürgerten Schnabeltiere lassen sich allerdings nicht sehen.

Irving fährt uns auch zurück ins Hotel, wo wir uns mit Kaffee und Tee wieder aufwärmen. Dabei besprechen wir dann die Einzelheiten für unsere Rundreise durch die südlichen Regionen von ‘South Australia’. Einige Tipps von Irving ergänzen unseren Plan.

Am nächsten Morgen erhalten wir dann auch von Amexco die endgültige Bestätigung für das Kangaroo Island Programm. Am Sonntag geht’s los. Wir haben also 4 Tage für ein erholsames ‘Zwischenprogramm’. Das angemietete Auto entpuppt sich als ein am Vortag noch absolut nicht verfügbarer Kleinwagen. Das ist also der Trick, man vermietet ein großes Fahrzeug, und stellt dann ein kleines vor die Tür. So kann man natürlich auch Geschäfte machen. Die Kunden werden das schon akzeptieren. Wir nicht. Also noch einmal zu Budget. Nach langen Diskussionen und einem Telefonat mit dem zur Zeit am Flughafen weilenden Büroleiter ist dann alles klar. Mit reduziertem Preis für den Kleinwagen und einem schriftlichen Vertrag für den 12.11. über einen Ford Falcon in der Tasche, können wir endlich aufbrechen. Jetzt fehlen uns nur noch einige Landkarten vom RAA (Royal Automobile Association). Es ist inzwischen 11:00 Uhr geworden. Tiefhängende Wolken über den Ranges sehen nicht sehr vielversprechend aus.

Überfluteter Murray bei Mannum Überfluteter Murray bei Mannum © 1993-2017 Bernd Runde

In Hahndorf verlassen wir den Highway. Die Wolken sind uns nicht über die Berge gefolgt. Es ist ein sonniger Frühlingstag. Die Fahrt geht durch kleine saubere Dörfer inmitten des landwirtschaftlich genutzten Hügellandes der Adelaide Hills und Lofty Ranges. In Birdwood am Torrens River kehren wir in einem alten ‘Dorfkrug’ zum Lunch ein. Von hier aus folgen wir der direkten Route nach Mannum, und erreichen damit unseren Weggefährten für die nächsten Tage, den Murray River. Mit der, wegen der enormen Strömung seilgeführten, kostenlosen Autofähre erreichen wir das östliche Ufer. Breit und mächtig wälzen sich die lehmigen Wasser des Flusses dem Meer entgegen. In den Sümpfen, Schilfzonen, auf Inseln und Sandbänken tummeln sich hunderte Pelikane, schwarze Schwäne und andere Vögel. Es ist ein erhebendes Gefühl, diesem unbändigen Fluss so nahe zu sein. Er bahnt sich noch heute seinen Weg so durch die Landschaft, wie es ihm gefällt. Wir folgen auf einem holprigen und staubigen Feldweg seinem Lauf bis kurz hinter Younghusband, wo er, aus Norden kommend, seine Richtung im 90°-Winkel jäh ändert. Hier drehen wir um, und kehren im weiten Bogen zum Startpunkt der Flusstour zurück, diesmal auf guter Straße. In weiten Mäandern windet sich der Fluss ab hier durch die immer flacher werdende Landschaft. Oft ist das Flussbett nur noch an der es begleitenden grünen Vegetationszone in der Ferne zu erkennen. Schmaler wird der Murray nur dort, wo die Landschaft etwas hügeliger wird. Dann hat sich der Fluss ein tiefes Bett, mit zum Teil steilen Uferböschungen, ins Gelände gesägt. Dort nähert sich ihm dann auch die Straße wieder. An einer solchen Stelle mit geringem Überschwemmungsrisiko wurde 1867 die erste Brücke über den Fluss gebaut. Bis heute ist es auf einer Länge von über 150 km auch die einzige geblieben.

Hochwasser bei Bowhill Hochwasser bei Bowhill © 1993-2017 Bernd Runde

Murray Bridge ist inzwischen ein kleines aufstrebendes Städtchen und heute auch unser Etappenziel. 3 km außerhalb des Ortes finden wir ein ansprechendes Hotel. Mit einem ausgedehnten Stadtbummel und einem ausgezeichneten Abendessen im Hotelrestaurant beschließen wir diesen Tag.

Weiter geht’s südwärts. Der Himmel kann sich noch immer nicht so recht entscheiden zwischen stark bewölkt und strahlend blau. Tiefhängende schwarze Regenwolken jagen übers Land. Bei Jervois setzen wir erneut mit der Fähre über. Durch recht langweilige Weide- und Getreideanbaugebiete folgen wir ab Tailem Bend dem Dukes Highway, der in Richtung Bordertown und der Grenze zu Victoria führt. In Keith verlassen wir den Highway, um dann bei Padthaway die südlichen Weinanbaugebiete von Südaustralien zu erreichen. In Naracoorte übermannt uns der Hunger. Heute ist ‘mal wieder ‘chicken-lunch’ im Auto fällig. Kurz hinter der Stadt ist ein großer See mit einem Naturschutzgebiet in der Karte verzeichnet. Das ist natürlich ein Grund für einen Abstecher.

Die ‘Bool Lagoon’ ist ein wahres Vogelparadies. Über hunderten schwarzer Schwäne auf dem See und unzähligen Reihern im Schilfgürtel ziehen riesige Ibisschwärme dahin und erfüllen die Luft mit ihren Schreien. Eine Tafel an einem Zaun weist auf regelmäßige Führungen durch die Uferzone hin. Wir sehen gerade eine Personengruppe durch ein Gittertor verschwinden. Es gelingt uns, die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken und wir dürfen uns der Gruppe anschließen. So erhalten wir noch aus erster Hand Informationen über die Vogelwelt dieser Region.

Alte Rebstöcke im Weinanbaugebiet um Coonawarra Alte Rebstöcke im Weinanbaugebiet um Coonawarra © 1993-2017 Bernd Runde

Im Zentrum der Region aus der angeblich der beste australische Rotwein kommen soll, in Coonawarra, finden wir ein angenehmes Hotel, dem auch eine Weinprobierstube angeschlossen ist. Wir brauchen aber gar nicht in die Probierstube. Zum Abendessen lassen wir uns verschiedene Weine kredenzen, so dass wir unseren Einkaufszettel für morgenfrüh schon fertig haben. Überraschung am Abend, plötzlich kommt die Chefin des Hauses mit dem drahtlosen Telefon und behauptet, da sei ein Gespräch für uns. Es ist wirklich. Nach dem Motto, die haben gesagt, dass sie immer in Flag-Hotels absteigen, hat Irving uns aufgespürt. Er will uns nur noch die neuesten Fakten für unseren Abflug am Sonntag mitteilen. “Und fahrt bloß zeitig los, in Adelaide ist morgens immer riesiger Betrieb.”

Fünf Flaschen Wein wandern am Morgen in unser Gepäck. Ganz sicher werden wir noch einige BYO-Restaurants ansteuern. In der Erwartung, am frühen Morgen zu noch besseren Aufnahmen zu kommen als gestern, fahren wir noch einmal zurück zur Bool Lagoon. Es ist wirklich lohnenswert. Wir halten uns wieder über 2 Stunden am Ostufer des Sees auf und lauern mit der langen Brennweite den scheuen Bewohnern der Lagune auf. Zum Abschluss erwischen wir im ufernahen Gestrüpp noch einen besonders niedlichen kleinen Kerl. Nur zaunköniggroß huscht ein blaues Federknäuel durchs Geäst, ein ‘Blue Wren’ (deutsch: Staffelschwanz). Wir beschließen, noch einmal nach Coonawarra zurückzukehren und ein Weingut zu besuchen. Eine Weinprobe im Hotel erscheint uns einfach nicht zünftig genug. Im ‘Highbank Vineyard’ werden wir freundlich empfangen und vom Besitzer persönlich in die gute Stube geführt. Beim Gespräch über das ‘woher?’ und ‘wohin?’ erfahren wir auch einiges über seinen herbizid- und insektizidfreien Weinanbau. Wir dürfen das Haus nicht verlassen, ohne sein komfortables Gästezimmer zu besichtigen und zu versprechen, beim nächsten Australienaufenthalt wiederzukommen. Die Highbank-Weine schmecken wirklich vorzüglich, leider wird er mangels Masse noch nicht nach Deutschland exportiert. Beim Abschied, natürlich gehen auch hier wieder einige Flaschen mit, empfiehlt uns Mr. Vice, auf jeden Fall in Robe bei Wilsons zum Lunch einzukehren.

In Penola biegen wir auf eine schmale Landstraße ab, die uns durch reiches, von gewaltigen Dränagekanälen durchzogenes landwirtschaftlich genutztes Gebiet führt. Am ‘Lake Hawdon South’ erreichen wir den Princes Highway und kurz darauf die Küstenstadt Robe. ‘Wilson’s at Robe’ ist ein uriger Pub mit altertümlicher Einrichtung. Wir lassen uns die heimische Kost schmecken. Dort wo ein riesiger Leuchtturm auf den Klippen des Kaps die Gegend beherrscht, machen wir einen kleinen Strandbummel und lasse uns den frischen Wind um die Nase wehen. Es sind nur noch wenige Kilometer in die Hummerstadt Kingston S.E., wo wir gegen 15:00 Uhr eintreffen.

Historische Post in der Hummerstadt Kingston S.E. Historische Post in der Hummerstadt Kingston S.E. © 1993-2017 Bernd Runde

Es ist also noch reichlich Zeit, um sich die Stadt anzusehen und für einen ausgedehnten Spaziergang am menschenleeren, schier endlosen Strand. Bei unserer Ankunft im Hotel hatte uns die Chefin des Hauses versprochen, nichts unversucht zu lassen, damit wir zum Abendessen frischen Hummer bekommen, wenn uns unsere Reise extra deswegen nach Kingston geführt hat. Es wird ein unvergesslicher Abend im gemütlichen Restaurant des Hotels.

Blick von der Younghusband-Halbinsel auf die Lagune 'The Coorong' Blick von der Younghusband-Halbinsel auf die Lagune ‘The Coorong’ © 1993-2017 Bernd Runde

In Küstennähe nordwärts führt der Princes Highway durch eine eigentümliche Landschaft. Auf einer Strecke von über 100 km zieht sich das schmale Band der Lagune ‘The Coorong’ die Küste entlang, vom Meer getrennt von der nur 1 km breiten ‘Younghusband’-Halbinsel. Mächtige blendend-weiße Dünen trennen den strahlend blauen Himmel vom türkisfarbenen Wasser der Lagune. Dort wo die flache Lagune beginnt zu verlanden, funkeln die weißen Salzkrusten wie Edelsteine in der Sonne. Lagune und Halbinsel bilden den Coorong Nationalpark. Nur an einer Stelle gelingt es uns, etwas tiefer in die Abgeschiedenheit und Stille dieser einmaligen Landschaft vorzustoßen. Am ‘chinaman’s well’, einem alten, während des Goldrausches von Chinesen auf dem Weg nach Ballarat angelegten Brunnen, stoßen wir zu Fuß bis an die Lagune vor.

Bei Meningie wollen die Möwen an unserem Picknick teilhaben Bei Meningie wollen die Möwen an unserem Picknick teilhaben © 1993-2017 Bernd Runde

Bei Meningie am Lake Albert erreichen wir dann das Mündungsgebiet des Murray River. Bevor der Fluss sich in den Südpazifik ergießt, bildet er mit dem Alexandrina-See und dem Albertsee, die zusammen eine Fläche von 746 qkm bedecken, Australiens größtes Süßwasserreservoir. Am Rande der beschaulichen Kleinstadt, direkt am Seeufer, legen wir unsere Picknickpause ein. Umringt von plündernden und schreienden Möwen, mit Ausblick auf das ruhige Wasser des Sees, lassen wir uns den frisch gebackenen Fisch schmecken. Auf der Weiterfahrt faszinieren uns riesige Salzwassersümpfe und Seen mit, durch im Wasser gelöste Salze, tiefrotem Wasser, die teilweise mit einer dicken Salzkruste überzogen sind und wie zugefroren wirken. Die Hitze und die inzwischen von einem wolkenlosen Himmel brennende Sonne schaffen die richtige Atmosphäre für diesen trostlosen Landstrich.

Salzwasser-Seen verleihen der Landschaft ein unwirkliches Aussehen Salzwasser-Seen verleihen der Landschaft ein unwirkliches Aussehen © 1993-2017 Bernd Runde

Die seilgeführte Fähre über den Murray bei Wellington Die seilgeführte Fähre über den Murray bei Wellington © 1993-2017 Bernd Runde

Die erste Fähre geht bei Wellington über den Fluss, kurz vor seiner Einmündung in den Alexandrina-See. Wir setzen ein weiters Mal über und folgen der Route über Strathalbyn und Goolwa am ‘Unteren Murray’ bis Victor Harbor. Hier, im Herzen von Südaustraliens Ferienparadies, nur 80 km vom Zentrum Adelaides entfernt, haben wir für die Nacht vor dem Abflug nach Kangaroo Island noch ein freies Zimmer gefunden und reservieren lassen. Es herrscht Wochenendbetrieb in der Stadt. Wir schlendern durch die saubere Innenstadt mit ihren ansprechenden Arkadengänge. Es ist angenehm, sich ‘mal richtig treiben zu lassen und den warmen Frühlingsabend zu genießen.

Deutsches Würstchen bei Klaus in Victor Harbor Deutsches Würstchen bei Klaus in Victor Harbor © 1993-2017 Bernd Runde

Vor dem Abendessen erfrischen wir uns noch im warmen Swimmingpool des Hotels. Den Tagesabschluss bildet dann wieder eine wahre Gepäckumräum- und -umpack-Orgie. Wir wollen nur das Nötigste mitnehmen und den Rest bei Irving deponieren. Nur, was wird nötig sein und was nicht? Mit der Erfahrung der letzten Wochen gelingt uns aber auch das. Vom Hotelier erhalten wir noch einen Tipp, wo wir am sinnvollsten auf die Küstenstraße wechseln müssen, um auf dem Weg zum Flughafen die Innenstadt zu umfahren. Als am nächsten Morgen um 05:00 Uhr der Wecker klingelt, ist alles gut vorbereitet, und schon um 06:00 Uhr setzen wir uns Richtung Adelaide in Bewegung. Auf fast leeren Straßen kommen wir zügig voran. Auch auf den Straßen Adelaides keine Spur des angekündigten Gran-Prix-Fiebers. Gepäck ausladen und Wagen abgeben sind in wenigen Minuten erledigt. Jetzt warten wir auf unsere Reisepapiere, die Irving von Amexco abholen wollte.

Paradiesische Insel Kangaroo Island.

Nur 30 Minuten Flug nach Kangeroo Island Nur 30 Minuten Flug nach Kangeroo Island © 1993-2017 Bernd Runde

Pünktlich zur vereinbarten Zeit erscheint der gute Irving mit unseren Tickets, und wir können starten. Der kleine 2-motorige Inselhüfer mit nur 16 Sitzen hebt pünktlich um 09:25 Uhr von der Rollbahn ab. 30 Min. später landen wir auf Kangaroo Island, mit der Hoffnung in uns, hier einige wirklich paradiesische Tage zu verbringen. Hervorragende Bedienung bei der Autovermietung. Wir erhalten ausführliche Straßen- und Besichtigungsinformationen und einen nagelneuen Geländewagen LandCruiser 4500i (km-Stand <3.000 km).

Erstes Ziel ist die Inselhauptstadt Kingscote. Es ist Sonntag und der Ort träumt still vor sich hin. Ein kurzer Spaziergang zu ersten Erkundung, ‘fish’n ships’ in einem kleinen Imbiss und wir setzen unsere Fahrt fort. Am Beatrice Point wandern wir hinaus auf eine Landzunge, wo wir Seevögel und schwarze Schwäne bei ihrem Spiel in Wind und Meer beobachten und fotografieren. In Emu Bay, einer kleinen Feriensiedlung, stoßen wir noch einmal an die Küste vor, ehe wir unser eigentliches Ziel ansteuern.

Auf staubiger aber gepflegter 'gravelroad' steuern wir unser Domizil an Auf staubiger aber gepflegter ‘gravelroad’ steuern wir unser Domizil an © 1993-2017 Bernd Runde

Auf staubiger Gravelroad durchqueren wir die Insel von Nord nach Süd, durchqueren das überschwemmte Tal des Cygnet River und passieren die von Cape Barren Gänsen und schwarzen Schwänen bevölkerte Birchmore Lagune. Auf dem warmen Asphalt der Birchmore Road sonnt sich ein über einen Meter langer Waran. Als wir die South Coast Road erreichen, kann sich unser neues Gefährt auf der ständig schlechter werdenden unbefestigten und staubigen Straße bewähren. Es fährt sich trotzdem angenehm und um 15:00 Uhr erreichen wir unser Ziel, die Hanson Bay.

Im Tal des überschwemmten Cygnet River Im Tal des überschwemmten Cygnet River © 1993-2017 Bernd Runde

Schäumend tosen die Brecher auf die der Bucht vorgelagerten Klippen und verlieren ihre ganze Kraft und Wucht. Ruhig plätschert das Meer dann auf den geschützten strahlendweißen Sandstrand. Als kleines Rinnsal schlängelt sich der South West River dem Meer entgegen.

Laut donnern die Brecher gegen die Felsen Laut donnern die Brecher gegen die Felsen © 1993-2017 Bernd Runde

Auf einem Felsen oberhalb dieser atemberaubenden Szenerie stehen ein paar Hütten. Eine davon werden wir als Domizil für die nächsten Tage beziehen. Ehe wir es uns aber gemütlich machen, brechen wir erst einmal zu einem ausgedehnten Spaziergang auf. Wir folgen dem Fluss landeinwärts bis es an den sumpfigen Ufersäumen kein Weiterkommen mehr gibt.

Der South West River strebt dem Meer entgegen Der South West River strebt dem Meer entgegen © 1993-2017 Bernd Runde

Wir umrunden auf dem festen Strand die Bucht und steigen auf die mächtigen, die Hanson Bay einrahmenden Dünen. Es ist ein erhebendes Schauspiel, das unbändige Treiben des Ozeans aus dieser Höhe zu verfolgen, dessen Gischt vom Sturm wie eine Wolke aus Zuckerwatte landwärts getrieben wird.

Aus unserem Domizil blicken wir direkt auf die Hanson Bay Aus unserem Domizil blicken wir direkt auf die Hanson Bay © 1993-2017 Bernd Runde

Die aus rohen Holzstämmen errichtete Blockhütte hat 2 Schlafzimmer für 5 Personen und ein großes Wohnzimmer mit integrierter Küche. Der Blick durch die Verandatür und ein großes Fenster geht hinunter über die ganze Bucht. Mitten im Raum steht ein Kanonenofen, den wir in dieser Jahreszeit wohl auch benötigen werden. Vor der Hütte lagern in einer regengeschützten Kiste dicke Äste und Wurzeln als Brennholz. Mit der Axt werden daraus ofengerechte Stücke gehauen. In Gedanken sehen wir uns schon, in dicke Qualmwolken gehüllt, hustend und mit tränenden Augen, einen ‘urigen’ Abend verbringen. Weit gefehlt, mit Geduld und zwei Servietten gelingt es mir wirklich, unserem Ofen Leben einzuhauchen. Christa hat ein vorzügliches Abendessen gezaubert, und die erste Flasche vom neu eingekauften Coonawarra steht auf dem Tisch. Der Ofen verbreitet eine angenehme Wärme. Wir fühlen uns in der Einsamkeit und dem schlichten Komfort wie in einer anderen Welt.

Nur mit Genehmigung zu befahren - Cape Du Couedic Road Nur mit Genehmigung zu befahren - Cape Du Couedic Road © 1993-2017 Bernd Runde

Um 05:00 Uhr wachen wir von ungewohnten Geräuschen auf. Auf das Dach trommeln heftige Regengüsse. Na, das kann ja heiter werden. Wir lassen uns reichlich Zeit fürs Frühstück und starten erst um 08:30 Uhr, der Regen hat aufgehört, in den Flinders Chase Nationalpark. Unterwegs halten wir noch an der Tandanya Farm und kaufen drei anständige Steaks, die man uns bis zum Nachmittag auftauen wird. Am Rocky River residiert die Nationalpark-Verwaltung. Dort bekommen wir auch die Genehmigung, mit dem Wagen in den Park zu fahren. Schon hier erleben wir die unbeschreibliche Vielfalt der einheimischen Fauna. Unzählige Cape Barren-Gänse, schwarzgesichtige graue Kängurus und Koalas tummeln sich im Wald- und Buschland am Rocky River.

Admirals Arche am Cape du Couedic Admirals Arche am Cape du Couedic © 1993-2017 Bernd Runde

Als wir das Cape du Couedic erreichen, heitert es auf und die Sonne bricht durch die bisher dichten Wolken. Was die Sonne erhellt, ist eine nahezu unbeschreibliche Szenerie, wie sie nur von Mutter Natur geschaffen werden kann. Über 100 m hoch ragt die Steilküste aus dem Meer. Unter uns, auf den wasserumtosten glatten Felsen tummeln sich unzählige schwarze Neuseeland-Pelzrobben. Es herrscht Frühlingsstimmung unter ihnen. Die Männchen kämpfen miteinander, andere tollen in den brodelnden Fluten, ein großer Bulle treibt zähnefletschend seine Weibchen zusammen und verjagt andere sich seinem Harem nähernde Männchen mit Bissen und wütendem Geschrei. Trotz ihrer Größe wirken sie elegant, wenn sie sich über die rutschigen, ständig von den heranrollenden Wogen des Meeres überfluteten Felsen bewegen. Mit spielerischer Leichtigkeit scheinen sie sich in den Urgewalten des Ozeans zu bewegen, es wirkt, als ob sie sogar Vergnügen haben, sich im Kampf mit den Kräften des tosenden Meeres zu messen.

Die 'Remarkable Rocks' grüßen von Ferne Die ‘Remarkable Rocks’ grüßen von Ferne © 1993-2017 Bernd Runde

Ein geradezu dramatisches Bühnenbild bietet der ‘admirals arche’. Die bizarre Felsformation eines riesigen Kalksteinbogens, Rest einer eingestürzten Höhle, rahmt die gischtübersprühten Felsen und die kochende See ein. Nur 4 km entfernt, schon bei der Anfahrt von weitem zu sehen, ist es eine andere Felsformation, die durch ihre Einmaligkeit besonders das Herz eines jeden Fotografen höher schlagen lässt. ‘Remarkable Rocks’, ein treffender Name für ein ungewöhnliches Felsgebilde. Henry Moore hätte wohl sein ganzes Leben daran arbeiten müssen und er hätte es doch nicht in dieser Vollkommenheit und Dramatik erschaffen können. Auf einem riesigen, vom Meer umspülten Granitsockel thronen - man glaubt, sie könnten jeden Augenblick herunterrollen - bis zu 20 m hohe von Sturm und Regen ausgehöhlte ‘Felsskulpturen’. Bei jedem Schritt hat man ein anderes Bild vor Augen, und jedes erscheint es wert, in Foto und Film festgehalten zu werden.

Die Naturgewalten als Künstler - Remarkable Rocks Die Naturgewalten als Künstler - Remarkable Rocks © 1993-2017 Bernd Runde

Auf dem West Bay Track stoßen wir dann noch tief in den Nationalpark vor. Wir überqueren den Rocky River und versuchen, am Sandy Creek zu Fuß an die Küste vorzustoßen, was allerdings am unwegsamen Gelände scheitert. Kurz vor der West Bay, der Track zum Cape Borda ist gesperrt, kehren wir notgedrungen um. Als wir um 15:30 Uhr unser Fleisch abholen, legen wir noch eine kurze Rast ein und lassen uns Pie und Sandwich schmecken.

In unserem 'Notquartier' an der Hanson Bay In unserem ‘Notquartier’ an der Hanson Bay © 1993-2017 Bernd Runde

Eine halbe Stunde später sind wir wieder in unserem ‘Heim’. Ein bisschen Wehmut kommt auf. Nur zwei Nächte an diesem idyllischen Ort. Wer konnte auch ahnen, dass uns dieses ‘Notquartier’ so gut gefallen würde. Die nächste Flasche vom roten Coonawarra wird uns trösten. Der Kanonenofen verbreitet wieder gemütliche Wärme. Wir sitzen am festlich gedeckten großen Tisch in der Wohnhalle und genießen ein köstliches Steak-Dinner.

Um 08:00 Uhr ziehen wir schon wieder eine lange rote Staubfahne hinter uns her. Recht früh wollen wir an der Seal Bay sein, um ungestört die Robben und australischen Seelöwen beobachten zu können. Wir, das sind 6 Besucher und eine Führerin, wandern am Strand zwischen dösenden oder spielenden Seelöwen umher. Bei einem gebührenden Abstand von mindestens 4 m lassen sich die Tiere überhaupt nicht stören. Die Kolonie wirkt noch recht verschlafen, wenn man sich den Tieren jedoch zu sehr nähert, merkt man, dass sie hellwach alles um sich herum wahrnehmen, denn sofort richten sie sich angriffslustig auf. Als wir nach über einer Stunde diesen paradiesischen Flecken verlassen, wartet schon die nächste Gruppe auf Einlass, eine Busladung Japaner.

Wanderdünen prägen das Bild der 'Little Sahara' Wanderdünen prägen das Bild der ‘Little Sahara’ © 1993-2017 Bernd Runde

Ganz in der Nähe, aber schwer zu finden, bietet die Insel eine andere Überraschung. Hoch aus dem dunkelgrünen Mallee-Busch erheben sich auf einem Gebiet von ca. 3x2 km blendend weiße Wanderdünen. Leider tut sich heute Morgen die Sonne noch immer schwer, diese einmalige Landschaft ins rechte Licht zu rücken. Kein Mensch weit und breit, der uns bei unserer Wanderung durch den tiefen Sand der ‘Little Sahara’ stört. Beschwerlich ist es, die zum Teil haushohen Dünen zu erklimmen und so sitzen wir dann auch bald, etwas windgeschützt hinter einem Dünenkamm und lauschen dem Prasseln der durch die Luft fegenden Sandkörner auf unseren Jacken.

Im Shop einer Farm am Straßenabzweig zur Vivonne Bay machen wir kurze Rast, ehe wir über die South Coast Road und den Abzweig der Seagers Road zur Murray Lagoon fahren. Am Westzipfel der Lagune lassen wir den Wagen stehen und marschieren in Richtung See. Obwohl wir uns sehr leise und vorsichtig dem Ufer nähern, haben uns die im ufernahen Wasser versammelten Vögel längst bemerkt. Als wir aus dem schützenden Busch hervortreten, steigt die ganze Schar mit lautem Geschrei empor, um sich in sicherer Entfernung erst wieder nieder zu lassen. Hinter einem dicken Baumstamm hocken wir uns ins hohe Gras und beobachten das bunte Treiben auf dem Wasser.

Obwohl die eigentliche Lagune über einen Kilometer vom Weg entfernt ist, reicht das Wasser heute bis an den Fahrweg heran. Am Timber Creek ist dann endgültig Schluss, wegen Überflutung gibt es kein Weiterkommen mehr. Die Rangerstation liegt nur 1 km vor uns, wir müssen aber einen 16 km weiten Bogen schlagen, um sie zu erreichen. Man macht uns dort aber wenig Hoffnung, im total überschwemmten Gebiet einen Weg oder eine geeignete Stelle zu finden, um dicht genug an die sich auf dem Wasser tummelnden Vögel heranzukommen. So wird es nur ein kurzer Spaziergang ohne große fotografische Ausbeute.

Über die glattgebügelten Gravelwege Three Chain Road, Milkys Road und Moores Road, durch ein Gebiet voller Salzwasser-Lagunen, in dem uns außer einem riesigen Waran kein Lebewesen begegnet, gelangen wir dann auf die Asphaltstraße nach American River. Wir fahren allerdings direkt bis an die Bay, um auch hier die landschaftlich reizvollere Stecke an der Bucht entlang zu wählen, die ihre ersten Entdecker für einen Fluss hielten.

Vom hochgelegenen Hotel, dem privat geführten ‘Wanderers Rest’, haben wir einen schönen Blick durch das Grün verschiedenartiger Eukalypten hindurch auf die Bucht und das in der Abendsonne aufflammende gegenüberliegende Ufer. In den Bäumen rund ums Hotel toben weiße und rosa-graue Kakadus, über uns ziehen Pelikane ihre Kreise am blauen Himmel. Noch vor dem Abendessen machen wir einen geruhsamen Bummel am Ufer der Bay.

Wir haben das Gefühl, dass sich Pat und Jeoff, die Besitzer des Hotels, sehr gefreut haben, als wir berichteten, dass wir ihr Haus auf Empfehlung von Frau Monshausen ausgewählt haben. Wir unterhalten uns lange über unsere Reise und werden auch gleich mit Tipps für unseren weiteren Aufenthalt versorgt. Es ist ein gemütlicher Abend und das Abendessen schmeckt ausgezeichnet. Der rundum verglaste Speisesaal mit einem kleinen Kamin in der Mitte strahlt eine urige Gemütlichkeit aus. Am tiefschwarzen Himmel funkeln längst die Sterne des südlichen Firmaments, als wir uns zurückziehen.

Für den vierten Tag haben wir uns die Erkundung der Nordküste vorgenommen. Leider können wir nicht so früh starten, wie wir es gewohnt sind. Erst ab 08:00 Uhr gibt es Frühstück. Heute holen wir den bei der Ankunft abgebrochenen ‘Stadtbummel’ in Kingscote nach. Über den Playford Highway rollen wir dann gen Westen. Pardana ist ein typisches australisches Dorf wie viele andere auch, zwei ‘stores’, eine Tankstelle, einige Häuser und Handwerksbetriebe und eine Schule mit einem riesigen Busparkplatz, auf dem die Busse warten, um die Kinder nach dem Unterricht auf die weit verstreuten Farmen und Ansiedlungen zurückzubringen. An der Western River Road, einer Gravelroad, zweigen wir ab zur Nordküste. Durch hügeliges Weideland mit Schafherden und vorbei an einsamen Farmen erreichen wir die Western River Cove. Eingebettet in die Felsen und Klippen der Nordküste liegt eine kleine Bucht, in die der Western River einmündet. Wir machen einen kleinen Spaziergang und lassen uns die frische Brise des Nordwindes um die Nase wehen. Bei der Weiterfahrt über Snelling Beach suchen wir nach einem schönen Platz fürs Picknick.

Zerklüftete Steilküste im Norden der Insel Zerklüftete Steilküste im Norden der Insel © 1993-2017 Bernd Runde

An einem kleinen unwegsamen Feldweg weist ein verwittertes Schild zum King George Beach. Volltreffer, nach zwei Kilometern landen wir an einer Bucht, deren wildromantische Lage durch nichts mehr zu übertreffen ist. Umrahmt von der zerklüftete Steilküste und übersät mit unzähligen riesigen Gesteinsbrocken schimmert die türkisfarbene Bucht und lädt ein zum Verweilen. Wir wandern rund um die Bucht, klettern dabei zwischen den Felsen herum und genießen die sich mit jedem Schritt verändernden Aus- und Ansichten. Es ist so schön und überwältigend, dass kein Photo diese Stimmung wiederzugeben vermag. Dann lockt noch ein weit ins Meer ragender großer Felsvorsprung bestiegen zu werden. Wir sitzen am Felsabbruch hoch über der Bucht und vergessen die Zeit. Ob wir eine halbe oder eine Stunde hier gesessen haben, wir wissen es nicht, es war auf jeden Fall zu kurz.

Hinter einem Tunnel versteckt, die Stokes Bay Hinter einem Tunnel versteckt, die Stokes Bay © 1993-2017 Bernd Runde

Noch einmal stößt unser Weg bis direkt an die Küste vor. Die Stokes Bay ist nur durch eine enge Schlucht und einen natürlichen Tunnel in der Steilküste zu erreichen. Als wir aus dem Dunkel des Tunnels treten, breitet sich vor uns eine durch muschelüberwucherte Felsen eingerahmte Bucht mit einem breiten weißen Sandstrand aus. Wir sitzen auf einer großen Muschelbank und beobachten das Treiben im seichten Wasser zu unseren Füßen. Da sich der Tag aber langsam seinem Ende nähert, heißt es auch hier Abschied nehmen. Über die Bark Hut Road erreichen wir wieder die asphaltierte Straße Richtung Kingscote und American River. Auf dem Balkon unseres Hotelzimmers genießen wir unseren Nachmittagskaffee und bewundern die hoch am Himmel dahinziehenden Pelikane aus dem nahen ‘Pelican Lagoon Conversation Park’. Erstaunlich, mit welcher Anmut diese schweren Vögel, wie die Albatrosse, ohne Flügelschlag im leichten Nachmittagswind dahinsegeln.

Unser Eindruck von dieser zauberhaften Insel wäre unvollständig, würden wir nicht auch noch den östlichen Teil besuchen. Die ‘Dudley Halbinsel’ ist mit der Hauptinsel durch einen schmalen, nur 1 km breiten, Landgürtel verbunden. Pat versorgt uns beim Frühstück an Hand der Karte noch mit Informationen über die schönsten und ruhigsten Plätze an der Ostküste und um 09:00 Uhr sind wir schon wieder auf und davon.

Mit einem Aufstieg zum Mount Thisby beginnen wir den Tag. Es ist tropisch warm geworden und der Wind weht aus Norden. Eine 512-stufige Holztreppe führt zu einer Aussichtsplattform, von der man eine herrliche Rundsicht über die Insel und den Südpazifik genießt. Nur 1 km entfernt machen wir von hier oben eine weite Bucht aus, es ist die Pennington Bay. Wieder sind wir allein bei unserem Strandbummel durch den weißen warmen Sand.

Einzigartige Natur am Chapman River Einzigartige Natur am Chapman River © 1993-2017 Bernd Runde

In Penneshaw, nur 18 km von Cape Jervis auf dem Festland entfernt, ist die Asphaltstraße zu Ende. Die Fähre hat wieder 5 Pkws mit Inselbesuchern herübergebracht, die jetzt den Ort ‘überfluten’. Wir fahren weiter über zum Teil recht aufgewühlte Feldwege. Unser Ziel ist die Antechamber Bay. Am Chapman River, der sich, gespeist aus einer großen Lagune, im Norden der Bucht ins Meer ergießt, machen wir Station. Bei einem ausgedehnten Spaziergang am Fluss, an dessen Ufer ein scheuer Graureiher genau wie wir die Einsamkeit genießt und am Strand, wo sich Hunderte von Seevögeln ein Stelldichein geben, sind wir wieder allein mit der einzigartigen Natur. Aufgeregt versucht ein Austernfischer, uns vom Strand zu vertreiben, wir müssen wohl seinem Gelege zu nahe sein.

Verwundert beäugt uns der Graureiher Verwundert beäugt uns der Graureiher © 1993-2017 Bernd Runde

Noch einmal geht es über Stock und Stein durch baumloses Heideland, ehe wir am äußersten östlichen Zipfel der Insel den Leuchtturm am Cape Willoughby erreichen. Von den Klippen des Kaps hat man einen wunderbaren Blick weit entlang der felsigen Ostküste und tief hinunter auf die Brandung des tiefblauen Meeres und die schäumende Gischt in der ‘Teufelsküche’. Der Rückweg führt uns auf der staubigen East-West Road durch Feld und Wald noch einmal quer durch die Halbinsel. Den Nachmittag verbringen wir auf dem Balkon und mit der inzwischen zur Routine gewordenen Pack-Prozedur.

Vom verschlafenen Flughafen geht es zurück aufs Festland Vom verschlafenen Flughafen geht es zurück aufs Festland © 1993-2017 Bernd Runde

Als wir um 09:15 Uhr in der Früh den Flughafen erreichen, liegt dieser noch still und verschlafen da. Erst wenige Minuten vor dem Abflug erscheint das Personal der Autovermietung. Schnell ist alles abgewickelt und wir warten auf den Aufruf unserer Maschine, die allerdings aus Adelaide kommend noch gar nicht eingetroffen ist. Einen leichten Dämpfer erhält unsere gute Stimmung über den gelungenen Aufenthalt auf dieser noch so naturverbundenen Insel dann wenige Minuten vor dem Abflug. Die Dame vom Autovermieter erscheint noch einmal und behauptet, dass sie für 18 A$ habe nachtanken müssen, weil über 30 (!) Liter Sprit gefehlt haben. Ein neuer Trick, Touristen abzuzocken, die im Begriff stehen, abzufliegen und für lange Diskussionen keine Zeit mehr haben. Ich hatte 10 km vor dem Flughafen randvoll getankt.

Bald liegt die Insel hinter uns Bald liegt die Insel hinter uns © 1993-2017 Bernd Runde

An Australiens wasserreichstem Fluss ostwärts in die Alpinregion und weiter bis Newcastle.

Von der Mündung bis zu Quelle stromaufwärts am River Murray

Als wir um 10:45 Uhr in Adelaide landen, steht Irving schon mit unserem Gepäck in der Flughafenhalle, und auf dem Parkplatz wartet, fahrbereit, ein Ford Falcon 4.0i, um uns sicher und komfortabel ans nächste Ziel zu bringen. Noch einmal gehen wir mit Irving gemeinsam zum Mittagessen. Er hat im Drehrestaurant des Atlantic Tower in Glenelg, dem Ausgangspunkt der Besiedlung Südaustraliens, einen Tisch reserviert. Es werden jetzt einige Wochen vergehen, ehe wir wieder am Meer sind, was liegt da näher, als sich vom Südpazifik mit einer köstlichen Platte Meeresfrüchte zu verabschieden. Ehe wir uns dann von Irving verabschieden, wird ein letztes Muschel- und Prospektpaket in die Heimat geschickt und die Reisekasse aufgefüllt. Nirgends sind in Glenelg Agfa-Filme aufzutreiben. In der City gab es sie an jeder Ecke. Hoffentlich verlässt uns unser Orientierungsvermögen nicht, wenn wir jetzt ohne Stadtplan in die City fahren. Mit der Orientierung klappt es ausgezeichnet, nur führen die vielen Einbahnstraßen immer gerade in die verkehrte Richtung, aber schließlich stehen wir doch vor dem richtigen Fotogeschäft.

In nördlicher Richtung verlassen wir die Stadt und quälen uns durch den starken Feierabend- und Wochenendverkehr. Ab Modbury sind wir dann wieder in einer wunderbaren Berglandschaft mit Seen und dunklen Wäldern. Ab Williamstown tauchen die ersten Weinberge auf und wir nähern uns dem wohl bekanntesten australischen Weinbaugebiet, dem Barossa Valley. Es ist das dritte Mal, dass wir im ‘Chateau Yaldara Motor Inn’ absteigen. Leider ist auch heute das Restaurant mit einer geschlossenen Gesellschaft belegt. Deshalb bestellen wir für 20:00 Uhr unser Dinner aufs Zimmer. Es fehlt zwar die Atmosphäre des schönen Restaurants, das wir so lieben, mit seiner herrlichen Aussicht ins Tal und auf die Weinberge, aber das gute Essen allein ist den Aufenthalt wert.

Der neue Tag soll uns wieder an die Gestade des Murray River führen. Zunächst durchqueren wir das Barossa Valley mit seinen malerischen Städtchen Tanunda und Nuriootpa. Wir fahren dann, abseits des Sturt Highway, um nicht den gleichen Weg wie bei der letzten Reise zu wählen, über die südlichen Mount Lofty Ranges. Weiter geht es dann durch weite, in der Frühlingssonne goldgelb leuchtende Getreideanbaugebiete.

Ungeheuere Wassermassen führt der Murray in diesem Jahr Ungeheuere Wassermassen führt der Murray in diesem Jahr © 1993-2017 Bernd Runde

In Swan Reach erreichen wir den Fluss und eine kleine Fähre bringt uns ans westliche Ufer. Bald schon erreichen wir Blanchetown und damit die reichen und fruchtbaren Obstanbaugebiete der ‘Riverland’-Region. Unbeschreibliche Wassermassen wälzt der Strom von weit her durch die von der Sonne verwöhnte Landschaft. Die üppigen Obstplantagen werden alle künstlich bewässert, denn Regen fällt hier so gut wie keiner. Tief hat der Fluss sein Bett in den weichen Lehmboden der Hochebene gegraben. Wir folgen seinem Lauf nach Norden, um in Morgan erneut auf das andere Ufer überzusetzen. In weiten Mäandern hat der Fluss sich seinen Weg durchs Land gebahnt. Die Straße kann den vielen Schleifen gar nicht folgen. Unter schattigen Trauerweiden, nahe dem Fähranleger nach Waikerie, machen wir ein kleines Picknick direkt am Ufer des Murray. Mit unheimlicher Geschwindigkeit rauschen die gelbbraunen Wassermassen, mit ihrer Fracht aus Ästen und ganzen Baumstämmen, an uns vorüber.

Auf einer Gravelroad folgen wir dann ein Stück dem Lauf des Flusses, ehe wir, wieder auf der gut ausgebauten nördlichen Umgehungsstraße, Barmera am Lake Bonney erreichen. Unser Bungalow liegt direkt am Golfplatz. Die großzügigen Räume bieten direkten Blick auf den Parcour. Unseren Bummel am See müssen wir leider schon nach kurzer Zeit abbrechen, es fängt doch tatsächlich an zu regnen. Wir haben gerade unseren Bungalow erreicht, als ein heftiger Tropenregen niedergeht. In Sekunden steht der ganze Golfplatz unter Wasser. In den riesigen Pfützen aalen sich mit gespreizten Flügeln die rosa Kakadus, als ob sie ein Jahr lang auf diese köstliche Abwechslung gewartet haben. Eine Stunde später beginnt die strahlende Sonne damit, die Szenerie wieder zu trocknen.

Auch heute stört wieder der Lärm einer Gesellschaft die sonst so angenehme Atmosphäre im Restaurant. Das erinnert uns daran, dass schon wieder Wochenende ist. Vom Zimmer aus rufen wir noch bei unseren Freunden in Newcastle an, um ihnen mitzuteilen, dass wir morgen die Grenze nach New South Wales passieren werden.

Alte Postkutschen-Station 'Overland Corner' Alte Postkutschen-Station ‘Overland Corner’ © 1993-2017 Bernd Runde

Im Informationsmaterial des Hotels liegt ein Hinweis auf einen historischen Ort dieser Gegend. Overland Corner, wir sind gestern daran vorbeigefahren, ist eine alte Postkutschen-Station. Sie liegt an einer Furt durch den Fluss, die in früheren Jahren von den Rinderherden auf ihrem Weg nach Süden passiert wurde. Leider erweist sich dieser Ort nicht als das, was der Prospekt verspricht. Historisch, ja das ist das alte Gebäude im wahrsten Sinne des Wortes, aber eine Attraktion? Ein verkommenes und verwahrlostes Haus mit einer Tafel ‘Overland Corner Hotel’ über der zugenagelten Tür als historisches Monument zu deklarieren, erscheint uns mehr als misslungener Versuch einer Gemeinde, sich im Ruhm vergangener Tage zu sonnen.

Jakaranda-Allee in Berri Jakaranda-Allee in Berri © 1993-2017 Bernd Runde

Mit ständigem Blick auf das Tal des Murray geht unsere Fahrt weiter durch die, dieses Land beherrschenden reichen Obstplantagen über Berri nach Renmark. In Berri stehen die Jakarandabäume nicht nur am Flussufer in voller Blüte. Die ganze Stadt erstrahlt im leuchtenden Blau dieser einmalig schönen Bäume. In Renmark, einer wunderschönen kleinen Stadt herrscht Sonntagsruhe. Wir bummeln am Fluss entlang, bewundern die riesigen Raddampfer am Ufer und die vielen an mächtigen Bäumen vertäuten Hausboote. Das wäre noch etwas fürs nächste Mal, eine Hausboot-Tour durch die überflutete Landschaft des Murraytals.

Modernes Wasserspiel in Renmark Modernes Wasserspiel in Renmark © 1993-2017 Bernd Runde

Wir überqueren den Murray diesmal auf einer Brücke und sind schon nach wenigen Kilometern wieder in staubtrockenem Busch- und Grasland. Nachdem wir die Grenze zu Victoria passiert und die Uhren 12 Stunde vorgestellt haben, führt die Straße auf einem 83 (!) km langen Abschnitt schnurgerade nach Osten, in Richtung Mildura. Es geht, in respektvollem Abstand zu den Überschwemmungsgebieten des Murray im Norden, am Rande einer als ‘sunset country’ bekannten Wüste entlang. Ein Blick auf die Landkarte gibt auch die Erklärung, warum gerade in diesem Gebiet die Straßen in bis zu 30 km Abstand vom Fluss verlaufen. Es ist nicht nur der eine Fluss, der hier fließt. Im Bereich zwischen Renmark und Mildura verzweigt sich der Murray in unzählige kleine Seitenarme, die ein Gebiet von über 3.000 qkm durchziehen.

Bei Wentworth steht die ganze Staustufe unter Wasser Bei Wentworth steht die ganze Staustufe unter Wasser © 1993-2017 Bernd Runde

Als wir dann in Wentworth ankommen, erkennen wir auch die Ursache für diesen Wasserreichtum. Wentworth liegt genau an der Stelle, an der Australiens längster Fluss, der Darling River, seine Wassermassen in den Murray ergießt. Es herrscht noch immer Frühlingshochwasser und weite Teile des Landes stehen, bis dicht an die Stadtgrenze, unter Wasser. Den Zusammenfluss der beiden Ströme erkennt man nur an einer aus dem Wasser ragenden Hinweistafel. Von der Wehranlage ragen nur die Spitzen der Pylone aus den Fluten. Hier an dieser Stelle erleben wir am beeindruckensten, woher dieser Fluss seinen Namen ‘Mighty Murray’ hat. Dem Wasserreichtum verdanken die Städte Mildura und Wentworth andererseits aber auch ihren Reichtum. Allein auf den 150 km zwischen Mildura und Renmark regulieren 6 Wehranlagen während der Trockenzeit den Wasserstand und schaffen damit die Voraussetzung, das umliegende Land ganzjährig zu bewässern und in ein Paradies zu verwandeln. Das ‘Sunraysia’ ist für jeden Australier der Inbegriff eines blühenden Obst- und Blumenlandes und seine Sultaninen sind weltbekannt.

Hausboot im Überschwemmungs-Gebiet Hausboot im Überschwemmungs-Gebiet © 1993-2017 Bernd Runde

Auf einer 8 km langen Prachtallee, die Champs Elyssée in Paris sind dagegen ein besserer Bürgersteig, fahren wir in die ca. 20.000 Einwohner zählende Stadt Mildura ein. Weitsichtige Stadtväter beschlossen in der guten alten Pionierzeit, die Stadt so anzulegen, dass sie auch einer wirtschaftlich aufstrebenden Metropole gerecht wird. So empfindet man gleich beim ersten Kontakt einen Hauch von Großzügigkeit. Es sind aber nicht nur die breiten Straßen, die den Reiz der Stadt ausmachen. Wunderschöne Häuser säumen die Ausfallstraßen, hier reihen sich auch die vielen Motels mit großzügigen Gartenanlagen aneinander; auch unser Domizil ist darunter.

Prachtvolle Avenue in Mildura Prachtvolle Avenue in Mildura © 1993-2017 Bernd Runde

Die Luft ist heiß und trocken, als ob sie direkt aus dem nahen ‘outback’ herüberweht. So fühlen wir uns wie neugeboren nach einem Bad im Swimmingpool, der direkt unter unserem Zimmer liegt. Ein Spaziergang durch die Deakin Avenue mit ihrem parkähnlichen Mittelstreifen beschließt dann diesen Reisetag.

Den neuen Tag beginnen wir ganz gemütlich, denn Eile und Hektik gelten hier nichts. Man kann sein Tagewerk auch mit Ruhe und Besonnenheit erledigen. Also sind auch wir erst um 08:30 Uhr ‘down town’. Kreuz und quer schlendern wir durch die Innenstadt und eine prächtige Fußgängerzone, die diesen Namen noch verdient, denn Rad- und Skatboardfahrer sind als Nicht-Fußgänger unerwünscht. Bei einer Tasse Tee mitten im bunten Treiben unter den breiten Kolonaden beschließen wir die erste 2-Stunden-Parkzeit-Periode.

Bei der Suche nach einem neuen Parkplatz landen wir am nahen Ufer des Murray. Der Stadtpark steht auch hier unter Wasser. Der Fluss führt immer noch über 3 m Hochwasser, das erst jetzt beginnt, langsam (mit ca. 1 m/Stunde) abzufließen und sich langsam dem 700 km entfernten Meer entgegenwälzt. Am Pier liegt der Raddampfer P.S. Melbourne und schickt sich gerade an, zur Vormittags-Kreuzfahrt abzulegen. Kurz entschlossen sind wir mit an Bord. Der holzbefeuerte Raddampfer Baujahr 1912 dampft stromaufwärts durch das lehmigtrübe und träge dahinziehende Wasser. Selten sind die Flussufer zu sehen. Das Hochwasser hat sie teilweise kilometerweit landeinwärts verschoben. Nur an den aus dem Wasser ragenden weißstämmigen Gerippen der Geister-Eukalypten ist zu erkennen, wo das eigentliche Flussbett ist. Diese Bäume sind die bevorzugten ‘Ankerplätze’ für unzählige, oft nur einfache, aber meist hochmoderne und komfortable Hausboote. Es wirkt alles wie eine fremde verwunschene Welt. 1,5 Stunden kämpft sich unser historisches Gefährt gegen den Strom voran. Wie stark die Strömung ist, kann man nur daran ermessen, dass die Rückfahrt nur 13 der Zeit in Anspruch nimmt.

Wieder zurück an Land gehen wir zunächst zum Lunch in die ‘mall’. Dabei beschließen wir, dem Fluss noch einmal von der Landseite aus einen Besuch abzustatten. So dicht am Wasser, wie es die Überschwemmungen zulassen, fahren wir bis zum Kings Billabong. Ein Spaziergang endet aber sehr schnell am sumpfigen Ufer dieses Seitenarmes des Murray. Ein Weilchen beobachten wir in der tropischen Wildnis herumtollenden Vögel, ehe wir den Rückzug antreten. Auch alle anderen Versuche, dem Fluss etwas näher zu kommen, scheitern. Selbst die Zufahrt zur Pumpstation, die das Flusswasser für die Bewässerung der nahen Plantagen liefert, ist unpassierbar.

Bleibt uns also etwas Zeit, Woodsies Gem Shop einen Besuch abzustatten, an dem wir auf der Hinfahrt vorbeigefahren sind. Die Fülle der Exponate ist überwältigend. Für jede Edel- oder Halbedelsteinart existiert eine Vitrine mit den ausgefallensten rohen und geschliffenen, gefassten und ungefassten Exemplaren. Nach einem Rundgang weiß man wirklich nicht mehr, was einem am besten gefallen hat. Es fällt schwer, sich von diesem Glanz zu trennen. Pünktlich zum ‘five o’clock tea’ sind wir aber dann doch wieder im Hotel.

“Übernachten Sie 6 mal in einem FLAG-Hotel und die 7te Übernachtung ist frei” verspricht der FLAG-Hotelführer. Schon wieder können wir eine Übernachtung mit dem Gutschein bezahlen. Unser heutiges Tagesziel liegt nur 220 km entfernt. Also haben wir Zeit und Muße es auf Umwegen anzusteuern und abseits des Highway zu fahren. Alle bisher besuchten Städte am Murray liegen inmitten riesiger Wein- und Zitrusplantagen und so nimmt es nicht Wunder, dass wir auch heute zunächst durch nicht endende Weinfelder fahren. In Robinvale überqueren wir wieder den Murray, der seine Wassermassen durch mehrere, wie ein Flussdelta gefächerte Flussläufe drückt. Hier verlassen wir den Sturt Highway.

Nur wenige Kilometer vom Fluss entfernt sind wir wieder im typischen australischen Trockenland. Breite naturbelassene Buschgürtel säumen die Straße auf beiden Seiten und versperren die Sicht auf die weiten gelbbraunen und ausgedörrten Weideflächen und riesige Getreidefelder. In Manangatang, einer in der Sonnenglut wie verlassen wirkenden ländlichen Ansiedlung, machen wir kurz Rast. Kurz danach sind es wieder gleißend weißen Salzkrusten, die die Landschaft prägen, wir passieren den (salt)Lake Wahpool. Schwierig gestaltet sich die Suche nach einem Zugang zum wesentlich größeren Lake Tyrrell. Dann stehen wir aber doch am Rande einer Landschaft, die von einem anderen Stern zu sein scheint. So weit das Auge reicht, nichts als Salz, Salz und nochmal Salz. Wären da nicht die Schlieren der über dem See flimmernden heißen Luft und würde man nicht die fast unerträgliche Hitze am eigenen Leib spüren, man könnte auf den Gedanken kommen, am Ufer eines zugefrorenen Sees zu stehen. Nur wenige niedrige Planzen und Büsche gedeihen auf dem unwirtlichen Boden zwischen den Salzkrusten direkt am See, aber schon 100 m entfernt stehen hohe Akazien, in denen eine Schar bunter Papageien herumtollt.

Swan Hill 'pioneer settlement' Swan Hill ‘pioneer settlement’ © 1993-2017 Bernd Runde

Über Sea Lake und Ultima erreichen wir auf schmalen Wegen dann am frühen Nachmittag Swan Hill und sind wieder zurück am Murray. Es ist noch früh am Tag und ausreichend Zeit, der Hauptattraktion des Ortes einen Besuch abzustatten. Im Süden der Stadt, unmittelbar an einem Seitenarm des Murray, dem Little Murray River, ist ein sogenanntes ‘pioneer settlement’ errichtet. Aus der nahen und ferneren Umgebung hat man historische Gebäude herangeschafft und daraus ein voll funktionsfähiges Dorf der Jahrhundertwende errichtet. Alle Geschäfte sind bewirtschaftet, in den Handwerksbetrieben wird in traditioneller Weise gearbeitet, sogar die Bank und die Post versehen offiziell ihren Dienst. Im Sägewerk hält eine alte Dampfmaschine die Transmissionsriemen in Schwung, und im Gelände stehen alte Land- und Forstwirtschaftsmaschinen. Der größte jemals auf dem Fluss verkehrende Raddampfer dient als ‘Eingangsgebäude’ und beherbergt darüber hinaus ein stilvoll eingerichtetes Restaurant. Gern hätten wir hier gegessen, aber ohne Vorbestellung ist daran nicht zu denken.

Der alte Bahnhof und Waggons als Restaurant Der alte Bahnhof und Waggons als Restaurant © 1993-2017 Bernd Runde

Aber ein anderer Platz verspricht auch die richtige Umgebung für einen angenehmen Abend, im ‘carriage restaurant’ bestellen wir uns zwei Plätze. Zunächst brechen wir zu einem Stadtbummel auf. Zu Fuß schlendern wir die breite Hauptstraße auf der einen Seite hoch und auf der anderen wieder zurück. Unser Hotel liegt nur 1.000 m vom eigentlichen Zentrum entfernt. Im Schatten der weit vorspringenden, und die Gehwege überspannenden Sonnendächer lässt sich angenehm bummeln. Direkt gegenüber von unserem Hotel steht ein niedliches kleines Haus mit den typischen gusseisernen Verandaverzierungen. Dort entdecken wir ein Schild im Garten: ‘tearoom’. Dieser Einladung können wir nicht widerstehen, und so sitzen wir dann bei Tee und Gebäck in der angenehmen Atmosphäre des kleinen Gartens.

Die alte Post im Museumsdorf ist in Betrieb Die alte Post im Museumsdorf ist in Betrieb © 1993-2017 Bernd Runde

Der Höhepunkt des Tages ist dann aber das Abendessen im ‘Pioneer Station Motor Inn’. Rund um zwei ausrangierte originale 1.Klasse-Vorortzugwaggons hat man ein Restaurant im Stil eines alten Bahnhofs gebaut. Edle Hölzer, Spiegel, Plüsch und Messing, ergänzt mit altem Inventar, schaffen eine anheimelnde Atmosphäre. Unaufdringlich werden die Geräusche und Bahnhofsdurchsagen einer Eisenbahnfahrt von Swan Hill nach Melbourne eingespielt. Man hat wirklich das Gefühl, unterwegs zu sein. Das Essen und eine angenehme Bedienung tragen das ihre dazu bei, dass wir diesen Abend nie vergessen werden. Überbackene Austern mit Schinkenwürfeln und Käse schreien förmlich danach, mit Sekt heruntergespült zu werden. In Höchststimmung wandern wir um 22:30 Uhr, es war lange nicht so spät geworden wie heute, durch die tropische Nacht ins Hotel zurück.

Durch weites Sumpf- und Marschland führt uns die neue Tagesetappe. Am Lake Boga machen wir einen kurzen Morgenspaziergang. Noch weht eine frische Brise über den See. Aber der strahlende Sonnenschein treibt schon bald die Tagestemperaturen wieder in die Höhe. Wenigstens hält die Klimaanlage das Wageninnere angenehme kühl. Wie an einer Perlenkette aufgereiht folgt ein kleiner See dem anderen. Durchzogen wird das Land von unzähligen Nebenarmen des Murray. In den von der Straße einsehbaren Schilfgürteln blinkt das Wasser in der Morgensonne. Am Middle und Reedy Lake schleichen wir uns von einem nahen Parkplatz zu einem Beobachtungsturm am Rande des Wassers. Von hier aus lässt sich der Betrieb in einer nahen Vogelkolonie wunderbar beobachten. Graureiher, Enten und Ibisse streiten lauthals um die besten Plätze für ihre Nester. Es herrscht beängstigende Enge auf den kleinen schilfbewachsenen Inseln im flachen Wasser.

In Kerang ist die Tourist-Info noch geschlossen. Wir bummeln einmal die kurze Hauptstraße hoch und ‘runter und sind auch schon wieder auf Achse. Wir können es gar nicht erwarten, das vielgelobte Herz der Murrayriver-Region zu erreichen. Um 12:00 Uhr erreichen wir Echuca, einst die wichtigste Stadt am Murray und größter Holzumschlagsplatz Australiens. Erzählt man einem Australier, das man in dieser Gegend war, ist seine erste Frage: ‘Ward ihr auch in Echuca?’

Ja, wir waren, aber werden nie wieder zurückkehren. Echuca ist das lebende Beispiel dafür, wie eine schlecht verwaltete Stadt allein von ihrem historischen Image lebt. Die ganze Stadt ist eine Enttäuschung. Der alte Hafen ist eine einzige Gerümpelecke mit einigen restaurierten Gebäuden, in denen Touristen für nutzloses Zeug überteuerte Preise abverlangt werden, oder wo man Raddampferfahrten buchen kann. An anderer Stelle hat man gerade begonnen, Material für den Aufbau einer Pionier-Siedlung zu sammeln, wahrscheinlich angeregt durch die mustergültige Siedlung in Swan Hill. Die Hauptstraße durch den alten Ortskern hat, im Gegensatz zu allen anderen Städten, die wir besucht haben, nicht den Hauch von Ausstrahlung. Am Fluss ist deutlich zu sehen, dass die Hochwasserwelle weiter flussabwärts gezogen ist. Die ganze Uferregion ist vom gelben Schlamm überzogen und bietet einen trostlosen Anblick. Beim Stadtbummel suchen wir dann vergeblich nach einem vernünftigen geöffneten Restaurant, bzw. nach einer Stelle, wo wir etwas zum Lunch bekommen. Als wir endlich fündig werden, erhalten wir für 17 A$ (!) eine Portion Hühnerfleisch-Abfälle, nach dem Motto ‘Wer hier her kommt, der kommt so wie so nicht wieder.’

Unser Hotel liegt in unmittelbarer Nähe zum Murray, direkt am Stadtpark. Hier laufen die Wasserpumpen, um die überfluteten Talsenken des Parks leerzupumpen. Es stinkt bestialisch und wir schalten die ‘Frischluft’-Zufuhr unserer Klimaanlage lieber aus. Vorsichtshalber hatten wir, schon von Swan Hill aus, das Hotel für zwei Nächte vorbestellt. Das wird jetzt ganz schnell rückgängig gemacht, hier hauen wir schon morgen wieder ab. Aber zunächst wollen wir ‘mal sehen, was auf der anderen Seite des Flusses in New South Wales los ist. Als wir die Brücke über den Murray passieren und Moama erreichen, fängt es plötzlich an zu regnen. Ein fürchterlicher Gewitterregen mit riesigen Hagelkörnern tobt 12 Stunde lang über der Stadt. In Minuten ist alles überschwemmt und die Straßen verwandeln sich in reißende Flüsse. Wir sitzen im Auto und hoffen, dass uns nicht ein umstürzender Baum oder Strommast aufs Dach fällt oder unser Auto wie ein Boot von den Fluten weggespült wird. Als der Spuk nachlässt, ist an einen Spaziergang nicht zu denken. Wir fahren zurück und bereiten uns auf das Abendessen im Hotel vor, für das wir uns einen Tisch bestellt haben. Das vorzügliche Dinner versöhnt uns wieder etwas. Es ist aber wirklich der einzige Lichtblick an diesem Tag. Selbst in der Nacht häufen sich die Minuspunkte für diesen ersten ‘Tag der Reinfälle’. Hinter unserem Zimmer schaltet mit einem lauten ‘rums’ ein Motor immer ein und aus, die Wasserpumpe fürs Hotel oder die Kühlanlage der Küche, wer weiß? Vor unserem Zimmer steht, bis tief in die Nacht und auch am frühen Morgen wieder, ein Bus oder ein Lkw mit laufendem Motor, während der Fahrer wahrscheinlich gemütlich beim Essen sitzt.

Bloß weg hier. Um 07:30 Uhr geh’ ich zur Rezeption, um ein Schild ‘Geöffnet ab 08:00 Uhr’ vorzufinden. Wir wollen nach Barmah, ein paar Kilometer flussaufwärts, zu einer kleinen Bootsfahrt durchs Überschwemmungsgebiet des Murray, die wir gestern noch kurz entschlossen telefonisch gebucht hatten. Etwas orientierungslos irren wir auf schmalen rutschigen Feldwegen im Sumpfgebiet herum. Die angegebene Stelle an einem kleinen Fahrweg mitten im Sumpf erscheint uns doch recht dubios, weil nichts auf Ausflugsbetrieb hinweist und ein Stückchen weiter ein kleines Schild steht, dass der Bootsanleger wegen Überflutung nicht erreichbar ist. Auch von einem Boot ist weit und breit nichts zu sehen. Als dann eine Dame mit Kühltasche und Picknickkorb erscheint, klärt sich alles auf, wir sind doch an der richtigen Stelle.

Überschwemmte Wälder im Barmah State Park Überschwemmte Wälder im Barmah State Park © 1993-2017 Bernd Runde

Eine kleine Busgesellschaft hat das Boot für heute gemietet. Da aber noch zwei Plätze frei waren, sind wir mit von der Party. Mit der ‘Kingsfisher’, einem Spezialboot ohne Kiel, fahren wir 2,5 Stunden durch die Sümpfe und überschwemmten Wälder des Barmah State Park. Es ist ein wunderschöner Morgen. Leider ist die Vogelwelt nicht so reichhaltig, wie wir es uns erhofft hatten. Zurück geht es auf dem Hauptarm des Murray. Umgestürzte Bäume und Sandbänke erfordern vom Skipper höchste Aufmerksamkeit. Am Flussufer sind in dicken Bäumen die eingeschnittenen Kilometerangaben von der ersten Erkundung des Flusses vor mehr als hundert Jahren zu erkennen, und sie sollen auch nach heutigen Messmethoden noch absolut stimmen. Kleine Symbole für die erfolgreiche Arbeit der Pioniere früherer Tage.

Auf der Weiterfahrt kommen wir auf Umwegen, weil immer wieder Straßen wegen des Hochwassers gesperrt sind, nach Nathalia. In dem kleinen beschaulichen Dorf sitzen wir an der Straße und lassen uns die frischen Hühnerbeine schmecken. In Cobram ist dann wieder richtiger Kleinstadtbetrieb. Wieder schlendern wir durch eine hübsche kleine Stadt und erfreuen uns am gemütlichen bunten Treiben ohne jede Hektik. Vor dem Rathaus veranstalten die Damen eines örtlichen Vereins gerade einen Wohltätigkeitsbasar und verkaufen hübsche Handarbeiten. Noch wenige Kilometer und wir überqueren wieder den Murray, um nun endgültig Victoria zu verlassen. In Tocumwal beziehen wir in einem ruhigen und sauberen Motel Quartier und fühlen uns wieder pudelwohl. Nachdem wir uns eingerichtet haben, folgt eine entspannende Stunde am und im Salzwasser-Swimmingpool. Für das Dinner im BYO-Restaurant legen wir aus unseren Beständen eine Flasche Coonawarra kühl. Mit einem vorzüglichen Abendessen im geschmackvoll eingerichteten Restaurant, wir haben ihm 3 Sterne verlieren, beschließen wir einen Tag, der uns Echuca schnell vergessen lässt.

So gemütlich wie heute sind wir schon lange nicht aufgebrochen. Unsere Tagesetappen sind so kurz bemessen, dass immer Zeit für die schönen Dinge am Rande der Straße bleibt. Aber auch in Tocumwal hat das Murray-Hochwasser seinen Schlamm am Ufer hinterlassen. Man kann jetzt zwar vielfach dichter ans Flussufer, aber Spaziergänge lassen die Verhältnisse noch nicht zu. Wir fahren jetzt nördlich des Murray. Die Sümpfe und Überschwemmungsgebiete reichen stellenweise immer noch bis an die kleine Nebenstraße und sind bevölkert von Heerscharen schreiender Wasservögel und weißer Kakadus. Am Mulwala State Forest vorbei erreichen wir den künstlichen Stausee Lake Mulwala. Eine historische Stätte am anderen Flussufer veranlasst uns, doch noch einmal New South Wales zu verlassen. Nach einem kleinen Bummel in Yarrawonga besuchen wir die Byramine Homestead. Das älteste Haus dieser Region wurde 1842 von der Schwägerin des Entdeckers Hume errichtet. Über 300 km von jeglicher anderen Besiedlung entfernt hatte sie sich hierher in die Wildnis zurückgezogen, als ihr Mann ermordet worden war. Das ansprechende, aus Sicherheitsaspekten gegen Angreifer, achteckige Haus wurde in Privatinitiative restauriert und ist seit 1988 als Touristenattraktion zugänglich. Wir sind die einzigen Besucher und werden vom Besitzer vor unserem Rundgang kräftig gegen die allgegenwärtigen Mücken eingerieben. Bevor wir wieder aufbrechen, genießen wir noch einen Tee und plaudern etwas mit den Eigentümern.

Wieder zurück in NSW setzen wir unsere Fahrt am nördlichen Ufer des Lake Mulwala fort. Gespenstig anzusehen, als ob das Wasser erst kürzlich aufgestaut wurde, ragen die Skelette tausender Akazien und Eukalypten aus dem See. Zügig kommen wir voran, auch als es ab Howlong wieder anfängt zu regnen. Der Regen begleitet uns bis Albury. Nach dem Einchecken im Hotel nutzen wir eine Regenpause, um uns die Stadt anzusehen. Die frühere Grenzstadt zwischen NSW und Victoria, direkt an der Bahnlinie Sidney-Melbourne gelegen, hat eine geradezu großstädtische Ausstrahlung, mit ihren breiten Straßen und steinernen Prachtbauten. Am Betrieb in den Straßen gemessen, sollte man nicht meinen, dass sie ‘nur’ 40.000 Einwohner hat. Sehenswert ist vor allem der riesige Bahnhof mit dem längsten Bahnsteig Australiens. Seine Länge verdankt er dem Umstand, dass er zwei Zügen hintereinander Platz bieten musste, da die Bahnen der Länder NSW und Victoria unterschiedliche Spurweiten hatten und jedes Land Wert auf seinen eigenen Bahnhof legte. So mussten die Passagiere, die aus Sydney kommend in den Zug nach Melbourne umsteigen mussten, oder umgekehrt, einige hundert Meter den Bahnsteig entlang wandern.

Der Bahnhof mit dem längsten Bahnsteig Australiens Der Bahnhof mit dem längsten Bahnsteig Australiens © 1993-2017 Bernd Runde

Kein Regen mehr, aber immer noch wolkenverhangener Himmel begrüßt uns am nächsten Morgen. Östlich von Albury erfordern riesige Stauseen mit einem unübersichtliches Gewirr von Seitenarmen unsere ganze Aufmerksamkeit, um nicht von der geplanten Route abzukommen. An einer schmalen Stelle überspannt eine Eisenbrücke den Lake Hume, den der Murray hier bildet, und wir sind abermals auf victorianischem Gebiet. Ein Glück, dass es keine Grenzkontrollen gibt. Es ist eine zauberhafte Landschaft, die sich im satten Grün des Frühjahres darbietet.

Randvoller Lake Hume Randvoller Lake Hume © 1993-2017 Bernd Runde

Sogar die Wolken schieben sich allmählich zusammen, so dass immer mehr blauer Himmel zum Vorschein kommt. Wir sind hingerissen von der nunmehr sanften Romantik des Murraytals. Der Fluss ist inzwischen etwas schmaler geworden, hat seine Faszination dadurch aber keineswegs verloren. Wir folgen seinem Lauf noch über Walwa hinaus bis Towong, kurz bevor er sich in der Wildnis der Snowy Mountains verliert. Eine alte Holzbrücke führt uns erneut ans nördliche Ufer, und damit sind wir jetzt endgültig in NSW.

In den Snowy Mountains

Auf kleinen Nebenstaßen über die Dörfer Greg Greg und Tooma - ganz allmählich werden die Berge immer höher - nähern wir uns den Snowy Mountains. Nachdem wir die Maragle Range passiert haben, geht es in wilden Serpentinen hinunter ins Tal des Tumut River und zum Talbingo Stausee. Ab hier sind wir sind wir in der Einsamkeit der dunklen Wäldern des Kosciusco Nationalparks. Mühsam klettert der Wagen wieder aus dem tiefen Taleinschnitt des Flusstales hinauf in die bis zu 2.000 m aufragende Bergwelt der Snowy Mountains, wie dieser Teil der großen Dividing Range genannt wird. In Cabramurra pfeift uns ein eisiger Ostwind ins Gesicht, als wir aussteigen, um den herrlichen Panoramablick über die einsame Bergwelt zu genießen. Die kleine Feriensiedlung ist einsam und verlassen. Verwundert stellen wir fest, dass ein Souvenirshop mit angeschlossenem Imbiss geöffnet ist. Damit wir unser gegrilltes Hähnchen in Ruhe verdrücken können, schließt der Inhaber uns sogar den ansonsten geschlossenen Speiseraum auf und setzt einen Heizlüfter in Gang. So etwas erlebt man wirklich nur in Australien.

Bis hinter Kiandra begleitet uns noch der Hochwald, dessen Stille nur von vereinzelten Schreien herrlich bunter Papageien unterbrochen wird. Bis hinunter nach Cooma wird die Landschaft dann wieder von hügeligem Weideland beherrscht. Cooma empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein. Das von uns angesteuerte Hotel sieht zwar sehr ansprechend aus, scheint aber leer und geschlossen. Auf unser klingeln erscheint der Inhaber und bedeutet uns, dass er außerhalb der Saison nur bei Bedarf öffnet, dass das Restaurant aber auf jeden Fall geschlossen ist. Vor dem obligaten Stadtbummel sitzen wir zunächst mit unserem selbst zubereiteten Nachmittagskaffee in der warmen Nachmittagssonne vor unserem Zimmer.

Die Stadt Cooma entwickelte sich zu ihrer heutigen Größe, als sie ab 1949 zur Heimat der aus aller Welt herbeigeströmten Bauarbeiter - es waren 33 verschiedene Nationalitäten - für ein riesiges Wasserkraft-Projekt zur Versorgung der Canberra-Region wurde. Angeregt durch katastrophale Dürren, hat man hier ein System geschaffen, um den Wasserreichtum der Region zur Regulierung der Flüsse Murray und Murrumbidgee zu nutzen. In 16 Stauseen, die durch 140 km Tunnel miteinander verbunden sind, wird das Wasser der Flüsse Tumut und Snowy River gespeichert, um bei Bedarf in die nach Westen fließenden Murray und Murrumbidgee geleitet zu werden. Gleichzeitig wird dabei in 7 Kraftwerken, wovon zwei davon unterirdisch angelegt sind, noch Strom erzeugt.

Es ist wieder einmal Wochenende, und der Betrieb in der Stadt ebbt gerade ab. Wir bummeln die Hauptstraße entlang und halten dabei Ausschau nach einem geeigneten Restaurant für den Abend. Wegen der örtlichen Nähe entschließen wir uns dann aber dazu, ins Nachbarhotel (Marlborough) zu gehen. Im großen und vornehm eingerichteten Speisesaal steht schon der geschmückte Weihnachtsbaum - heute ist der 20.November. Der Rest ist nur erwähnenswert, weil er uns ‘mal wieder so untypisch vorkommt. Serviert wird im Eiltempo, so als ob das Personal schnell nach Hause will. Aus den, in die Decke eingelassenen Lautsprechern ertönt überlaute schrille Jazzmusik. Die Rechnung wird dann gleich mit dem Dessert serviert, nach dem Motto: ‘Das war jetzt genug’. Na ja, das gibt’s bei uns auch.

Ob das wohl gut geht, wir haben doch keine Schneeketten dabei? Als wir bei strahlendem Sonnenschein um 07:45 Uhr aufbrechen wollen, sind die Windschutzscheiben zugefroren und es ist eisig kalt. Trotzdem, es verspricht, ein wunderbarer Tag zu werden. Gleich außerhalb der Stadt begrüßt uns eine muntere Schar bunter Papageien und Kakadus. Auf einem Weidezaun sitzen sie in friedlicher Eintracht beieinander, weiße und rosa Kakadus und rote Papageien mit grünen und blauen Schwänzen, und lassen sich von den ersten Strahlen der Morgensonne wärmen. Schon nach wenigen Kilometern sehen wir auf den noch entfernten Bergen die ersten Schneefelder blitzen. Es ist ein eigentümliches Gefühl, nach Hitze, Staub und Wüste, den ersten Schnee zu erblicken. Es ist wirklich das Land der Kontraste. In Berridale besorgen wir uns noch schnell neue Batterien für den Fotoapparat. Bei der Gelegenheit, das Geschäft ist gleichzeitig Tourist-Information, erhalten wir noch einen Tipp für den Nachmittag. ‘Wenn ihr sowieso nicht zum Fischen geht, dann solltet ihr eine kleine Schleife übers Land drehen und die ‘Snowy River Winery’ besuchen’, meint der Ladenbesitzer.

Auf dem Weg zum Snowy River Auf dem Weg zum Snowy River © 1993-2017 Bernd Runde

Zunächst wollen wir aber in die Berge und Australiens Wintersportparadies einen Besuch abstatten. Gleich hinter Jindabyne, einem kleinen Feriendorf am gleichnamigen See, windet sich die Straße bis auf 1.800 m hinauf. Nachdem wir am Eingang zum Nationalpark unser Tagesticket gelöst haben, sind wir auch schon bald in einer einmalig schönen, aber herben Hochgebirgslandschaft. In den Seitentälern murmeln kleine Bäche, und ihre Wasser sammeln sich schon hier oben zu ansehnlichen Flüssen.

Im alpinen Hochgebirge am Fuß des Mount Kosciusco Im alpinen Hochgebirge am Fuß des Mount Kosciusco © 1993-2017 Bernd Runde

Das kristallklare Wasser gurgelt über rundgeschliffene Felsen zu Tal. Hier oben entspringt auch der Murray River. Er ist er einzige Fluss, der den Weg nach Westen gefunden hat, alle anderen fließen, wenn auch nicht immer auf direktem Weg, nach Osten, um sich in den Pazifik zu ergießen. Die zwei kleinen Orte auf der Strecke wirken um diese Jahreszeit recht verlassen, natürlich ist auch keine Liftanlage in Betrieb. Als wir jedoch am Charlotte Pass, direkt am Fuß des Mount Kosciusco, mit 2.228 m Australiens höchstem Berg, das Ende der Straße erreichen, sind wir mitten drin in der alpinen Szenerie. Die Berge ringsherum sind voller, in der Sonne gleißender Schneefelder. Am kleinen Parkplatz präparieren einige Unentwegte ihre Langlaufskier. Der Mount Kosciusco hat sein Haupt allerdings in Wolken gehüllt, und dieses Wolkengebilde vergrößert sich zusehends. Wir machen einen kurzen Spaziergang. Nein, ein Spaziergang ist es nicht. Nachdem wir noch einmal zum Auto zurückgekehrt sind, um noch einen weiteren Pullover überzuziehen, kämpfen wir uns gegen einen eisigen Sturm bis zu einer kleinen Aussichtsplattform vor. Schnell ein paar Fotos von der faszinierenden Landschaft im sich minütlich ändernden Licht der vorbeirasenden Wolken, und dann zurück zum Auto, in dem diesmal nicht die Klimaanlage, sondern die Heizung in Betrieb ist.

Am Lake Jindabyne Am Lake Jindabyne © 1993-2017 Bernd Runde

Nach einem kurzen Aufenthalt im Zentrum von Jindabyne treten wir die Rückfahrt an, um in Berridale auf eine Gravelroad abzubiegen, die uns zu dem empfohlenen Weingut bringen soll. Wieder einmal eine kurzfristige Entscheidung, die wir unser Leben lang nicht vergessen werden. Der staubige und steinige Weg führt durch bergiges Weideland. An den Wegkreuzungen weisen die selbstgefertigten typisch australischen Briefkästen aus alten Milchkannen oder Benzinfässern daraufhin, dass irgendwo versteckt hinter Hügeln Farmen liegen müssen. Scheußliche Rindergittter im Weg und schmale Durchfahrten in den Zäunen markieren die Grenze zwischen den Besitzungen. Nach 14 km erreichen wir eine Farm, ohne vorher auch nur eine Weinrebe gesehen zu haben.

Teilweise sind die Wände einiger Gebäude unter Einschluss riesiger Findlinge errichtet. Es sieht so aus, als ob man Steine, die sich nicht wegräumen ließen, einfach in die Gebäude mit integriert habe. Eines dieser Gebäude ist ein Restaurant, das, wie wir bei einem Blick aus dem Fenster feststellen, auf einer Steilklippe hoch über dem Snowy River errichtet wurde. Wahrlich ein geschickt in die Natur integrierter Bau mit einer faszinierenden Aussicht. In einer rustikal eingerichteten Probierstube finde ich dann auch einen Wein, der zu unserem Schlemmermahl aus Suppe und geräucherter Forelle passt. Anschließend ziehen wir mit dem restlichen Wein und dem Weinkühler auf die Terrasse. Tief unter uns gurgelt der Fluss durch die Schlucht und über uns segeln weiße Wolken am strahlendblauen Himmel. Als sich noch ein Ehepaar aus Sydney zu uns gesellt und wir über unsere Reise plaudern, vergeht die Zeit wie im Flug. Hier könnte nicht nur der Tag zu Ende gehen, das könnte auch der Höhe- und Schlusspunkt dieser Reise sein. Zur Zeit können wir uns nichts Schöneres vorstellen, als den australischen Frühling zu genießen. Zum Tagesausklang sitzen wir dann mit Kaffee und Tee wieder vor unserem Hotelzimmer und lassen uns die Sonne aufs Fell brennen. Von der eisigen Kälte in den nahen Bergen ist hier unten tagsüber nichts zu spüren.

Bundeshauptstadt Canberra im ACT (Australian Capital Territory)

Blick vom Ainslie Hill auf Canberra Blick vom Ainslie Hill auf Canberra © 1993-2017 Bernd Runde

Morgens heißt es allerdings wieder: Scheiben kratzen. Es sind nur 111 km auf dem gut ausgebauten Monaro Highway bis Canberra. In einer guten Stunde sind wir mitten in der Stadt. Vom 842 m hohen Ainslie Hill geht der Blick, bei strahlender Morgensonne, hinunter auf die australische Metropole. Eingerahmt von dunklen Bergen liegt die erst 1913 gegründete Stadt mit dem künstlichen 11 km langen Lake Burley Griffin zu unseren Füßen. Der Blick geht über das ‘war memorial’ und die Anzac Parade hinüber auf das andere Seeufer mit dem alten Parlamentsgebäude und dann hinauf zum ‘Capital Hill’ mit dem neuen teils unterirdischen Parlament, auf dessen Dach weithin sichtbar die australische Bundesflagge weht.

Der Lake Burley Griffin im Zentrum von Canberra Der Lake Burley Griffin im Zentrum von Canberra © 1993-2017 Bernd Runde

Im zentral gelegenen Commonwealth Park lassen wir das Auto stehen und erwandern zuerst die Seite mit den Regierungs- und Verwaltungsgebäuden rund um den Capital Hill und anschließend die City. Es ist ein mühsames Unterfangen, diese Stadt zu Fuß zu erkunden. Um aber die Ausstrahlung der weitläufigen Gartenviertel mit den diplomatischen Vertretungen und Ministerien zu erleben, wäre eine Stadtrundfahrt sicher nicht geeignet. Die Ruhe und der wenige Verkehr tragen mit dazu bei, dass der erste Teil ein geruhsamer Bummel wird. Immer wieder schimmert der Lake Burley Griffin zwischen Bäumen und Gebäuden hindurch, und von überall ist die Fontäne des riesigen Springbrunnens mitten im See zu sehen. Weit geht der Blick über das bergige Land, je höher wir den Capital Hill erklimmen.

Vorweihnachtliche Stimmung in einer Einkaufspassage Vorweihnachtliche Stimmung in einer Einkaufspassage © 1993-2017 Bernd Runde

In der City herrscht reger Betrieb. Die großzügigen Einkaufspassagen sind weihnachtlich geschmückt und die Menschen hasten und hetzen von einem Geschäft zum anderen. Großstadtbetrieb, wie überall in der Welt. Zeit für uns, ins benachbarte Queanbeyan aufzubrechen. Über großzügige Schnellstraßen sind wir schnell vor Ort, müssen allerdings die Erfahrung machen, dass man im fließenden Verkehr auch schon mal am Ziel vorbeifährt. Dadurch gewinnen wir aber gleich ein Bild von der Hauptgeschäftsstraße der Stadt am Molonglo River. Mit einem Stadtbummel und anschließendem Abendessen im gemütlichen Restaurant des Hotels beschließen wir dann auch den Tag. Obwohl italienisch geführt, gelingt es uns aber auch hier nicht, das Essen mit einem Espresso zu krönen.

Die letzte Woche in New South Wales und bei Freunden

Es ist Dienstag der 23. November 1993, und wir starten die letzte Woche unseres Australienaufenthaltes. Schon um 08:00 Uhr sind wir wieder unterwegs. Zügig geht es auf dem gut ausgebauten Highway, vorbei am Lake Bathurst, nach Norden. In Goulburn machen wir Station, und sind überrascht, in einer solch großen und betriebsamen Stadt gelandet zu sein. Prachtvolle Bauten aus dem vorigen Jahrhundert beherrschen das Stadtbild. Goulburn war die erste Stadt Australiens abseits der Küste. Sie entstand, als die Versorgung von Sydney nicht mehr aus deren unmittelbarer Umgebung zu gewährleisten war. Ein wunderbarer schmiedeeiserner Pavillon zu Ehren von Queen Victoria erinnert an alte Glanzzeiten. Eine kilometerlange Einkaufsstraße, die bis zur Fertigstellung einer Stadtumgehung Hauptdurchgangsstraße war, wird zur Zeit in eine geschmackvolle Fußgängerzone umgewandelt und lädt zu einem ausgedehnten Stadtbummel ein. Wir sind angetan von der lockeren Atmosphäre.

Es gibt nicht viele Querverbindungen, um die Dividing Ranges in Richtung Küste zu überqueren. Kurz vor Bowral zweigt endlich eine Nebenstrecke ab, die verspricht, uns unserem Tagesziel wieder etwas näher zu bringen. Über Sutton Forest, Moss Vale und Fitzroy Falls geht die Fahrt auf schmalen Straßen und in engen Serpentinen berghoch und bergrunter. Am Lake Yarrunga liegt das kleine malerische Feriendorf Kangaroo Valley, in dem Holzschnitzereien aus einheimischen Bäumen unsere Aufmerksamkeit erwecken. Noch einmal folgt eine Tour durch die Berge, ehe sich endlich die breite Küstenebene vor uns auftut und Nowra zu unseren Füßen liegt.

Die Stadt hat sich in den letzten drei Jahren total verändert. Nur schwer finden wir die Stellen alter Erinnerungen wieder. Unser Motel hat inzwischen den Besitzer gewechselt und ist vergrößert worden. Das Chinarestaurant existiert auch noch und wird uns heute zum Abendessen wiedersehen. Aber auch diesmal ist der Höhepunkt ein Spaziergang entlang dem ‘Bens walk’ auf den Klippen hoch über dem Shoalhaven River und durch ein reizvolles Seitental. Zwei Stunden sind wir bei angenehmen 22°C unterwegs.

‘Dann müsst ihr ins Vogelschutzgebiet fahren. Und nehmt auf jeden Fall eine Tüte Sonnenblumenkerne mit’, rät unser Hotelwirt am nächsten Morgen, als er hört, dass wir zur Jervis Bay wollen. Mit seinem Dauerausweis, ohne den wir Eintritt bezahlen müssten und einer Tüte Sonnenblumenkernen, die er uns in die Hand drückt, brechen wir auf.

Wir umrunden die ganze Bucht und sind schon um 08:30 Uhr im Jervis Bay Nationalpark. Green Patch heißt ein Stückchen dieser herrlichen Natur direkt am Wasser. Die ausgestreckte Hand mit dem Futter lockt in wenigen Minuten eine Unzahl bunter Papageien an. Die bunte Schar der verschieden Rosellas, auch ein paar Königspapageien sind darunter, macht einen Höllenlärm und wird immer dreister. Als noch andere Besucher eintreffen, machen wir uns auf den Weg in den nahen Busch. Unbeschreiblich unsere Freude, als wir auf einem nahen Baum eine Gruppe Gelbschwänziger Schwarzer Kakadus entdecken, die in der wärmenden Morgensonne ihr Gefieder putzt.

Am Bootshafen in Huskisson sitzen wir an alter Stelle und genießen hervorragenden frischen Fisch mit Chips. Wir haben das Gefühl, erst vor kurzem hier gewesen zu sein. Sogar die Möwen scheinen noch die gleichen wie 1990 zu sein. Auf der Suche nach uns noch unbekannten Ecken, landen wir im Seven Mile Beach Nationalpark. Zwei Stunden lang wandern wir am Strand entlang und lassen uns die frische Brise um die Ohren pusten.

Es sind nur 340 km bis Newcastle, wir müssen aber durch Australien dichtbesiedelstes Gebiet. Um 07:50 Uhr starten wir deshalb zum versprochenen Besuch bei unseren alten Freunden Jack und Elizabeth. Es ist wieder die Nationalstraße Nr.1, die wir unter den Rädern haben. Mit ständig zunehmendem Verkehr nähern wir uns Sydney. Anders als noch vor drei Jahren, sehen wir die Städte Kiama, Wollongong und Helensburgh aber nur aus der Ferne, denn der Highway führt nicht mehr mitten durch die Orte, sondern in großem Abstand an ihnen vorbei. Noch weit vor Sydney versuchen wir, eine Umgehung zu finden, um im weiten Bogen die Metropole zu umrunden. Leider gestaltet sich die Route über Liverpool und Parramatta zur wahren Tortur, Baustelle reiht sich an Baustelle. 80 km quälen wir uns durch einen einzigen Engpass, ehe wir bei Hornsby endlich wieder den ausgebauten Highway erreichen.

Bei Wyong beschließen wir, die neue “1” noch einmal zu verlassen, um dem küstennahen alten Pacific Highway zu folgen. Mehrere große Seen, nur durch schmale Landzungen vom Meer getrennt, beherrschen die Landschaft und sind ein Eldorado für Wassersportler und Erholungssuchende aus den nahen Großstädten. Jetzt, außerhalb der Saison, ist davon allerdings noch nichts zu spüren. Nachdem wir uns im Gewirr der vielen kleinen Straßen regelrecht verirrt haben, hilft nur noch der Besuch eines ‘tourist office’. Mit einer detaillierten Karte der Gegend haben wir aber die Orientierung schnell wieder. Nach einem Restaurant brauchen wir nicht lange zu suchen. Auf der Sonnenterrasse eines kleinen Gasthauses direkt am Lake Budgewoi lassen wir uns verwöhnen. Es ist ein strahlender Frühlingstag und wir genießen die Ruhe und Abgeschiedenheit dieses Platzes. Zum delikaten Fisch entkorken wir noch eine Flasche des süffigen Coonawarra, der bis hierher überlebt hat. An den Preisen merken wir dann auch, dass man hier sein Geld mit Touristen verdient.

Auf der Weiterfahrt machen wir dann noch einen kleinen Abstecher an die Pazifikküste. Als wir am Wybung Head ein Felsmassiv auf einer kleinen Landzunge erklimmen wollen, versucht ein kräftiger Wind uns daran zu hindern. Dieser Wind ist es auch, der das Meer gegen die felsige Küste treibt, wo die türkisfarbenen Brecher sich in weißer Gischt auflösen. Pünktlich zum ‘afternoon tea’ sind wir in Kotara. Nach dem herzlichen Wiedersehen ist es natürlich der Bericht über unsere Abenteuer in den letzten 10 Wochen, der die Unterhaltung bestimmt.

Nachdem morgens der Picknickkorb gepackt ist, brechen wir zu einem Tagesausflug auf. Durch kleine Feriendörfer an herrlichen Stränden und eine abwechslungsreiche Landschaft fahren wir auf der nördlich von Newcastle gelegenen Halbinsel bis Nelson Bay. Unterwegs gibt’s im Schatten einer riesigen Akazie Picknick und eine kurze Unterbrechung für ‘shopping’. Leider kann sich Elizabeth mit ihrer Behinderung noch nicht so bewegen, wie sie es gerne möchte. Zum Abschluss besteigen wir noch den Aussichtspunkt am Leuchtturm. Zurück geht die Fahrt durch wunderschöne Vororte mit prächtigen Bungalows und Vorgärten. Den Abend verbringen wir mit einem Barbecue im Garten.

Elizabeth hat sich gestern wohl doch etwas übernommen. So beschließen wir, keine weiteren Ausflüge zu unternehmen und den Tag in Haus und Garten zu verbringen. Die Temperatur steigt auf über 30°C und ist damit auch nicht angetan, zuviel Aktivitäten zu entwickeln. Nachmittags fahre ich mit Jack zu einer Stippvisite seines Bowlingclubs. Bei einem kühlen Bier erläutert mir Jack die Besonderheiten des australischen Volkssports ‘lawn bowling’, und ich bewundere die Geschicklichkeit und Begeisterungsfähigkeit der Akteure auf dem grünen Rasen.

Gemütlich, wie es sich für einen Sonntag gehört, brechen wir um 11:00 Uhr auf. Auch Sydney hat sich gewaltig verändert und ich habe keinen Stadtplan eingesteckt, ‘weil ich doch alles kenne’. Ehe wir es uns versehen, tauchen wir in einem Tunnel unter dem Hafen hindurch und sind auf der falschen Seite der Stadt. Auf der Rückfahrt passieren wir dann Kings Cross und sind angetan von dem bunten Treiben in den engen Straßen und Gassen. Man sollte es nicht glauben, aber selbst am Sonntag ist kaum ein Parkplatz zu finden. Es dauert lange, ehe wir das Auto endlich abstellen können. Zu Fuß marschieren wir zurück nach Kings Cross und lassen uns dort einfach treiben, über alte Trödelmärkte und durch’s Rotlichtviertel. An einem belebten Platz finden wir sogar einen freien Tisch zum Lunch.

Über schmale Gassen und durch kleine Vororte verlassen wir die Stadt Richtung Osten, in Erwartung irgendwann auf einen Wegweiser zum Flughafen zu stoßen. Ehe wir uns versehen, haben wir plötzlich die Pazifikküste erreicht und sind im dem Badeort Bondi. Ein kleines sauberes Städtchen, das uns beim durchfahren so fasziniert, dass wir beschließen, morgen noch einmal zurückzukehren. Jetzt heißt es aber erst einmal unser Hotel zu finden, was ohne Stadtplan allerdings wirklich einem Lotteriespiel gleicht.

Trotz der Erfahrungen vom Vortag können wir uns nicht dazu entschließen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt zu fahren. Irgendwo in Haymarket finden wir dann glücklicherweise einen Parkplatz für 3 Stunden. Durchs Chinesenviertel und über die George Street marschieren wir in die City. Victoria Building, Pitt Street Mall, Martin Place und die vielen anheimelnden Geschäftspassagen wecken Erinnerungen an frühere Besuche in dieser einmaligen Stadt. Am Darling Harbour finden wir dann etwas schneller einen Parkplatz, um auf einer Terrasse mit Blick über die Skyline der City unser zweites Frühstück zu genießen. Bei der Fahrt zum Altstadtviertel ‘The Rocks’ verfranzen wir uns wieder und sind ruckzuck über die Harbour Bridge nördlich der Port Jackson Bucht. Vom Milsons Point können wir aber die Silhouette der Stadt einmal aus einer anderen Perspektive bewundern.

Inzwischen haben wir allerdings die Orientierung wieder gefunden und wissen, wann man sich wohin einordnet, um nicht wieder eine Abfahrt zu verpassen. Wider Erwarten finden wir in der Altstadt sofort einen Parkplatz und machen uns auf die Suche nach einem Restaurant mit schöner Aussicht. Mit List und Tücke erwischen wir einen wunderbaren Platz am Ende des Circular Quai West, direkt am Wasser mit Blick auf die Oper. Von hier starten wir dann auch zu einem Bummel bis zur Oper, um das riesige Hafenbecken mit seinem bunten Treiben ein- und auslaufender Schiffe und Fähren.

Auf dem gleichen Weg wie gestern brechen wir dann auf, um den Nachmittag in Bondi zu verbringen. Diese zauberhafte kleine Stadt rahmt in einem weiten Bogen die gleichnamige Badebucht ein. Ein ausgedehnter Spaziergang bei strahlendem Sonnenschein führt uns auf der Strandpromenade rund um die Bucht. Mit einer leckeren Eistüte liegen wir dann im Rasen und schauen dem Treiben der Surfer und Wellenreiter zu, die in Massen das Wasser bevölkern. Das Abendessen lassen wir uns im Hotel aufs Zimmer bringen.

Eigentlich war es das für dieses Mal. Unsere Rundreise durch Australien ist beendet. Was aber mit dem halben Tag anstellen, der uns noch bis zum Abflug bleibt? Um im Hotel herumzulungern ist in Australien jede Stunde zu schade. Warum nicht noch etwas ans Meer fahren und Sonne, Wind und Wasser genießen? Gesagt getan. Um 08:30 Uhr brechen wir ins nahegelegene Maroubra auf. Bis mittags faulenzen wir am Meer und machen ausgedehnte Strandspaziergänge. Leider gibt es hier draußen kein vernünftiges Restaurant. Wir wechseln also noch einmal den Platz des Geschehens und landen in La Perouse an der Botany Bay, genau gegenüber dem Platz, an dem Captain Cook am 29.April 1770 erstmals australischen Boden betrat. Auf der Terrasse eines Restaurants beschließen wir, Australien ‘lebwohl’ zu sagen und unsere letzten Dollars auf den Kopf zu hauen. Überbackene Austern, Sekt und Espresso tragen dazu bei, dass wir diesen Platz niemals in unserem Leben vergessen werden.

Es sind nur noch wenige Kilometer bis zum Flughafen. Gepäck ausladen, Kilometerstand notieren, Wagen abgeben und einchecken, es klappt alles wie am Schnürchen. Pünktlich um 16:45 Uhr startet unsere Maschine und vor uns liegt ein Flug von 20 Stunden fast um die halbe Welt. Bis Bangkok sind es 7.522 km. Es ist erst 23:00 Uhr (-4 Stunden) als wir landen. Um 00:45 Uhr geht’s weiter auf die nächsten 8.970 km bis Frankfurt. Noch einmal werden die Uhren um 6 Stunden vorgestellt, und so ist es erst 07:00 Uhr Ortszeit, als wir pünktlich landen.

Schon beim Anflug hatte der Pilot uns auf eine Besonderheit in der Heimat hingewiesen, das Thermometer zeigt -9°C. Muss der Winter uns denn gleich mit so eisiger Kälte und Schnee daran erinnern, dass das »Abenteuer Australien« zu Ende ist? Beim Verlassen des Zoll erwartet uns noch eine weitere Überraschung, an der Sperre erwartet uns Neffe Ralf. Er begleitet uns noch bis zum Hauptbahnhof. Dort erwischen wir gerade noch den ICE nach Kassel. Für die letzten Kilometer ins häusliche Heim gönnen wir uns dann eine Taxe.


Übersicht besuchter Nationalparks

(Name, beste Reisezeit, Besonderheiten)

Northern Territory

  1. Kakadu National Park, Mai-Okt., Küstenebenen, Mangroven, Sumpfland, Tiere
  2. Nitmiluk (Katherine Gorge) National Park, Mai-Okt., Sandsteinplateau, Schluchten, Wasserfälle
  3. Litchfield National Park, Mai-Sept., Regenwald, Wasserfälle
  4. Simpson’s Gap National Park, März-Sept., Rauhe Berge, Schluchten
  5. Finke Gorge National Park, Apr.-Okt., Rauhe Landschaft, Livistona-Palme, Palm Valley
  6. Watarrka (Kings Canyon) National Park, Apr.-Sept., Höhlen, Schluchten, Wasserlöcher, Kings Canyon
  7. Uluru National Park, Juni-Nov., Ayers Rock, Mt. Olga, Monolithen
  8. Ormiston National Park, März-Nov., Tiefe Schluchten, Wasserlöcher, farbige Felsen

Western Australia

  1. Purnululu (Bungle Bungle) National Park, Juni-Aug., Bienenkorbförmige Sandstein-‘Dünen’
  2. Windjana Gorge National Park, Apr.-Okt., 3,5 km lange Schlucht mit tropischer Vegetation
  3. Tunnel Creek National Park, Apr.-Okt., 750 m langer unterirdischer Flusslauf
  4. Geiki Gorge National Park, Mai-Nov., Rauhe farbige Felswände, Höhlen, Krokodile
  5. Millstream-Chichester National Park, Apr.-Okt., Wüstenlandschaft, Oase
  6. Hamersley Range National Park, Apr.-Sept., Tiefe Schluchten, rauhe Berge, große Bäume
  7. Ningaloo Marine Park, Schöne Küste
  8. Cape Range National Park, Mai-Sept., Kalksteingebirge, Korallenriff
  9. Kalbarri National Park, Sept.-Nov., Wildblumen
  10. Nambung National Park, Sept.-Nov., Kalksteinsäulen (Pinnacles) in Wüstenlandschaft
  11. Yalgorup National Park, Juni-Dez., Sanddünen, Strände
  12. Beedelup National Park, Wälder, Wildblumen
  13. D’Entrecasteaux National Park, Rauhe Küste, Wälder, Wildblumen
  14. Walpole-Nornalup National Park, Sept.-Febr., Karri- & Jarrahwälder, wilde Küstenlandschaft
  15. William Bay National Park, urtümliche Küstenformation, Elephant Rocks
  16. Torndirrup National Park, Sept.-Mai, Wilde Küste, Strände, Wildblumen
  17. Porongurup Range National Park, ganzjährig, Karriwälder, Granitfelsen
  18. Stirling Range National Park, ganzjährig, Wildblumen

South Australia

  1. Flinders Chase National Park, Wilde Küste, Seelöwen, Cape Barren Gans
  2. Coorong National Park, Salzlagunen, Wasservögel Flinders Range National Park

Victoria

  1. The Grampians National Park, Sandsteinformationen Otway National Park, Regenwald, wilde Küste
  2. Port Campbell National Park, Küstenfelsen (Zwölf Apostel), Great Ocean Road
  3. Wilsons Promontory National Park, Strände, Buchten, Granitfelsen, Tiere

New South Wales

  1. Kosciusco National Park, Alpine Flora, hohe Berge, Schneefelder
  2. Jervis Bay National Park, Eukalyptuswälder, Papageien
  3. Blue Mountain National Park

Hotels, Camps


(Alle jahreszeitlich bedingten Angaben beziehen sich auf die Monate Oktober/November. Straßenzustand: September/Oktober/November 1993)